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MÄRKTE / HERRENKOSMETIK Wildes Wagen

aus DER SPIEGEL 43/1969

Wenn Sie ein bißchen Glück haben, können Sie jetzt einen neuen Mann gewinnen.«, verheißen die Werber der Herrenkosmetik-Marke »Hattric« westdeutschen Frauen: »Einen für 25 000 Mark aus purem Gold.«

Die ungewöhnliche Offerte der Wiesbadener Firma Olivin gehört zu den Reklametricks, mit denen deutsche Männer zu eifrigem Gebrauch duftender Cremes und Wässerchen verführt werden sollen.

Mit über 20 Werbemillionen jährlich versuchen die geheimen Verführer der Branche, 17- bis 70jährigen Verbrauchern zu suggerieren, reichlicher Konsum von Haar- und Hautkosmetika könne sie zu begehrten Frauenhelden machen. So dekorierte die Kölnisch-Wasser-Fabrik »Farina« die markanten Anzeigenheiden ihres Herrensortiments »Russisch Leder« stets mit einer appetitlichen Blondine. Und die Berliner Firma Lohse läßt in »Mister L«-Inseraten einen gelangweilten Beau mit leichtgeschürzten Damen posieren.

Am weitesten treibt es zur Zeit die Firma Mennen. Unter der Überschrift »Die Wilden kommen« zeigt sie in Buntanzeigen ein Pärchen in knappen Dessous vor knisterndem Kaminfeuer. Bildkommentar: »Neue Duftlust für Männer, die Wildes wagen ...«

Die sex-knisternden Parolen hatten bei westdeutschen Herren freilich wenig Erfolg. Im Gegensatz zu amerikanischen Männern blieben die Deutschen rechte Kosmetik-Muff ei, Vielmehr als gelegentlich etwas Rasierwasser gestattet sich der westdeutsche Durchschnittsmann auch heute noch nicht. Mutmaßte der Werbepsychologe Dr. Ernest Dichter: »Wahrscheinlich haben sie Angst davor, als homosexuell, also feminin, zu gelten.«

Daß die Branche mit 95 Herrenkosmetik-Marken (50 Prozent werden importiert) in der Bundesrepublik dennoch jährlich rund eine Viertel Milliarde Mark umsetzt, verdankt sie in erster Linie der deutschen Frau: Rund drei Viertel aller kosmetischen Herrenartikel werden von Frauen gekauft. Besonders zur Weihnachtszeit verwöhnen sie Deutschlands Herren gern mit parfümierten Kosmetik-Angebinden. Allein 70 Prozent aller maskulinen Duftpräparate werden im November und Dezember abgesetzt.

Den guten Duft ihrer Partner lassen sich Hausfrauen und Bräute etwas kosten. Für 120 Kubikzentimeter After- und Pre-Shave-Lotion zahlen sie zwischen fünf bis acht Mark. Weniger wohlfeil sind die französischen Produkte der Firma Lauder. Das 120-Kubikzentimeter-Fläschchen Rasierwasser der Marke »Aramis« zum Beispiel kostet 20 Mark, die gleiche Menge Kölnisch Wasser gar 35 Mark.

Freilich teilen Westdeutschlands Damen ihren Männern Duftprodukte nicht verschwenderisch zu. Marktforscher fanden kürzlich heraus, die typisch deutsche Frau möchte ihren Gatten zwar attraktiver machen, aber auch alles vermeiden, was ihn bei anderen Frauen zu sexy wirken läßt.

Als Branchenbeobachter 1966 entdeckten, daß 80 Prozent aller Frauen gepflegtere Männer verlangten, kamen Hattric-Manager auf die Idee, ihre Marke überwiegend weiblichen Käufern anzudienen. Werbestrategen der Düsseldorfer Agentur Troost schneiderten deshalb eine Konzeption, in deren Mittelpunkt der Slogan stand: »Männer mögen Hattric, schenken Sie"s ihm, bevor es eine andere tut,«

Prompt begann die bis dahin wenig bekannte Duftware zu florieren. Ende 1968 hatte Hattric einen Bekanntheitsgrad von 62 Prozent erreicht und konnte sich unter den Herrenkosmetika den dritten Platz erobern. Troost-Kontakter Christian Lipke: »Diese Masche hat hingehauen.«

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