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PERSONALIEN Willy Brandt, Hans-Jochen Vogel, Franz Meyers, Minh Chau, Josef Smrkovský, Haue Selassie, Harold Wilson, Molly Shipley

aus DER SPIEGEL 43/1969

Willy Brandt, 55, Regierungsbilder, wurde von SPD-Wähler Ludwig Enders aus Bemerode (bei Hannover) vor der Ernennung des Berliner Anwalts und SPD-MdB Martin Hirsch zum Justizminister gewarnt. Enders in einem Brief an Brandt: »Ich bin der Meinung, daß MdB Hirsch in Vorbeugehaft zu nehmen ist, da er durch sein Verhalten in dieser Sache der Partei keinen guten Dienst erwiesen hat und so als Justizminister nicht in Frage kommt.« Brandt bedankte sich und versprach: »Ihre Anregungen und kritischen Anmerkungen werden wir, soweit dies möglich ist, berücksichtigen.«

Hans-Jochen Vogel, 43, Münchens OB, half preußischen Genossen im Wahlkampf. Der Bürgermeister reiste zu einem Kongreß nach Oberhausen, mit dem die nordrhein-westfälische SPD den Kommunal-Wahlkampf eröffnete, und erklärte seinen Parteifreunden, ein Bayer reise nur aus besonderem Anlaß über die Mainlinie. Wahlhilfe sei ein solcher Anlaß, und so sei ja auch vor der Bundestagswahl ein anderer bayrischer Vogel nach Nordrhein-Westfalen gekommen um für die CDU Stimmen zu fangen, allerdings mit sehr negativem Erfolg. Doch Vogel ermutigte seine Gastgeber: »Zwar ist jeder Strauß ein Vogel, doch längst nicht jeder Vogel ein Strauß.«

Franz Meyers, 61, kommissarischer OB von Bonn, entschuldigte sich Montag vergangener Woche bei einer Delegation der Bonner Partnerstadt Oxford für seine Sprach-Schnitzer: »Mit der englischen Sprache geht es mir wie mit meiner Frau: Ich liebe sie, aber kann sie nicht kontrollieren.

Minh Chau, Hanois bedeutendster Regierungs-Bildhauer, arbeitet an den ersten Götzenbildern für einen neuen Personen-Kult: In seiner Werkstatt entsteht ein übermannsgroßer Ho-Tschi-minh-Kopf. Seit dem Tod des Partei- und Staatschefs werden Gedenk-Altäre mit Ho-Photos in Privathäusern, Fabriken, öffentlichen Gebäuden, Kirchen und Pagoden verehrt und nach konfuzianischem Brauch stets mit frischen Früchten, Blumen, Kerzen, Weihrauchstäbchen und bandgeschriebenen Botschaften an den Toten geschmückt. Zur öffentlichen Verehrung soll Minh Chaus Riesenkopf auf einem Hanoier Platz aufgestellt werden. Stolz berichtet der Bildhauer: »Ich begann die Arbeit an dieser Büste siebzehn Minuten nach dem Tod von Ho Tschi-minh.«

Josef Smrkovský, 58, tschechischer Reformer, wehrte sich vor dem Verlust seines letzten Amtes. Während der Sitzung des »Klubs der kommunistischen Abgeordneten«, in der Alexander Dubcek als Präsident der Bundesversammlung und Smrkovský als Vorsitzender der Volkskammer zum Rücktritt gezwungen wurden, kritisierte Josef Kempný, linientreuer Premier der Teilrepublik Tschechei, den Genossen Smrkovský: »Du warst schon längst ein Feind der Partei. Du hast versucht, die Kandidatur des Genossen Svoboda zu unterminieren, weil du selbst Präsident werden wolltest.« Smrkovský erwiderte wütend: »Das kannst du nicht beweisen, weil es eine gemeine Lüge ist.« Marie Miková, stellvertretende Volkskammer-Vorsitzende, sprang ihrem Chef bei: »Du solltest überhaupt schweigen, Genosse Kempný. Erinnere dich: Du warst doch der erste, der hier die Frage der Neutralität angedeutet hat.« Auch Marie Miková verlor in dieser Sitzung ihr Parlaments-Amt.

Haue Selassie, 77, Kaiser von Äthiopien, weigert sich seit fünf Jahren, bei dem Pariser Verlag Plon einen Restbetrag von 62 692 Franc (44 511,32 Mark) für fünftausend ledergebundene Luxusbücher zu begleichen. Die Sonderdrucke »Der Held von Adona« und »Das goldene Buch der salomonischen Dynastie von Äthiopien« hatte der »Löwe von Juda« 1963 für Repräsentationszwecke bestellt. Herstellungskosten: 90 000 Franc (63 900 Mark). Nach einer ersten Überweisung von 27 308 Franc (19 388,68 Mark) stellte der kaiserliche Hof trotz wiederholter Mahnungen seine Zahlungen ein. Wie die französische Botschaft in Addis Abeba ermittelte, hatte der Negus aus seiner Privatschatulle 36 000 Dollar (144 000 Mark) angewiesen. Das für die Transaktion federführende Informationsministerium will jedoch von der Angelegenheit nichts wissen, und die Pariser Botschaft des Herrschers versucht, Abgesandte von Plon mit Trostgeschenken abzuspeisen. Einmal offerierte ihnen Kulturattaché Pierre Petrides ein paar Büffelhörner, ein anderes Mal eine Tigerkralle auf einem Silbersockel. Bei der letzten Demarche versprach der Diplomat, der Negus werde den früheren Plon-Präsidenten Thierry de Clermont-Tonnerre ehrenhalber zum Kommandeur des »Weißen Elefanten-Ordens« ernennen. Der derzeitige Plon-Präsident Sven Nielsen zeigt sich jedoch unzugänglich und droht mit einem Prozeß: »Es mag peinlich sein, einen kaiserlichen Minister zu verklagen. Wir können jedoch unmöglich auf eine Forderung von dieser Höhe verzichten.«

Harold Wilson, 53, Briten-Premier, wurde Opfer eines Täuschungsmanövers. Als der Regierungschef und Ehrenvorsitzende der Wurfpfeilspiel-Damenliga »Kirkby Ladies, Darts League« im Wilson-Wahlkreis in Lancashire die beiden besten Mannschaften mit je einem »Harold-Wilson-Cup« auszeichnen wollte, war einer der Silberpokale verschwunden. Liga-Sekretärin Frances Kneale konnte jedoch mit einem Trick die Pokal-Panne beheben: Nachdem der Premier dem Kapitän der Cup-Siegermannschaft »Quarry Green Ladies«, Elsie McKinnel, 50 (linkes Bild), den Silber-Becher überreicht hatte, entwand Frances Kneale der soeben Geehrten den Pokal wieder und drückte ihn dem Ehrenvorsitzenden erneut in die Hand. Wilson konnte nun auch den Kapitän des Liga-Meisters »Park Brow Ladies«, Molly Shipley, 50 (rechtes Bild), auszeichnen. Liga-Sekretärin Frances Kneale nach dem gelungenen Täuschungsmanöver: »Ich weiß nicht, ob er den Trick bemerkt hat. Auf jeden Fall hat er sich nichts anmerken lassen.«

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