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PERSONALIEN Willy Brandt, Karl Schiller, Ludwig Eckes, Adrien Cayla-Legrand, Matthias Walden, Hubert Humphrey

aus DER SPIEGEL 37/1972

Willy Brandt, 58, Bayern-Besucher, gibt sich bei den heiteren Spielen vorwiegend heiter. Als der geübte Witz-Erzähler vergangene Woche in seiner Olympia-Villa Waldberta vom Maler Max Ernst besucht wurde, lüftete er »die Geheimnisse der bayerisch-preußischen Beziehungen« (Münchens »Abendzeitung"). Brandt: »Da hat kürzlich ein Japaner auf dem Viktualienmarkt eingekauft, da einen Pfirsich angefaßt und dort einen Rettich und am Schluß doch nichts mitgenommen. Die Marktfrau hat ihm grantig hinterhergemault: Saupreiß. japanischer.«

Karl Schiller, 61, Sozialdemokrat auf Reisen, wollte »mal so richtig ausspannen, sich vergnügen und soviel wie möglich sehen«. Auf Einladung des südafrikanischen Tabak-Magnaten Anthony Rupert (unter anderem: »Rothmans«, »Martin Brinkmann") landete der Professor nebst Gattin Etta vorletzten Dienstag in Johannesburg. Zwischen Spähen und Entspannen im Krüger-Nationalpark und Wildschutzgebieten Lesothos gedachte Gastgeber Rupert die Meinung des »intelligenten Mannes« über eine seiner Firmenneugründungen einzuholen, der Luxemburger Entwicklungsbank Edesa, deren Vorstand noch nicht benannt ist. Ein Rupert-Vertrauter: »Der Boß zeigt Schiller, wie man auf kapitale Büffel Pirsch macht.« Der SPD-Volkswirt scheint sich bereits auf die neue Rolle einzustellen: Als auf einer Party in Pretoria die Gastgeber beim Afrikaans-Schnellunterricht vergebens versuchten, seiner Frau den Unterschied zwischen »verligten« (liberalen) und »verkrampten« (konservativen) Südafrikanern klarzumachen, griff der Ex-Minister schließlich selbst ein: »Du mußt dir einfach vorstellen, ich sei verkrampt und du verligt.«

Ludwig Eckes, 59, Weinbrenner ("Chantré«, »Mariacron"), geht es »um die Erhaltung unseres Systems.« Per Bitt-Brief wandte sich der in Nieder-Olm nahe Mainz residierende Fabrikant, der Mitte 1971 eine Steuernachzahlung an die Gemeinde »von der allerschnellsten Genehmigung« eines Bauantrags »abhängig« machte, an Kollegen: Weil »es für den Unternehmer derzeitig keine Alternative« zur CDU/CSU gebe, müsse er »für den bevorstehenden Wahlkampf ... ein großes finanzielles Opfer bringen«. Denn, so »Hohes C«-Abfüller Eckes, »es ist besser, wir zahlen jetzt freiwillig ... sofort einen namhaften Betrag zur Erhaltung unserer Existenz, als unfreiwillig enteignet und geistig verbannt zu werden«. Das rheinland-pfälzische FDP-MdB Kurt Jung über die Eckes-Attacke: »Terror kann auch verbal verübt werden.«

Adrien Cayla-Legrand, 52, französischer Darsteller, glaubt in der größten Rolle seines Lebens zu sein. Der ehemalige Varieté-Künstler spielt gegenwärtig in den Studios von Boulogne einen Part im Bestseller-Thriller »Der Schakal«, in dem der britische Journalist Frederick Forsyth von einem fiktiven zehnten (von neun gescheiterten) Attentatsversuchen auf den damaligen Präsidenten Charles de Gaulle berichtet. Für seinen Auftritt mußte De-Gaulle-Verehrer Cayla-Legrand, der um zwei Zentimeter kleiner als sein 1,95-Meter-Idol ist. sich zahlreiche Korrekturen des Maskenbildners gefallen lassen: So wurde unter anderem sein Gesicht gebleicht, die Nase mit Plastik gehoben und der Kiefer verstärkt -- die Ähnlichkeit war schließlich so verblüffend (Photo). daß er heute im Studio nur noch »Monsieur Charles« gerufen wird. Den Schauspieler erfüllt dieses mit Stolz: »Endlich habe ich die Ehre, der berühmte Mann, den die ganze Welt immer noch bewundert. zu sein.«

Matthias Walden, 45, Chefkommentator im »Sender Freies Berlin« (SFB). soll nicht mehr uneingeschränkt wirken dürfen. Vergangene Woche empfahl der Programmausschuß des SFB-Rundfunkrates dem Hause, auf die Mitarbeit des konservativen Kolumnisten (in Springers »Welt") bei der SFB-Fernsehreihe »Einige Tage im Leben« künftig zu verzichten. Nach Meinung der Mehrheit des Rates war der TV-Film über den Herrenreiter Josef Neckermann am 3. August zu unkritisch. Walden, der bereits Tage im Leben von Machtmenschen wie Kurt Georg Kiesinger, Franz Josef Strauß, Helmut Schmidt und Rudolf August Oetker nachgezeichnet hat, legte gegen den Beschluß Protest ein, denn: »Ich bin vorher nicht gehört worden.«

Hubert Humphrey, 61, US-Senator, stellt »Washington auf Humphreys Art« vor. Auf Bitten des örtlichen Fremdenverkehrsbüros plaudert der einstige Vize-Präsident, der jüngst bei der Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur gegen den Außenseiter George McGovern unterlag, im Gäste-Blatt »Sojourn« (Auflage: über 300 000) der Howard-Johnson-Gruppe über die »sehr große und wachsende Stadt«. »Höhepunkt«, so Fremdenführer Humphrey, sei das Weiße Haus, das »von der Kontinuität der amerikanischen Demokratie und der Macht und Verantwortung der Präsidentschaft« zeuge. Humphrey: »Es ist wahr: Sie kommen nach Washington und sehen die Welt.«

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