»WIR ARGLOSEN DEUTSCHEN«

Professor Dr. Gustav Roethe am 3. September 1914:

Doch jenes »Wrong or right, my

country«, das ist ja Banditenmoral, aber es ist doch wenigstens ein ehrliches Wort. Viel scheußlicher und für den Germanen unerträglicher ist der englische cant, die abgrundtiefe Heuchelei, mit der sich Albions Söhne - ich will es zu ihrer Entschuldigung annehmen - vielleicht allmählich selbst betrügen: das nationale Laster, das sich uns jetzt in der Gestalt von Sir Edward Grey in klassischer Vollendung verkörpert. Wir haben es ja erlebt, wie man uns in England noch jüngst Friedensliebe und Sympathie für Deutschland vorgespielt hat. Wir arglosen Deutschen, namentlich auch die deutschen Gelehrten, sind wieder einmal gläubig auf die Komödie hineingefallen, an der sich Englands Gebildete skrupellos mitbeteiligt haben.

Es war stets das Unglück der Germanen, daß sie sich zerfleischten.

Aber fast fragen wir uns: Sind denn das überhaupt noch Germanen, die Leute jenseits des Kanals? Sie leugnen es zuweilen selbst, dies »Römervolk der Neuzeit«, wie man sie genannt hat. Vom Adel germanischer Art verrät ihre Politik keine Spur.

Was diesen Feind gegen die Stammesgenossen treibt, das wissen wir: Es ist der Neid des hochmütigen, alternden Weltreichs auf jugendfrisch vorwärtsstrebende Kraft. Neid ist germanischer Art im Wesen fremd. Doch eine Ausnahme mache ich zur Stunde. Wir Alten, die wir hinter dem Ofen hocken müssen, blicken neidisch auf die Jungen, die draußen im Feindesland ihre frische Lebenskraft für das Vaterland einsetzen dürfen. Von diesem Neid wenigstens dürfen wir England ganz freisprechen: Seine beste Jugend bleibt hübsch zu Hause und erkämpft lieber Fußballsiege; ihr Blut vergießen mögen die bezahlten Mietlinge.