»Wir sind auf dem Weg ins Weiße Haus«
Im Jahre 1974 startete Frank eine ausgedehnte Konzertreise durch zehn Großstädte, seine erste nach sechs Jahren, und zwar zugunsten der Variety Clubs International. Jede Vorstellung war Wochen im voraus ausverkauft; er zog in einem Triumphmarsch quer durch das Land, ein gebanntes Publikum im Schlepptau. Kritik kam nur auf, wenn er zu singen aufhörte und zu reden begann. Er nahm die Presse aufs Korn, kritisierte Edwin Newman vom NBC-TV, verspottete Eric Sevareid vom CBS-TV und machte sich über Barbara Walters lustig, indem er sie »die häßlichste Nutte, die im Fernsehen zu sehen ist«, nannte.
Der Erfolg seiner US-Tournee zog eine Fünf-Länder-Gastspielserie durch Europa nach sich, die erste seit 1962. Doch seinen Auftritt in Westdeutschland sagte Frank ab, wegen der - wie er es nannte - »unflätigen Attacken« der dortigen Presse gegen ihn, und flog dann nach London, wo er von den britischen Bühnen herunter über die Deutschen herzog.
»Was wollen diese Deutschen überhaupt? Ich habe ihnen nichts getan«, sagte er. »Ich hätte den Reportern antworten und sagen können, sie sollten auf die Sünden ihrer Väter schauen. Ich hätte Dachau erwähnen können, das Konzentrationslager. Ich verstehe die deutsche Presse nicht. Sie nennen mich einen Super-Gangster. Was ist das? Al Capone? Er war keiner. Es ist lächerlich. Wer zum Teufel braucht sie im übrigen schon?«
Das britische Publikum sprang von den Sitzplätzen, um ihm zuzujubeln, und die britische Presse schrieb überschwengliche Kritiken, aber Prinz Charles, der zukünftige König von England, der Frank zweimal begegnet war, sagte, er wäre erschüttert gewesen über die »Mißgeburten« und »Mafiatypen«, mit denen Frank sich umgeben würde.
»Er ist ein ziemlich seltsamer Mensch«, sagte der Prinz. »Eben noch konnte er schrecklich nett sein und dann, im nächsten Augenblick, gar nicht mehr so nett.«
Die Tournee führte Sinatra anschießend nach Australien, wo sie mit einem internationalen Zwischenfall endete, als Frank die Presse des Landes beleidigte. Er war an den Reportern in Melbourne vorbeigestürzt und hatte sie angefaucht, als sie auf ihn gewartet hatten, um ihn vor seiner Probe in der Festival Hall zu interviewen. Einem Journalisten war es früh am Morgen gelungen, ihn telephonisch zu erreichen und ihn zu fragen, was er zum Frühstück gegessen hätte. Frank hatte den Hörer auf die Gabel geknallt, ohne zu antworten.
»Dieser Idiot«, sagte Frank. »Was zum Teufel kümmert es ihn, was ich zum Frühstück gegessen habe? Ich war im Begriff ihm zu erzählen, was ich nach dem Frühstück getan habe.«
Er lehnte es ab, sich nach der Probe interviewen zu lassen, und als er in sein Hotel zurückkehrte und dort noch weitere Kameramänner vorfand, die auf ihn
warteten, explodierte er - ein Signal für seine Leibwächter, in Aktion zu treten.
Nach Aussage eines Kameramanns wickelte einer von Franks Leibwächtern ihm ein elektrisches Kabel um den Hals und warnte ihn: »Jetzt geht''s dir an den Kragen, Mann.«
Die Reporterin Hilary Sexton ging mit Kratzern im Gesicht aus dem Kampf hervor.
Während seiner »Teepause« saß Frank auf einem Stuhl, redete mit dem Publikum und tadelte die australischen Reporter.
»Sie sind Herumtreiber und Parasiten, die nie eine ehrliche Arbeit verrichtet haben«, sagte er von ihnen. »Die meisten sind ohnehin ein Haufen von Homos. Und die Frauen bezeichnete er als »Nutten und Anderthalb-Dollar-Huren«.
»Ladies und Gentlemen, ich bin heute abend ein bißchen müde. Ich mußte den ganzen Tag wegen der Parasiten, die uns gejagt haben, laufen. Sie wollten nicht aufgeben. Sie wundern sich, warum ich nicht mit ihnen reden will. Ich würde nicht mal ein Glas Wasser mit ihnen trinken, geschweige denn mit ihnen reden. Es sind die Skandalgeier, die einen verrückt machen und zum Wahnsinn treiben, und die Huren - die Nutten der Presse sind die Huren. Ich hoffe, ich brauche Ihnen das Wort Hure nicht zu erklären«, sagte er. »Doch ich nehm''s nicht so genau, ich würde ihnen 1,50 Dollar geben. Wir, die wir mit einem begnadeten Talent ausgestattet sind, sagen: Zur Hölle mit ihnen.
Am nächsten Tag war das ganze Land in Aufruhr. »Was zum Teufel glaubt denn dieser Mann Sinatra, wer er ist?« fragte Neville Wran, Führer der Labor Party in New South Wales.
Jim North vom australischen Journalistenverband sagte: »Ich werde mich an die 114 angeschlossenen Verbände wenden und sie bitten, Sinatra zu ächten, es sei denn, er entschuldigt sich, daß er unsere Journalistinnen als Huren bezeichnet hat.«
Die Gewerkschaft der Bühnenarbeiter weigerte sich, für ihn zu arbeiten, und so wurde Franks australische 650000-Dollar-Konzerttournee abgebrochen.
Und auch die Gewerkschaft der Kellner weigerte sich, ihn zu bedienen, der Zimmerservice in seinem Hotel wurde gestrichen.
Die Arbeiter der Transportarbeitergewerkschaft waren ebenfalls nicht bereit, seinen Gulfstream-Jet aufzutanken, und verhinderten damit seinen Abflug so lange, bis er erklärte, es täte ihm leid.
Franks Anwalt Rudin verhandelte während der nächsten drei Stunden mit dem Vorsitzenden der Arbeiterpartei Robert Hawke über ein öffentliches Statement, das sowohl die Australier zufriedenstellen als auch Franks Stolz schützen würde. Er sagte, daß der Sänger »akzeptiert, daß aktive Mitglieder der australischen Medien nicht ihre berufliche Pflicht tun würden, wenn sie nicht jegliche Anstrengung unternähmen, um die Öffentlichkeit über den Besuch einer internationalen Berühmtheit zu informieren«. Der Vorsitzende anerkannte »die einzigartige internationale Größe von Sinatra und seinen verständlichen Wunsch, deshalb davor bewahrt zu bleiben, den Medien hemmungslos preisgegeben zu sein«. Das Endergebnis war eine gemeinsame Erklärung, die, ohne die ausdrückliche Wiedergabe einer Entschuldigung, zum Ausdruck brachte, daß Frank »nicht beabsichtigt hätte, irgendwelche verallgemeinernden abfälligen Bemerkungen über die moralischen Eigenschaften der Mitglieder der australischen Medien zu machen«. US-Redakteure spendeten den Australiern Beifall dafür, Frank auf die Knie gezwungen zu haben.
Zurück in den Vereinigten Staaten, mokierte sich Frank bei einem Engagement in einem Nachtklub am Lake Tahoe, seinem ersten seit den Cal-Neva-Tagen mit Sam Giancana, indem er den Prostituierten in der ganzen Welt eine Entschuldigung anbot, weil er sie mit den Journalistinnen in denselben Topf geworfen hatte: »Ich möchte mich bei allen Huren, den Madonnen des Abends, entschuldigen, weil ich sie mit den Journalistinnen verglichen habe«, sagte er. »Journalistinnen verkaufen ihre Seelen. Wer will schon ihren Körper?«
»Wenn ich so viele Liebesaffären hätte, wie Sie mir zutrauen, würde ich jetzt aus einem Einmachglas in der Harvard Medical School als ein medizinisches Wunder zu Ihnen sprechen«, sagte Frank in einer Rede an Hollywoods Presseagenten. Aber noch immer bat dieser Mann, der vom »Playboy« als »ein wahres Sexidol, mit dem Stempel seiner Epoche versehen«, beschrieben wird, mit seinem Gesang flehentlich um »eine letzte Liebkosung«, bevor »es Zeit ist, sich für den Herbst anzuziehen«, und Frauen spendeten ihm reichlich Beifall.
Damals hatte Frank angefangen, sich mit Barbara Marx zu treffen, die noch mit ihrem zweiten Ehemann Zeppo, dem jüngsten der Marx-Brüder, verheiratet war. Sie und Zeppo wohnten nicht weit von Sinatra entfernt am Tamarisk-Golfplatz in Palm Springs. Barbara, eine ausgezeichnete Tennisspielerin, war häufig als Spiro Agnews Mixed-Partnerin in Franks Haus eingeladen gewesen.
»So hat die Beziehung begonnen«, erinnert sich Agnews Berater Peter Malatesta. »Zuerst kam sie nur einfach zum Tennisspielen herüber, aber nach einer Weile war sie immer da.« Am 11. Juli 1976 heirateten sie.
Frank hielt an seinen Beziehungen zu Ronald Reagan fest und zog für ihn 1980
beim Kampf um das Präsidentenamt ins Feld. Sein erster größerer Auftritt für Reagan fand im Nordosten statt, und in Boston konnte er mehr als 250000 Dollar einnehmen.
»Warum ich Gouverneur Reagan unterstütze? Weil ich denke, daß er der geeignete Mann ist, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden«, sagte Frank. »Sie stecken jetzt so in der Klemme, wir brauchen jemanden, der die Fäden wieder entwirrt.«
Er erschien auf einer Gala zu Ehren Reagans in Los Angeles und auf einer in New Jersey mit Raymond Donovan und sagte: »Ich bringe Ihnen Grüße von unserem Präsidenten - der Märchentante der Nation. Und dann fiel er über Präsident Jimmy Carter her. »Wie Reagan war auch er ein Filmstar, nur trat er unter dem Namen Mickey Mouse auf. Er möchte wiedergewählt werden. Wir sollten ihn aufknüpfen.«
Ronald Reagan bekundete schon in den Tagen seiner Wahl dem Sänger gegenüber seine Dankbarkeit, indem er ihm den Vorsitz bei seinem Amtseinführungs-Galaabend erteilte.
»Es ist ein großer, aufregender Augenblick«, sagte Frank. »Jemand, den man liebt, hat den großen Sprung geschafft. Man sagt nicht mehr: ''Hallo Ron!'' Man sagt: ''Hallo, Mr. President!'' Ich verspreche, ich will versuchen, diesen Abend zur größten Gala in der Geschichte zu machen - zu einer Nacht, an die sich Amerika und die Welt erinnern werden.«
Das ihm zugeteilte Amt zog eine weltweite Berichterstattung nach sich und ließ Gerüchte entstehen, daß Reagan Sinatra zum US-Botschafter in Italien ernennen könnte - was wiederum ätzende Kommentare in italienischen Zeitungen zur Folge hatte. Typisch war der in »La Stampa«, der angesehenen Turiner Tageszeitung: »Sinatra ist jederzeit für ein Gastspiel als Sänger oder für die Dreharbeiten eines Filmes willkommen. Aber in keiner anderen Eigenschaft. Wenn die amerikanische Regierung in Italien das Land der Mandolinen und der Cosa Nostra sieht, nur dann würde Sinatra die passende Wahl sein.«
Begeisterte Republikaner fielen in Washington ein, um die größte und teuerste Inaugural-Zeremonie der Geschichte zu inszenieren. Frank, der für das Inaugural-Komitee Reagans 5,5 Millionen Dollar aufbringen wollte, leitete und inszenierte im Capital Centre für 20000 Menschen eine Drei-Stunden-Show, die auch für das Fernsehen eingerichtet wurde. Bevor die Show begann, lenkte er in seinem 2500-Dollar-Smoking die Aufmerksamkeit auf sich, während er den Vizepräsidenten und seine Frau zu ihren Sitzplätzen eskortierte und dann die Reagans begrüßte, denen er nur wenige Schritte von der Bühne entfernt thronähnliche Stühle zugewiesen hatte.
Er sang eine lyrische Neuauflage von »Nancy with the Laughing Face«, das umbenannt war in »Nancy with the Reagan Face«. Sich an die Frau des Präsidenten wendend, sagte er: »Dies ist etwas ganz Spezielles für unsere neue First Lady. Ich hoffe, es gefällt Ihnen, Nancy.« Er reckte den Hals, um den Liedtext von einer Karte, die er in der Hand hielt, abzulesen, und betörte sie mit seinem Gesang: »Ich bin so stolz, daß Sie die First Lady sind, Nancy, und so froh, so etwas wie ein Kumpel zu sein. Die nächsten acht Jahre werden phantastisch, der Inbegriff des Phantastischen sein.«
Nancy weinte.
Und das taten auch die Kritiker. Mit Ausnahme von Clive Barnes, der in der »New York Post« die Sinatra-Gala als fröhliches, grandioses Ereignis beschrieb, waren die meisten von dem, was sie zu sehen bekamen, angewidert. »Es glich einem Zwischending zwischen Dial-A-Joke _(Ehepaar Reagan, Ex-Botschafter ) _(Annenberg. )
und Hee Haw« _("Dial-A-Joke": Telephon-Ansagedienst ) _(mit Witzen; »Hee Haw": alberne Lach-Show ) _(im US-Fernsehen. )
, sagte Rex Reed in den »New York Daily News«, »Ich finde, Amerika ist das größte Land der Welt, und um das zu beweisen, hätten die größten Talente unseres Landes dort zur Stelle sein müssen. Statt dessen wurde uns eine Parade von Dummköpfen, Clowns und untalentierten mittelmäßigen Menschen vorgeführt, so daß man sich schon geradezu auf die Büstenhalter- und Toilettenreiniger-Werbung freute. Sieht man von Grace Bumbry von der Met ab, so hatte die Show niemandem, der mit Intelligenz oder einem Gefühl für Qualität ausgestattet ist, etwas zu bieten.«
»Für eine Verherrlichung und einen Querschnitt schlechten amerikanischen Geschmacks war sie nicht umfassend genug, aber nicht etwa deswegen, weil man den Versuch gescheut hätte«, schrieb Tom Shales in »The Washington Post« und bezeichnete die Gala als »eine schäbige Kombination aus einer Hollywood-Preisverleihung, einem Talentwettbewerb des Kiwanis Klub und einer Marathonsendung, die weniger mit Größen als mit Pseudogrößen ausgestattet war, dominiert von völlig mittelmäßigen Geistern.«
Auch Nancy Reagan hatte sich zu Beginn der Amtsperiode ihres Mannes durch die gründlichen Nachforschungen der Journalisten verfolgt, mißverstanden und bedroht gefühlt. Frank hatte seinerseits die Präsidentengattin sehr in Schutz genommen, als die Presse ihr Augenmerk auf Nancys umfangreiche Garderobe richtete, die Modellkleider der Haute Couture, die sie kostenlos bekommen hatte und von Gesetzes wegen hätte zurückgeben müssen, auf das Diamantkollier und die Ohrringe, die 250000 Dollar wert waren und die sie für die Amtseinsetzung von Harry Winston ausgeliehen und dann sechs Monate behalten hatte, auf die 209508 Dollar, die sie für die 220 fürs Weiße Haus neu erworbenen Porzellangedecke ausgegeben hatte, und auf die 822641 Dollar von privaten Spendern, mit denen sie das Weiße Haus renovierte.
»Sie ist so mies kritisiert worden«, sagte Frank. »Das mit dem Porzellan war eine ganz schreckliche Verdrehung der Tatsachen. Das Porzellan war ein Geschenk von Bürgern. Sie hat es nicht von unseren Steuergeldern gekauft. Es wurde dem Weißen Haus gestiftet. Und was ist verkehrt daran, hübsches Porzellan im Weißen Haus zu haben? Was ist verkehrt daran, ein Weißes Haus zu haben, das das schönste offizielle Bauwerk auf der Welt ist? Gar nichts ist verkehrt daran.«
Nancy benahm sich in Franks Gegenwart wie ein Schulmädchen. Zwischen ihr und dem Sänger, dessen Deckname beim Secret Service »Napoleon« war, entwickelte sich eine ganz besondere Beziehung. Frank flog mehrere Male nach Washington, um mit ihr ganz privat im Solarium des Weißen Hauses den Lunch einzunehmen und stundenlang mit ihr zu plaudern. Wenn er nach Washington reiste, um Nancy zu besuchen, war Frank stets ohne Begleitung seiner Frau, die zu Mrs. Reagan keine so enge Beziehung hatte. Barbara schien sich über das Herumscharwenzeln ihres Mannes mit der Dame im Weißen Haus zu ärgern. Und auch Nancy Reagan hatte für Barbara nicht viel übrig.
Das Personal des Weißen Hauses führte ihn diskret in die Privatgemächer der Familie, so daß er niemals von der Presse bemerkt wurde. »Wir wußten immer sehr wohl, daß wir diese Lunches niemals stören durften«, sagte einer von Mrs. Regans Personal. »Wenn sie mit Sinatra zusammen war, wollte sie nicht belästigt werden. Durch nichts.« Nach seinen privaten Lunches mit der Frau des Präsidenten flog Frank wieder nach Palm Springs zurück.
Sobald Frank von dem Attentatsversuch auf den Präsidenten hörte, eilte er nach Washington, um an Nancy Reagans Seite zu sein. Er saß neben ihr auf dem Truman-Balkon und schaute gemeinsam mit ihr das Feuerwerk zur Feier des 4. Juli an. Er tanzte auf der von Walter Annenberg, dem ehemaligen US-Botschafter in London, veranstalteten Silvesterparty fast die ganze Nacht hindurch mit ihr, was seine Frau so wütend machte, daß sie davonstürmte und sich weigerte, im nächsten Jahr wieder hinzugehen.
Frank bot Nancy an, ihr die bulgarischen Juwelen zu kaufen, die sie sich für die Hochzeit von Prinz Charles ausgeliehen hatte. Er steuerte 10000 Dollar zu dem Renovierungsprojekt für das Weiße Haus bei.
Nancy, die geblendet war von ihm, verließ sich bei allen Empfängen, die im Weißen Haus stattfanden, auf ihn und machte ihn zum inoffiziellen König der Aufführungen bei den Staatsbanketten. Der Organisationsstab im Weißen Haus lernte sehr bald, auf seine Anweisungen zu achten. Er verbesserte die Beleuchtung im East Room durch Farbfilter und schlug eine neue Tonanlage vor, die vom Weißen Haus angeschafft und nach seinen Vorschriften eingebaut wurde.
Zu Spannungen zwischen Frank und der Präsidentengattin kam es nur während des zehntägigen Amerikabesuchs der englischen Königin im März 1983. Für Nancy war dies ein wichtiges Ereignis, sie wollte der Königin mit der gleichen fürstlichen Gastfreundschaft begegnen, wie sie und der Präsident sie in Windsor Castle genossen hatten. Die Gestaltung des Dinners in den Twentieth Century Fox Studios, wo sie die britische Monarchin willkommen heißen wollte, _(In dem Film »Der Mann mit dem goldenen ) _(Arm«. )
überließ sie Frank, in der Hoffnung, daß er eine spektakuläre Gala inszenieren würde.
Unglücklicherweise war Frank bei diesem Anlaß nicht in bester Form. Er hatte erfahren, daß die Königin für den nächsten Abend zu Ehren der Reagans ein Dinner an Bord ihrer Jacht plante, der »H.M.S. Britannia«, zu dem er nicht eingeladen worden war. Zornig ließ er seine Frau Barbara im Weißen Haus anrufen und Mike Deaver über die Mißachtung seitens der Königin berichten. Der Ratgeber des Präsidenten erklärte jedoch, er könnte nur wenig für die Sinatras tun, weil die Gästeliste Sache der Königin sei und das Weiße Haus nichts damit zu tun habe. Auf Barbaras Drängen hin rief Deaver schließlich widerstrebend im Buckingham Palace an.
»Wir haben hier ein sehr schwieriges Problem«, sagte Deaver, »und ich hoffe, Sie halten uns nicht für anmaßend, aber wenn es Ihnen möglich wäre, Mr. Sinatra auf der Jacht zu empfangen, wären wir höchst dankbar dafür.«
Der Palace gab höflich zu verstehen, man würde sich die Sache durch den Kopf gehen lassen, lehnte dann jedoch ab, Frank eine Einladung zu schicken. Mehr als eine Woche verging, in der Frank ungeduldig wartete. Schließlich drohte er, von seinem Posten als Veranstalter von Nancys Dinner für die Königin zurückzutreten, wenn er nicht auf die königliche Jacht eingeladen würde. Rasch appellierte man an Ex-Botschafter Walter Annenberg, sich für Frank zu verwenden. Erst da willigte die Königin ein, die Sinatras in ihre Gesellschaft an Bord aufzunehmen.
Sinatra hatte gehofft, als Arrangeur der königlichen Willkommensparty Nancy Reagans die Hollywood-Aristokratie zu beeindrucken, aber der gesellschaftliche Druck eines Abends, der vom Weißen Haus und dem Buckingham Palace beherrscht wurde, schien zu viel für ihn zu sein. Nervös stammelte er seine Verse herunter und vergaß sogar Passagen der Texte seiner Songs. Und dann beging er noch einen Fauxpas, indem er versäumte, die Königin von der Bühne herunter willkommen zu heißen, und verschlimmerte das Ganze noch, als er Nancy Reagan Kußhände zuwarf.
»Es war ein Desaster - ein absolutes Desaster«, sagte ein Sekretär des Weißen Hauses. »Frank zog die allermieseste Las-Vegas-Variete-Show ab, ohne Stil und Geschmack, und Mrs. Reagan fühlte sich gedemütigt. Sie war sehr aufgebracht und ärgerte sich sehr über ihn, besonders als er mit der Königin einen Rundgang durchs Studio machen wollte und gereizt reagierte, als diese ablehnte.
»Zum Menü gab es Fisch, obgleich die Königin ausdrücklich darum gebeten hatte, keinen Fisch zu servieren, außerdem eklige kalte Hühnerfleischpasteten und saure Weine. Den Dienern gingen die Schirme aus, und schließlich verstieß Frank auch noch gegen das Protokoll, indem er vor der Königin ging. Ich glaube, er wußte, daß er alles vermasselt hatte, und wollte so schnell wie möglich fort.«
Die britische Presse war höchst verblüfft über den Abend und berichtete detailliert über die amerikanischen Taktlosigkeiten und wiederholten Protokollverstöße.
Im Winter 1983 präsentierte Sinatra dem Land sein schizoides Ich im Fernsehen: Dankbar nahm der gute Frank eine größere nationale Huldigung entgegen, aber Tage später beschimpfte der böse Frank eine Blackjack-Kartengeberin im Golden Nugget in Atlantic City aufs heftigste.
Die nationale Huldigung wurde ihm am 4. Dezember 1983 zuteil, als der Präsident der Vereinigten Staaten Frank für seine lebenslangen Verdienste um die darstellende Kunst Anerkennung zollte. Er war einer der fünf geehrten Persönlichkeiten, die im Kennedy Center gefeiert wurden. CBS zeichnete die »Celebration of the Performing Arts« für das Fernsehen auf.
Der Präsident, der Henry James zitierte, sagte, daß »die Kunst der Schatten der Humanität ist«, und während er über Franks Schultern ein regenbogenfarbenes Ordensband streifte, fuhr er fort: »Sie haben Ihr Leben damit verbracht, einen prachtvollen und gewaltigen Schatten zu werfen.«
Frank, der neben der Choreographin Katherine Dunham, dem Regisseur Elia Kazan, dem Schauspieler James Stewart und dem Musikrezensenten Virgil Thomson stand, glühte angesichts der Erhabenheit des Augenblicks.
»Es ist auch für das Land selbst ein bedeutendes Ereignis, die Künstler zu ehren«, sagte Sinatra. »Ich nehme an, es ist so etwas wie die Verleihung der Oscars oder der Tonys, nur ist dies die größte. Aber das, was bei jeder Auszeichnung letztlich zählt, ist die Ehrung durch Ebenbürtige.«
Einige Tage danach spielte der so Geehrte im Golden Nugget in Atlantic City mit Barbara, Dean Martin und Martins Manager Mort Viner. Frank forderte die 33jährige Kyong Kim auf, ihm die Karten von Hand zu geben und nicht aus dem gesetzlich geforderten versiegelten Plastik-Kartengeberautomaten, dem sogenannten Schuh. Die Kartengeberin hielt inne und sagte, sie müßte das mit dem Aufseher absprechen.
»Wenn Sie jetzt nicht gleich ein Spiel rausgeben, wandern Sie nach China zurück«, knurrte Frank.
Der Aufsichtsbeamte des Kasinos, Joyce Caparele, der die aufgeregte Debatte hörte, kam herüber.
»Er hat gesagt, er möchte ein einzelnes Spiel, andernfalls würde er, sollte man seinem Wunsch nicht nachkommen, die Show nicht fortsetzen«, erklärte sie. »Ich dachte, wenn ich nicht nachgab... wenn ich zu Mr. Sinatra irgend etwas gesagt hätte, was ihn womöglich kränkte... _(Mit Sinatra, Sängerin Dionne Warwick. )
Ich fürchtete, rausgeschmissen zu werden.« Blackjack-Boß Maxwell Spinks wurde nun herbeigerufen, um Frank klarzumachen, daß er nicht dazu berechtigt war, der Kartengeberin zu erlauben, ihm die Karten von Hand zu geben.
»Ich kann keine diesbezügliche Entscheidung treffen«, erklärte er. »Sie müssen sich damit an eine höhere Instanz wenden.«
»Dann gehen Sie und schaffen Sie mir eine höhere Instanz herbei«, sagte Frank.
Der Schichtmanager Robert Barnum, der durch die Gerüchte über Sinatras launischen Charakter alarmiert war, fand, man sollte dem Sänger einen Gefallen tun. Aus Angst, es könnte jeden Moment zu einem gewalttätigen Ausbruch kommen, fügte sich der Blackjack-Boß der Forderung. »Sinatra schien sich in das Gehabe eines Dikatators hineinzusteigern«, erinnert er sich.
Die Kartengeberin, den Tränen nahe, begann ihm die Karten per Hand zu geben. Der Vorfall war von Überwachungskameras auf Video aufgezeichnet worden und wurde später in den CBS Evening News gezeigt. Auf diese Weise erhielten die Amerikaner ein bestürzendes Bild von dem kleinlichen Tyrannen, der in dem kurz zuvor im Kennedy Center geehrten Mann steckte.
Im Sommer 1984 bat der Präsident Sinatra um seine Mithilfe bei der Kampagne zu seiner Wiederwahl. Er machte ihn zum Abgesandten der Geldsammelaktionen, indem er ihn in sieben Städte zu Cocktailempfängen mit ausgewählten Republikanern schickte, die für das Privileg, in Franks Nähe zu sein, Tausende von Dollar bezahlten. Frank sammelte 500000 Dollar für die Wahlkampagne zum republikanischen Sieg 1984.
Einige Monate später, am 23. Mai 1985, verlieh ihm der Präsident die höchste zivile Auszeichnung, die die Nation zu vergeben hatte, die Presidential Medal of Freedom. Zusammen mit ihm wurden ausgezeichnet: James Stewart, der Lieblings-Filmschauspieler des Präsidenten; der Tiefseeforscher Jacques-Yves Cousteau; der ehemalige Generalsekretär der Smithsonian Institution, S. Dillon Ripley II; der Armeegeneral a. D. Albert Wedemeyer, im Zweiten Weltkrieg ein Held im Pazifik; der Luftwaffengeneral a. D. Charles E. »Chuck« Yeager, ein Testpilot, der Rekorde aufgestellt, und der erste Mensch, der die Schallgrenze durchbrochen hat; der Philosoph und Erziehungswissenschaftler Sidney Hook; die ehemalige Botschafterin der Vereinten Nationen Jeane J. Kirkpatrick; und Mutter Teresa, die römisch-katholische Nonne, die für ihren Einsatz für die Armen von Kalkutta den Nobelpreis erhielt.
Ende _(Oben: Thomson, Kazan, Sinatra, Katherine ) _(Dunham, Stewart, Ehepaar Reagan; ) _(unten: Reagan, Jeane Kirkpatrick, ) _(Sinatra. )
Ehepaar Reagan, Ex-Botschafter Annenberg.»Dial-A-Joke": Telephon-Ansagedienst mit Witzen; »Hee Haw": alberneLach-Show im US-Fernsehen.In dem Film »Der Mann mit dem goldenen Arm«.Mit Sinatra, Sängerin Dionne Warwick.Oben: Thomson, Kazan, Sinatra, Katherine Dunham, Stewart, EhepaarReagan;unten: Reagan, Jeane Kirkpatrick, Sinatra.