»Wir sind keine Erpresser«
SPIEGEL: Werden die arabischen Staatschefs in Algier eine weitere Eskalation beschließen und ihre Öl-Produktion erneut reduzieren?
EMIR: Ich zweifle nicht daran. Falls wir erkennen sollten, daß wir nichts erreicht haben, werden härtere Maßnahmen getroffen werden.
SPIEGEL: Bedeutet das: Totale Ölblockade gegenüber allen Staaten, die Israel unterstützen, sowie die Nationalisierung der Unternehmen jener Staaten in Arabien?
EMIR: Derartige Entscheidungen können nur einheitlich von allen Staaten beschlossen werden, sie sind für einen Staat allein unmöglich. Wir bemühen uns gegenwärtig um eine einheitliche arabische Politik. Wir versuchen, unsere Kräfte. unsere Macht auf ein einziges Ziel zu konzentrieren: Wir wollen die besetzten Gebiete zurückgewinnen, die Rechte der Palästinenser verwirklichen.
SPIEGEL: Schließen Sie dabei aus, daß die Europäer sich veranlaßt sehen könnten, ihre Investitionen aus arabischen Ländern abzuziehen?
EMIR: Alle diese Möglichkeiten werden in Algier studiert und diskutiert werden. Wirtschaftliche, politische und militärische Maßnahmen werden von den Staatschefs koordiniert. Falls es aber in dieser Auseinandersetzung in Israel zu einer Eskalation kommen sollte, werden wir uns nicht scheuen, auch unsererseits hart zu reagieren und jegliche Mittel zu nutzen. Ich möchte aber betonen, wir streben eine friedliche Lösung an.
SPIEGEL: Ihre Boykott-Politik gegenüber den Niederlanden und den USA ist so friedlich nicht.
EMIR: Diese beiden Länder haben sich offen gegen die Araber gestellt. Sie haben Arabiens Gefühle verletzt und die Aggressoren schamlos unterstützt. Sie müssen fühlen, daß wir sie nicht länger als unsere Freunde betrachten.
SPIEGEL: Und wie können sie das wieder werden?
EMIR: Indem sie die Opfer unterstützen und nicht die Aggressoren. Wir fordern sie auf, öffentlich den Aggressoren zu erklären, und zwar ohne Einschränkung: »Zieht euch zurück aus diesen Gebieten, das ist nicht euer Land.« Erklären sie das, werden wir unsere Entscheidung revidieren.
SPIEGEL: Indien zum Beispiel war stets anti-israelisch, dennoch wird auch Indien von der Kürzung der Öl-Produktion getroffen. Frau Gandhi läßt sich nun zuweilen mit einer Pferde-Kutsche durch Neu-Delhi fahren ...
EMIR: ... was für sie sicher viel gesünder ist als Auto fahren. Aber ernsthaft: Wir haben mit der Reduzierung nicht beabsichtigt, unsere Freunde zu treffen oder irgend jemanden zu bestrafen. Wir wollten verhindern, daß ein Staat. der Öl im Überfluß hat, davon möglicherweise etwas an einen vom Boykott betroffenen schmuggelt. Wenn alle weniger haben, läßt sich nicht so einfach etwas abzweigen. Wir diskutieren derzeit darüber, wie wir allen unseren Freunden das nötige Öl liefern können.
SPIEGEL: Welche Nationen werden auf Ihrer sogenannten schwarzen Liste als Freunde bezeichnet, wer als neutral oder feindlich klassifiziert?
EMIR: Diese schwarze Liste existiert nicht. Wir betrachten alle Staaten als Freunde, solange sie sich nicht selbst boshaft dazu bekennen, unsere Feinde zu sein. Jene, denen wir kein Öl mehr liefern, sind nicht unsere Feinde, sie haben es so gewollt, Feinde der Araber zu sein und Freunde der Israelis.
SPIEGEL: Hat Sie diese Macht, die sich da plötzlich offenbart -- zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Katars -, selbst überrascht, oder waren Sie sich der Möglichkeit, Europa durch Ölentzug das Fürchten zu lehren, stets bewußt?
EMIR: Statt uns zu fragen, ob wir durch diese Macht überheblich geworden sind, sollten Sie fragen, warum die Welt weggesehen hat, als wir ein Vierteljahrhundert lang versucht haben, diese Welt auf Ungerechtigkeiten gegenüber den Palästinensern aufmerksam zu machen. Sie betrachtete die Palästinenser als einen Haufen Flüchtlinge, die mit Almosen der Vereinten Nationen ernährt werden mußten. Wir wollen jetzt aber keine Revanche. Im Gegenteil: Wir haben soeben unseren guten Willen erneut dokumentiert, wir haben unsere Reduzierung um fünf Prozent für die Europäische Gemeinschaft, mit Ausnahme Hollands, zurückgenommen. Beweist das nicht, daß wir keine Erpresser sind, daß wir die Welt nicht vor uns auf den Knien sehen wollen?
SPIEGEL: Palästina. so argumentieren westliche Ölexperten, sei nicht das tatsächliche Motiv für die derzeitige arabische Ölpolitik, sondern vielmehr die Furcht, daß die Reserven nicht mehr lange reichen ...
EMIR: Selbstverständlich überlegen wir uns, wie wir am besten über unsere Ölreserven und unser Geld verfügen können, doch das ist ein Problem, mit dem wir uns schon vor zwei Jahren befaßt haben. Zweifellos haben wir andere Möglichkeiten, unsere wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen, als jene Industrienationen zu schädigen, die von unserem Öl abhängig sind. Nein, ich möchte der Welt deutlich erklären: Die Aktionen der Öl produzierenden Staaten sind ausschließlich motiviert durch das nationale Interesse der Araber an Recht und Freiheit der Palästinenser.
SPIEGEL: Warum sind Sie überhaupt interessiert an Palästina, was begründet das Engagement Katars, drei Jet-Stunden von Israel entfernt?
EMIR: Daß diese Frage von einem Europäer gestellt wird, wundert mich. Ich stelle die Gegenfrage: Was haben Länder, die noch weiter von Israel entfernt liegen als wir, in Palästina zu suchen? Was haben sie mit Israel gemeinsam? Eine Sprache, eine Geschichte, eine Kultur? Nein. Palästina ist ein arabisches Land -- Katar ebenfalls. Jene, die Palästina besetzen, sind fremde Elemente, nicht Araber, sondern europäische Juden. Ist es nicht natürlich, daß wir auf diese Gefahr reagieren? Die kommen von überallher, aus allen Teilen der Welt.
SPIEGEL: Es scheint so, als seien die Araber nur in ihrem Haß gegenüber Israel vereint. Mit anderen Worten: Ohne Israel keine arabische Einheit.
EMIR: Israel ist nur eine vorübergehende Erscheinung in der langen arabischen Geschichte. Israels Aggression hat die arabische Einheit sichtbar gemacht. Eine arabische Nation existierte, bis wir in autonome Staatengebilde aufgeteilt wurden. Die Wurzel dieser Einheit Arabiens ist nicht verdorrt. Sie existiert -- in unserer Geschichte, Sprache und Kultur, und nun in unserem Kampf für die Rechte Palästinas.