BUCHHANDEL Wirksam durchlöchert
Zuerst haben wir uns nur geärgert -daß die Bücher, die wir kaufen müssen, so teuer sind«; dann, berichtet Peter Löcher vom Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) der Bochumer Ruhr-Universität, »haben wir nachgedacht, wie das zu ändern wäre«.
Die Studenten wurden fündig; bei der Bücher-Branche lösten sie Bestürzung aus. »Den Ruin für viele kleine Läden« fürchtet beispielsweise Jochen Braeunlich vom nordrhein-westfälischen Verband der Verlage und Buchhandlungen. Die Verbändler schreckt drohende Konkurrenz vom Campus. Denn Bochums Studenten können demnächst im eigenen Buchladen alle Bücher viel billiger kaufen.
Auf welche Weise sich das seit 1887 bestehende Buchhändler-Kartell wirksam durchlöchern läßt, haben die Preisbrecher vom Revier dem Mannheimer Betriebswirt Helmut Pollinger abgeguckt: durch eine umsatzbezogene Gewinnbeteiligung der Kunden nach Art früherer Konsumvereine.
Mit fünf Mark kann jeder Student der Ruhr-Universität beim Billigkauf dabeisein. Für diesen Einsatz erwirbt er einen Kommanditisten-Anteilschein beim AStA, der das gesammelte Kommilitonen-Kapital in eine eige-
* An der Ruhr-Universität Bochum.
ne Buchhandlung einbringt. Am Ende des Geschäftsjahres schüttet die GmbH & Co. KG den erwirtschafteten Gewinn an die Anteileigentümer aus. Fünf Prozent werden auf die Anteileigner verteilt. Wieviel jeder einzelne Kommanditist dann noch vom Rest bekommt, berechnet sich nach seinem Einkauf im eigenen Laden.
Jeder Käufer zahlt zwar zunächst den üblichen Ladenpreis, die Differenz zum Einkaufspreis erhält er jedoch später als Gewinn zurück. Löcher: »Wir glauben, daß die Bücher um ein Drittel billiger werden.« Das zahlt sich bei Studienliteratur aus -- denn ein Mediziner muß beispielsweise für den notwendigen Anatomie-Atlas bis zu 235 Mark hinblättern.
Die ausgeklügelte Konstruktion gilt den Hütern hoher Preise, dem Frankfurter Börsenverein des Deutschen Buchhandels, als schiere Provokation. Justitiar Franz-Wilhelm Peter: »De facto wird damit das System der festen Ladenpreise ad absurdum geführt, das aus gutem Grund einzig noch bei Büchern besteht.«
Doch Peters Gründe -- beim Wegfall der festen Ladenpreise würden die Verlage ihr Angebot auf verkaufsträchtige Titel reduzieren; Kaufhäuser könnten den Buchhändlern die Bestseller, ihre »Brotartikel«, und damit die Existenzgrundlage nehmen -- treffen nicht mehr die Wirklichkeit: Sonderrabatte für Großkunden, Beziehungskäufe und ein Nebeneinander von äußerlich kaum zu unterscheidenden, aber preislich differierenden Ausgaben haben die Theorie längst überholt.
Ungeachtet solcher Praktiken hielten die Verbandsherren an der reinen Lehre fest. Um Preisbrecher zu blockieren, mußten sich die Buchhändler auf Geheiß des Börsenvereins jüngst verpflichten, die »Preisbindung auch nicht indirekt zu verletzen ... durch Umgehungsformen, wie z. B. die Beteiligung meiner Kunden an deren Umsätzen bei mir«.
Daß solche Verschwörung Unrechtens sei, mußten sich die Frankfurter gleich zweimal sagen lassen. Der Bundesgerichtshof entschied, daß eine nach dem Pollinger-Modell betriebene Buchhandlung weder gegen Rabattvorschriften noch gegen die Preisbindung verstößt; das Bundeskartellamt wertete gar den Börsenverein-Revers als unlauteren Versuch, unliebsame Konkurrenz auszuschalten.
Die schläft nicht: Andere Universitäten wollen ebenfalls Buchläden auf Genossenschaftsbasis einrichten. Und eine mächtige Hilfstruppe ist auch schon im Anzug: Vorletzte Woche gründete der Deutsche Anwaltverein für seine 18 000 Mitglieder einen eigenen Bücherdienst« nach Bochumer Muster.