Wirr und pleite
Im Glauben, der Welt ein bißchen Frieden zu bringen, machten sich Blauhelme auf in den fernen Kongo. Die Bilanz nach vier Jahren Einsatz war niederschmetternd: 234 Friedenskämpfer fielen, Uno-Generalsekretär Dag Hammarskjöld kam ebenso ums Leben wie Ministerpräsident Patrice Lumumba. Was nach dem Abzug blieb, waren Krisen und der korrupte Präsident Mobutu.
Am Erfolg von Uno-Missionen hat sich seit dem Kongo-Desaster vor 30 Jahren wenig geändert. Stülpen sich Soldaten im Auftrag des Uno-Generalsekretärs Butros Butros Ghali hellblaue Stoffbezüge über die Stahlhelme, steht der Mißerfolg fast fest: Die Blauhelme kommen, wenn überhaupt, zu spät und hinterlassen meist Chaos und Tote. Die Uno-Missionen, urteilte der Londoner Independent, glichen »Schlachthäusern«.
Mit jedem Einsatz wachsen Zweifel, ob die Blauhelme auf weltweit 17 Missionen zum Friedensstifter oder zumindest zum Friedenshüter taugen: *___Die Bewohner der Westsahara warten seit drei Jahren, ____daß die Uno-Mission Minurso die per Referendum ____beschlossene Autonomie umsetzt. *___In Bosnien mußten schwächliche Unprofor-Einheiten im ____Sommer 1993 hilflos zusehen, wie Serben die von der Uno ____zur Schutzzone für bosnische Moslems erklärte Stadt ____Gorazde verwüsteten. *___In Angola mißlang der Unavem-Mission die Entwaffnung ____der Unita-Rebellen. Vermittlungsversuche blieben ____erfolglos, der Bürgerkrieg geht weiter. *___Im Nordirak fehlen der Unicom Geld und Soldaten zum ____Schutz der verfolgten Kurden. Eine Handvoll Beobachter ____soll Hilfskonvois sichern. *___Für Untac mühten sich in Kambodscha über 17 000 ____Blauhelme vergebens um Frieden. Die von der Uno ____organisierten Wahlen wurden von einigen Provinzen nicht ____anerkannt. Die Roten Khmer schüren den Bürgerkrieg, die ____Blauhelme ziehen ab.
»Große Ineffizienz« hat US-Außenminister Warren Christopher bei vielen Missionen festgestellt. Und Kofi Annan, als Untergeneralsekretär für Uno-Operationen zuständig, gestand, daß der krawallige US-Nachrichtensender CNN zeitweilig die wichtigste Informationsquelle im Hauptquartier sei.
Selbst Blauhelm-Kommandeure, nach Einsätzen in Somalia und Bosnien frustriert, bemängeln unklare militärische Vorgaben aus der New Yorker Zentrale. Sie rügen die schlampige Organisation, wirre Befehlsstrukturen, vor allem aber die mangelnden Mittel für die multikulturelle Truppe, die 1988 noch den Friedensnobelpreis erhalten hatte.
Während ethnische Konflikte nach dem Ende der von Ostblock und Nato ausbalancierten Weltordnung wuchern, schwand die Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten und damit die Macht der internationalen Armee dramatisch.
Genügten 1990 noch 816 Millionen Dollar für 10 000 Blauhelme, werden inzwischen über 80 000 Kämpfer mit 3,6 Milliarden Dollar alimentiert. In Kürze droht der finanzielle Kollaps, sollten säumige Zahler wie die USA, die eine halbe Milliarde Dollar Rückstände aufgetürmt haben, nicht bald überweisen.
Als Musterknaben erwiesen sich die Deutschen: Sie stehen anders als Japan und die USA nicht in der Kreide bei Butros Ghali, der verzweifelt über zwei Milliarden Dollar Außenstände einzutreiben versucht.
Spätestens seit dem mißglückten Somalia-Einsatz fragen sich die großen Geldgeber, ob die Glaubwürdigkeits-, Identitäts-, Finanz- und Organisationskrise mit Spenden zu beheben ist.
Beim Unternehmen »Hoffnung«, von den Deutschen mit 310 Millionen Mark und 1700 Bundeswehrsoldaten bezuschußt, weigerte sich das italienische Kontingent, Anordnungen des Uno-Oberkommandierenden zu befolgen; Panzerwagen blieben im Sand stecken; Somalier demonstrierten gegen die Eindringlinge ("Uno - go home!"); 28 000 Soldaten mißlang es, Rebellenführer Aidid zu fangen.
Statt dessen erschossen hypernervöse Blauhelme Hunderte von Zivilisten. Nachdem 18 Amerikaner ihr Leben in Somalia ließen, erkannte US-Präsident Bill Clinton das Scheitern der Mission und beendete »die Liebesbeziehung« (Financial Times) zur Uno endgültig.
Mangels internationaler Motivation bleiben neue Einsätze rar. Heikle Unternehmen wie im bürgerkriegsgeschüttelten Haiti werden den USA überlassen. Und die Franzosen, die mit Uno-Plazet auf die Killing Fields von Ruanda zogen, planen den Rückzug, da Hilfe ausbleibt.
Jeder Versuch, die Einsätze mit einem Konzept zu versehen, klagt Butros Ghali, sei so aussichtsreich, »als ob man ein Auto bei Tempo 190 reparieren wolle«. Da bleiben auch deutsche Mechaniker ratlos.