Pünktlich nach Aufhebung des Corona-Lockdowns bot Wladimir Putin seinem Volk die größte und wahrscheinlich spektakulärste Militärparade der russischen Geschichte:
Bei Bilderbuch-Wetter marschierten 13.000 Soldaten durch Moskau, dicht an dicht. Die Siegesparade ist tradtionell immer ein Spektakel - und doch ist die Stimmung in diesem Jahr eine ganz Besondere:
Christian Esch, DER SPIEGEL
"Ich stehe hier am Boulevard-Ring in der Innenstadt. Viele Moskauer sind erschienen, um sich die Militärtechnik anzuschauen, die jetzt gerade vom Roten Platz kommend stadtauswärts hier hinter mir vorbeifährt. Und ich muss sagen, es ist ein ganz besonderes Gefühl, verblüffend und beglückend in gewisser Weise, die Stadt wieder so belebt zu sehen - denn wir hatten hier seit März sehr strenge Ausgangsbeschränkungen, und jetzt ist plötzlich die Stadt wieder sommerlich voll. Es ist wie ein großes Aufatmen nach einer langen Zeit der Quarantäne. Ob das Aufatmen zur richtigen Zeit kommt oder nicht, oder doch etwas zu früh? Das ist natürlich eine andere Frage. Der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin wäre es lieber gewesen, man hätte die Parade noch etwas weiter hinausgeschoben."
Die Waffenschau war wegen der Corona-Pandemie vom 9. Mai auf den 24. Juni verlegt worden. An diesem Tag fand vor 75 Jahren die erste Parade zum Sieg über Hitler-Deutschland auf dem Roten Platz statt.
Christian Esch, DER SPIEGEL
"Die Zahl 75 begegnet einem überall im Stadtraum, auf Plakaten, auf Fernsehbildschirm, als Logo, in Zeitungen als Thema. Putin hat einen großen Artikel nochmal zum Krieg vor kurzer Zeit selber verfasst. Es ist ein riesiges Thema."
Putin rief in seiner Rede die Weltgemeinschaft auf, die Verdienste der Sowjetarmee bei der Befreiung vom Hitler-Faschismus niemals zu vergessen – und plädierte für mehr internationale Zusammenarbeit für weltweite Sicherheit. Sein wahres Augenmerk galt bei dieser Feier aber der Innenpolitik.
Christian Esch, DER SPIEGEL
"Es ist nämlich so, dass Putin sich in diesen Wochen von den Russen in einem Plebiszit die Erlaubnis holen will, noch mal zwei weitere Amtszeiten zu kandidieren. Diese Abstimmung soll schon morgen beginnen und bis zum 1. Juli andauern und würde für ihn bedeuten, dass er bis in das Jahr 2036 noch im Kreml bleiben kann."
Für ein günstiges Votum bei der Volksabstimmung zur Verfassungsreform dürften diese Bilder durchaus hilfreich sein.
Christian Esch, DER SPIEGEL
"Es ist also nicht nur eine Militärparade, die hier stattfindet, sondern es ist zugleich der Auftakt zu einer politischen Kampagne, die Putin schon 20 Jahre währende Herrschaft in die absehbare Zukunft festschreiben soll."