DDR / AUSSENHANDEL z. B. peinlich
Was westliche Handeisherren von Vätern und Großvätern übernahmen, sollen ostdeutsche Wirtschaftsfunktionäre nun auf Wunsch der SED erlernen -- Erfolgsrezepte und Anstandsregeln für den Umgang mit kapitalistischen Geschäftspartnern.
Die Richtlinie formulierte das SED-Zentralkomitee im März letzten Jahres. Es verlangte vom staatlichen Außenhandel »vorausschauende, intensive, bewegliche und exakt organisierte Marktarbeit«. Und was das heißt, erläuterte jetzt ein Partei-Psychologe namens W. Göldner. Um die »Außenhandelskader ... zu befähigen, bei der Verfolgung eines absatzpolitischen Zieles subjektive Faktoren bewußt auszunutzen«, veröffentlichte er im Ost-Berliner Fach-Periodikum »Sozialistische Außenwirtschaft« einen Kurz-Knigge für sozialistische Export-Manager. Titel der Arbeit: »Kontaktarbeit als Element der Verkaufspsychologie auf dem kapitalistischen Weltmarkt«.
Allgemeine Tips:
>"Beginnen Sie das Gespräch grundsätzlich in der gedanklichen Sphäre des Partners; seinen Problemen, seinen Geschäften, seiner Familie, seinen Leistungen.«
* »Hören Sie gut zu, achten Sie auf Betonung, Sprachrhythmus und Gesichtsausdruck! Verfallen Sie nicht in den Fehler, das zu hören, was Sie gerade hören möchten.
Setzen Sie beim Partner nicht das gleiche Denkschema voraus wie bei sich.«
* »Lenken Sie das Gespräch von Anfang an auf das Verbindende, um
* DDR-Ministerpräsident Willi Stoph (2. v. l.) und SED-Chef Walter Ulbricht im Gespräch mit Vorstandsmitglied Dr. Günter Mausbach von der Mannesmannröhren-Werke GmbH (l.) auf der Leipziger Messe 1970.
eine positive Atmosphäre zu schaffen! Zur Klärung der Widersprüche ist später Zeit.«
Damit der »Kontaktinitiator« aus der DDR aber auch Trennendes von Verbindendem unterscheiden und sein »klassenbewußtes Verhalten sichern« könne, rät Göldner unter der Rubrik »weltanschaulich-politische Anknüpfungspunkte«. stets die »Klassenposition des Kontaktpartners sorgfältig zu analysieren«. Sei nämlich, doziert der PR-Mann, der Geschäftsfreund Unternehmer ("Vertreter der Bourgeoisie"), dann gebe es zwar »nichts Gemeinsames in der Ideologie«, wohl aber möglicherweise »Berührungspunkte in Auffassungen zu bestimmten politischen Fragen«, zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR etwa.
Bei geschäftlichen Begegnungen mit Angestellten kapitalistischer Firmen -- den Klassenkollegen der gleichfalls abhängigen Osthändler -- hingegen hält der Psychologe auch Gespräche über Privatleben und Arbeit für nützlich, Er ermahnt jedoch seine Leser, dabei die »unterschiedlichen Umweltbedingungen« der Westmenschen, den »Einfluß des bürgerlichen Propagandaapparates« zum Beispiel, genau zu beachten.
Auch im Verkaufsgespräch -- Göldner: »Mit dem Kauf/Verkauf-Akt erfolgt die Bedürfnisbefriedigung beider Partner« -- empfiehlt der Randelshelfer, streng nach der sozialen Funktion der westlichen Importeure zu unterscheiden. Sei der Kontrahent Endabnehmer der Ware, müsse über deren tatsächlichen Nutzen geredet werden. Sei er aber nur Zwischenhändler ("Organisationsform des Handelskapitals"), spiele der Nutzen für ihn nur eine »untergeordnete« Rolle. Diesem Kapitalisten-Typ gehe es vor allem um den Profit, um »Kapitalverwertungsmöglichkeiten«.
Göldner rät, selbst im privaten Umgang mit Westhändlern auf derlei Differenzierungen zu achten. Denn »der Kontaktpartner tritt uns nicht nur in seiner Eigenschaft beispielsweise als Käufer gegenüber, sondern er ist gleichzeitig Bürger eines bestimmten Staates, Repräsentant einer Firma, Familienoberhaupt u. a. m.« und stehe daher häufig in einem Rollenkonflikt, »da seine persönlichen Interessen und die Gruppeninteressen durchaus nicht identisch zu sein brauchen«.
Vor einer Einladung zu Cocktails oder Empfängen, erinnert der Experte, müßten »alle wichtigen Fakten über die Person bekannt sein«, weil »es z. B. peinlich ist, einen langjährigen Junggesellen »mit Gattin' einzuladen«. Käme ein sozialistischer Exporteur gar auf den Gedanken, seinen kapitalistischen Geschäftsfreund zu einem Besuch der DDR aufzufordern, ist laut Göldner doppelte Sorgfalt vonnöten. Denn eine Einladung dürfe »keinesfalls ausgesprochen werden, wenn an der positiven Reaktion Zweifel bestehen. Eine Ablehnung errichtet eine spürbare Schranke der Förmlichkeit zwischen den Partnern und kühlt gegenseitige Beziehungen ab«.