ZÄRTLICHES VÄTERCHEN
(Nr. 38-39/1967, Serie)
Kreml-Diktator Stalin -- von der eigenen Tochter in seiner ganzen Zwiespältigkeit, seiner unterkühlten Leidenschaft, seiner Grausamkeit und seiner Spießigkeit beleuchtet -- ist schon ein historischer Leckerbissen für sich. Daß Swetlana ihren »armen J. Stalin«, in traditioneller russischer Erzählkunst darzubieten versteht, ist eine kleine literarische Sensation. Man liest und staunt.
Hamburg CHRISTIAN JÜRGENS
Da sind Sie dem Stalin aber ordentlich auf den Leim gegangen! Ein solch saft- und kraftloses Geschreibsel
unbesehen! -- für eine solche Summe anzukaufen, nur weil es von Stalins Tochter stammt.
Hägersten (Schweden) HILDE RUBINSTEIN
DIE 480 000 MARK FÜR BLIND-BUCHUNG SWETLANA HABEN SICH GELOHNT STOP GRATU-LIERE
München JOCHEN SPERBER
»Die Memoiren der Swetlana Courths-Mahlerowa« wäre doch wohl das passendere Thema für diesen unmöglichen »Tränenschinken«. Meinen Sie nicht auch, daß Sie die Katze doch im Sack gekauft haben?
Düsseldorf HANS-WERNER BREUKEL
Der historische Roman Swetlanas ist mit epischer Feder geschrieben -- ich muß den britischen Rezensenten recht geben -- wahrlich wie von Tolstoi und Turgenjew.
Berlin LOTHAR BOLZ
Nur ein Witzbold oder einer jener hirnverbrannten Kreml-Astrologen konnte die Genossin Allilujewa mit dem unvergleichlichen Leo Tolstoi, dem Homer Rußlands, vergleichen. Dülken (Nrdrh.-Westf.)
JOHANNES RIBUTSCH
Als langjähriger SPIEGEL-Leser habe ich in dieser Woche erstmalig vom Kauf Ihrer Zeitung abgesehen, als ich auf der Titelseite die Ankündigung der Lebensgeschichte der Swetlana Stalin erblickte.
Stuttgart HORST BEERHENKE
Ihr unheimlicher Zoff mit dem »Stern« hat mich dazu veranlaßt, die Swetlana-Memoiren zu lesen. Ich habe einen von routinierten Illustriertenschreibern und Hintertreppen-Historikern zusammengerührten Eintopf aus Rührseligkeit, Geschichtsklitterei und Denkmalspflege erwartet, statt dessen lese ich nun einen menschlich bewegenden und zeitgeschichtlich aufschlußreichen Erlebnisbericht. Mir gefällt, daß ich keine Reinwaschung à la Baldur von Schirach, keinen Familienklatsch à la »Neues Blatt« und keine Geschichtsdeutung à la Hoggan vorgesetzt bekomme, sondern wahrhaftig erscheinende Szenenbilder aus dem Leben eines Mannes, der das 20. Jahrhundert entscheidend mitbestimmt -- vielleicht sogar geprägt -- hat.
Frankfurt OTTO HEIMKERS
Sollte die Stalintochter vielleicht die erste sowjetische Goodwill-Botschafterin für eine Restalinisierung sein ("Vater war gar nicht so schlimm!")? Die ganze Geschichte ist einfach ein Anachronismus. Väterchen ist, Gott sei Dank, lange tot, und nur die Abneigung gegen Sippenhaft im Westen läßt seine Tochter ungeniert babbeln.
Rheinfelden (Bad.-Württ.) ELMAR HÜTTERMANN
Swetlana will in ihren Memoiren das politische und menschliche Verhalten des Staatsmannes Stalin sowie ihres Vaters Josef Dschugaschwili rechtfertigen. Diesen hätte sie als eigene Rechtfertigung die bekannten Worte: »Ich glaubte an den Führer« voransetzen sollen mit dem Untertitel: »So zärtlich war Väterchen Josef«. Sie schreibt unter anderem: »Seine Leidenschaften aber waren Ehrgeiz, Macht, Macht und noch einmal Macht, Grausamkeit, Schlauheit.« Damit dürfte Stalins Charakterbild ja hinreichend gegeben sein, aber nein, so war doch nicht ihr Vater, sondern der böse Berija. Sie vergißt, daß auch dieser Massenmörder ein Werkzeug Stalins war.
Berlin WALTER WÄCHTER
»Dein armer Josef Stalin« -- der war doch so ein rührender Mensch: Er liebte die Natur und die Kinder, führte ein idyllisches Landhausleben und wurde von seiner unmittelbaren Umgebung, auch von seinem Dienstpersonal, innigst verehrt und geliebt. Nur dieser böse Berija ...! Der Unterschied zwischen Stalin und Hitler kann doch nur darin bestehen, daß der Russe sechs Millionen »Klassenfeinde« und der Deutsche sechs Millionen Juden umbringen ließ.
Bochum Da. G. KLEIN
Interessant, hierbei festzustellen, wie primitiv dieser ganze Stalin war. Zur Kunst hatte er überhaupt keine Beziehungen: Er behängte seine Wände mit Plunder und hörte sich vorwiegend grusinische, schmalzige Volkslieder an. Und er fühlte sich wohl in einer überladenen Wohnatmosphäre, die denen eigen war, die der Bolschewismus bekämpfte und ausgerottet hatte und in deren Besitz sie sich gleich satten Wanzen niederließen.
Koblenz REINHOLD SCHROCK
Im Zusammenhang mit den Swetlana-Memoiren zeigen Sie Stalins Lieblingsgemälde »Antwort der Saporoger Kosaken an den Sultan«. Bei einem kürzlichen Besuch der Moskauer Tretjakow-Galerie photographierte ich einen Kopisten, der sich mit einer anderen Fassung des »Lieblingsgemäldes« beschäftigte.
Ratzeburg (Schl.-Holst.) HANS-JÜRGEN WOHLFAHRT
Vielleicht gedeiht es Ihren Lesern zur Lustbarkeit, wenn Sie ihnen den Gesamttext jenes Briefes der Saporoger Kosaken an den um 1675 von ihnen besiegten türkischen Sultan Muhamed IV. vorlegen, der Repin begeistert und Stalin entzückt hat:
»Du sultanischer Teufelsschwanz, Bruder und Genosse des erbärmlichen Satans und des leibhaftigen Luzifers Sekretär!! Ei, was bist Du Hosentrompeter doch für ein trauriges Zwiebeichen! Was Beelzebub scheißt, das frißt Du samt Deinen Scharen! Wie will so ein Wind-Ei wie Du ehrliche Christensöhne und Saporoger Kosaken in seine Gewalt kriegen? Hörst Du unser Gelächter, Du taubstumme Krötenzehe???
Zu Wasser und zu Lande haben wir Dich zu Boden gestreckt! Komm nur, daß wir Dir völlig den Garaus machen! Du babylonischer Küchenchef, Du mazedonischer Fingerhut, Du alexandrinischer Ziegenmetzger, Erzsauhalter von Ägypten, Du armenisches Schwein, Du tatarischer Geisbock, Du Taschendieb von Podolsk und blutbesudelter Hinterfotz von Kamenetz, Du Enkel aller Höllenbewohner, Du Schmutzfink ohnegleichen, Du stinkender Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf! Sollten wir Dich anreden, wie Du es verdienst, Du aufgedunsener Schweinekopf? Dann hör zu, Stutenarsch und Metzgerhund, der Du bist! Du ungetaufter Schädel und Mistkäfer! Wir wissen vor allem dieses: Du Unflätiger bist nicht würdig, einer rechtgläubigen Christenmutter Sohn zu sein! Deshalb schlagen wir Dir diesen Brief um Dein rotziges Maul, Ungewaschener. Und das ist auf Siegel und Wort unsere Antwort, Muhamed! Da wir keinen Kalender haben, wissen wir das Datum nicht. Der Mond steht am Himmel und wir tafeln im Freien. Das Jahr steht im Buch geschrieben. Und der Tag ist der gleiche wie bei Euch.
Womit Du uns den Hintern küssen kannst! Dem Altlager-Ataman Iwan Syrko und allen seinen braven und tapferen Saporoger Kosaken! Amen!!«
Wörgl (Österreich) HANS HÖMBERG*