Familienalbum Die Bar meiner Eltern in Hamburg-St. Georg

Ute Stark, geborene Schnoor, 57:
Ich war drei Jahre alt, meinen Eltern gehörte die Bar, vor der ich stehe, beim Hansaplatz, Hamburg-St. Georg. Damals kamen auch die Seeleute zu uns, die ihre Lohntüten vertrunken haben. An den freien Tischen machten meine Geschwister und ich Hausaufgaben. Oder wir schoben unseren Pudel in einem Kinderwagen über den Hansaplatz.
Es gab Drogerien, Bäckereien, und die Prostituierten waren immer nett zu uns. Ich selbst wollte die Bar gar nicht leiten, ich habe Kosmetikerin gelernt, dann starben meine Eltern. Bis heute stehe ich hinterm Tresen. Die Prostituierte Hilde trinkt seit 30 Jahren jeden Nachmittag einen Kaffee. Wir haben viele Stammgäste, Anwälte, Bühnenhandwerker vom Deutschen Schauspielhaus, aber auch Touristen. Wenn ihre Gläser leer sind, sage ich: "Geht links, nicht über den Hansaplatz."
Früher haben sich die Leute Heroin gespritzt, verhielten sich ruhig. Heute nehmen viele Crack, sind aggressiv. Manchmal kommen welche von denen rein und versuchen zu stehlen. Ich schmeiße sie raus, habe keine Angst, ich bin hier ja groß geworden. Jetzt sind da überall Kameras, es gibt ein Flaschenverbot, Menschen mit Geld kaufen sich schicke Eigentumswohnungen. Ein Versuch, den Kiez zu verändern.
Im "Zar und Zimmermann" ist alles unverändert, die Lampen, der Tresen, die Tische. Meine Gäste wollen es so, ich dürfte nicht mal die Wand anders streichen. Das Foto hängt hinterm Tresen. Es zeigt mir meine Vergangenheit und dass da etwas ist, das bleibt.
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