SCHWEDEN Zauber der Tundra
Asiens Männer, vielgepriesene Experten der Erotik, haben einen neuen Quell der Freude entdeckt - Rentiergeweihe, fein zermahlen, als Pulver zu schlucken. Die zackigen Knochen aus dem hohen Norden, so glaubt man im Fernen Osten, machen müde Männer wieder munter.
Für Nordschwedens Lappen, die bislang nur vom Fleischverkauf lebten, bedeutet der Export des Wundermittels ein kleines Wirtschaftswunder. Denn die Asiaten zahlen für das Nebenprodukt Horn zuweilen mehr als die Schweden für das delikate Hauptprodukt Fleisch.
Der Horn-Mythos ist östlich von Suez seit urdenklichen Zeiten lebendig. Nur rankte er sich ursprünglich um den kolossalen Zinken des Nashorns.
Noch in »Meyers Konversations-Lexikon« von 1888 wird über das Nashorn zwar nichts Unanständiges, aber immerhin Legendäres berichtet: »Das Horn liefert sehr schöne Säbelgriffe, namentlich aber fertigt man im Morgenland Becher und Tassen daraus, welche die Eigenschaft besitzen sollen, aufzubrausen, sobald eine vergiftete Flüssigkeit hineingegossen wird.«
Daß im Nashorn-Dorn auch ein Libido-Brausepulver stecke, ist von der Wissenschaft längst als orientalisches Märchen entlarvt. Der Große Brockhaus belehrt Möchtegerne: »Vor dem Gebrauch von Geheimmitteln ist zu warnen« -- bis 1931 noch mit dem Zusatz: »Er führt nur zu unnötigen Geld ausgaben.«
Aber die Pulver-Fans am Pazifik ließen sich nicht belehren. Nur: Auf ihrem Kontinent und in Afrika sind Nashörner rar geworden. Und so kamen Schwedens Rentier-Lappen ins Geschäft.
Dem Schweden John Simonsson in Harads, Direktor einer Rentierhandels-AG mit 400 lappischen Aktionären (Spitzname: »Lapp-Simon"). war allerdings gar nicht bewußt, daß seine Tiere auf dem Kopf Zauberknochen trügen.
Als ihn fernöstliche Kaufleute 1960 erstmals um Geweih-Offerten baten, glaubte er, sie wollten ihn verulken, und reagierte nicht. Aber seit vier Jahren schickt er das Begehrte tonnenweise an Verteilerzentralen in Hongkong und Pusan (Südkorea) -- je nach Wunsch komplett oder zersägt.
Von der Potenzträchtigkeit eines Rentiergeweihs haben die Käufer detaillierte Vorstellungen und zahlen entsprechend, meist II bis über 14 Mark je Kilo. Spitzenqualität sind die Stangen von Tieren, die im Frühsommer viele Wochen vor dem üblichen Schlachttermin -- entleibt werden, weil der Pulverrohstoff dann noch weich und besonders kräftig durchblutet ist. Dafür zahlen die Asiaten sogar 45 Mark je Kilo.
Der jüngste Geweih-Transport der Lappen-AG nach Asien wog 20 000 Kilogramm. Die nächste Sendung, in diesem Monat, wird jedoch kleiner sein, weil weniger Geweihe verfügbar sind. als bestellt wurden. Denn auch die Japaner haben begonnen, sich mit dem Zaubermittel aus der Tundra aufzupulvern.
Direktor Simonsson: »Ich kann nur sagen, daß Rentierfleisch die Sexualität fördert. Das haben die Lappen bewiesen« Er wünscht sich nun, sein zartes Hauptprodukt ebenso flott absetzen zu können wie das harte Nebenprodukt.
Nur ein Abfallprodukt nehmen ihm die Geweihkäufer zusätzlich als Pulver-Ingredienz gegen fortgeschrittene Impotenz ab: das Fortpflanzungsorgan männlicher Tiere, 1500 Stück hat Lapp-Simon bislang an die Chinaküste geliefert -- tiefgekühlt.