BONN / OPPOSITION Zeichen des Verfalls
Die Christenunion verschärfte die psychologische Kampfführung: Die Politik der Regierung Brandt führe dazu, daß die Russen kommen, der Geheimdienst kaputtgehe und die Bundeswehr ausfalle. Kurzum -- das versuchte die CDU/CSU-Opposition den Bundesbürgern einzureden: Die sozialliberale Bonner Staatsführung sei ein nationales Sicherheitsrisiko.
Alles, so erklärte der CSU-Sprecher Friedrich Zimmermann in einer von der Union erzwungenen Wehrdebatte am Freitag letzter Woche im Bundestag, sei nach 17 Monaten SPD/FDP-Regiment in Gefahr: »die Truppenpräsenz, das Bündnis, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten und damit alles, was an Bewegungsfreiheit für eine Politik in diesem Lande vorhanden ist«.
Die CDU/CSU war bei der Wahl ihrer -- teils unfreiwilligen -- Verbündeten nicht zimperlich:
* Eine kritische Serie des SPIEGEL über den Bundesnachrichtendienst (BND) diente dem CSU-Chef Franz Josef Strauß zu einem Generalangriff auf den BND-Dienstherrn Horst Ehmke und die Vertrauenswürdigkeit des Geheimdienstes. Strauß: »So wie es jetzt steht, ist der BND praktisch funktionsunfähig.«
* Eine Unterhaltung des Junge-Union-Chefs Jürgen Echternach mit dem zukünftigen Sowjet-Botschafter in Bonn, Walentin Falin, nutzte die Union zur Wiederbelebung eines Schreckgespensts. Echternach hatte die völkerrechtlich zwar interessante, sicherheitspolitisch aber unbedeutsame Nachricht mitgebracht, die Sowjet-Union wolle entgegen den Versicherungen von Kanzleramts-Staatssekretär Egon Bahr auch nach Ratifizierung des deutsch-russischen Gewaltverzichtsvertrags auf ihren Interventionsanspruch nach den Artikeln 53 und 107 der Uno-Charta gegenüber der Bundesrepublik nicht verzichten.
* Eine Denkschrift von 30 Hauptleuten der 7. Panzergrenadierdivision, die aus ihren Klagen über eine angebliche Politisierung und Überforderung der Bundeswehr den CDU.-konformen Schluß zogen, unter Helmut Schmidt könne der Verteidigungs-»,Auftrag nicht mehr durchgeführt werden«, war der Union Anlaß zu einem Generalangriff auf den sozialdemokratischen Verteidigungsminister.
Zimmermann fand In der Verteidigungsdebatte am letzten Freitag in den »Thesen der 30« ein Dokument der »Resignation, um nicht zu sagen Verzweiflung«. Die teils naiven, teils reaktionären Hauptleute lobte er als »engagierte, tüchtige, realistisch eingestellte und ideologisch keineswegs verengte Soldaten«.
Dem CSU-Rechtsaußen kam die Studie zupaß. Er sah bereits die Gefahr einer offenen Meuterei. Schon die Schnez-Studie habe den Beginn der Unruhe in der Generalität angezeigt. »Dieselben Fragen sind zwei Jahre später«, so Zimmermann, »nicht an der Spitze des Heeres, sondern aus dem Offizierskorps hochgekommen, verstärkt, und sie kommen dann möglicherweise so hoch, daß sie unkontrollierbar werden können,«
Und Zimmermann wußte auch, warum in der Truppe »das Mißtrauen umgeht«. Schuld sei der SPD-Bundespräsident Gustav Heinemann mit seinem -- von der CDU/CSU absichtlich mißverstandenen -- Wort, die Bundeswehr müsse sich um besserer politischer Lösungen willen »in Frage stellen lassen«. Schuld sei auch die von der Bundesregierung finanzierte Bundeszentrale für politische Bildung mit ihrer »Verteufelung der Soldaten und Verherrlichung der Kriegsdienstverweigerer«.
Schuld seien Gewerkschaften wie die IG-Metall und die ÖTV mit ihrer Gegnerschaft zur Bundeswehr. Schuld seien schließlich die von Schmidt berufenen »antimilitärisch veranlagten Soziologen« wie der Leiter des Wissenschaftlichen Instituts für Ausbildung und Bildung der Bundeswehr, Professor Thomas Ellwein.
Die Sozialdemokraten erkannten die Gefahr der CDU/CSU-Kampagne für ihren Ruf als Regierungspartei. Doch sie wehrten sich nur zaghaft.
Ihr empfindsamer Bundeskanzler Willy Brandt fand sich mit seiner neuen Rolle als Sicherheitsrisiko nicht zurecht. Verwirrt verzichtete er darauf, »zu den polemischen Teilen dieser Debatte heute beizutragen«. Auch der Starredner der Regierung, Helmut * Am Freitag letzter Woche.
Schmidt, scheute die Konfrontation. Er ließ sich sogar auf die Denkweise der Christdemokraten ein: Verglichen mit Universitäten und Gymnasien sehe die Bundeswehr immer noch »gut aus«.
Nur der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Apel, sonst eher auf Schmidts Ausgleichs-Kurs, zeigte einen Anflug von Widerstand: »Nicht eine beunruhigte Öffentlichkeit« habe diese Debatte ausgelöst, sondern eine CDU/CSU mit dem Ziel, »Verdächtigungen auszustreuen, die ihr politisch im Lande nützen können«.