NAMIBIA Zentimeterweise rücken
Nach dem in fünfzehnmonatiger Kleinarbeit ausgehandelten Namibia-Plan der fünf westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates -- Kanada, Großbritannien, Frankreich, die USA und die Bundesrepublik -, dem zunächst Pretoria und später auch die marxistische »Südwestafrikanische Volksorganisation« ^(Swapo) zugestimmt hatten, sollte die Entscheidung über den Besitz des Tiefwasserhafens Walfischbai vorerst verschoben werden.
In der Resolution des Sicherheitsrats stand denn auch kein Wort von Walfischbai. Wohl aber in der Zusatzresolution, von der ursprünglich keine Rede gewesen war. Darin wird Walfischbai als »integraler Bestandteil« des künftigen unabhängigen Staates Namibia bezeichnet.
Pretoria fühlt sich nun nicht mehr an das Abkommen gebunden, das die Übernahme der Regierungsgewalt in Windhuk durch eine frei gewählte Regierung zum 1. Januar 1979 vorsieht.
In der 965 Quadratkilometer großen Enklave leben rund 10 000 Weiße. Stadtkämmerer Jan Wilkens: »Südafrika muß unsere Interessen vertreten, wenn der militante Swapo-Haufen in Südwest die Macht übernimmt.«
Die meisten der rund 17 000 braunen und schwarzen Einwohner von Walfischbai denken anders: »Vorster muß abhauen, wir gehören zu Namibia«, riefen sie am letzten Donnerstag auf einer Protestversammlung im Farbigenvorort Narraville,
Walfischbai ist der einzige Tiefwasserhafen des Landes und deshalb lebenswichtig für Namibia. Südafrika hingegen verfügt über ein halbes Dutzend Häfen für Hochseeschiffe.
Die Engländer hatten die Einöde am Südrand der Wüste Namib im vergangenen Jahrhundert besetzt und sie 1884 ihrer Kap-Kolonie zugeschlagen. Bei der Gründung der Südafrikanischen Union fiel Walfischbai 26 Jahre später an Südafrika. Auch das 1922 an Pretoria vergebene Völkerbundsmandat wies Walfischbai als südafrikanisches Gebiet aus. Allerdings wurde die Hafenstadt seit 1922 von Windhuk aus verwaltet. Erst im vergangenen Jahr, aN die Unabhängigkeit akut wurde, verfügte die Burenregierung die rechtliche Wiedereingliederung.
»Wenn wir schon nicht über Südwestafrika in einen Krieg geraten wollten«. schrieb die Johannesburger »Sundav Times« nach dem Uno-Beschluß. »sollten wir nun erst recht nicht über Walfischbai stolpern.« Das hofft auch Mit-Verhandler Genscher. Für ihn war die scharfe Rede Bothas »stark für den Hausgebrauch bestimmt«.
Der deutsche AA-Chef hält eine Namibia-Lösung auch weiterhin für möglich. »Politik machen heißt einen Panzerschrank zentimeterweise zu verrücken«, sagte Genscher zum Namibia-Gerangel. »Und manchmal muß man halt eine Bananenschale drunterlegen.«