DÜSSELDORF Zerbrochene Welten
Düsseldorfs Putzfrauen probten den Aufstand. Erregt versammelten sich in den Fluren des Rathauses öffentlich besoldete Raumpflegerinnen und diskutierten einen in der Lokalpresse wiedergegebenen Ausspruch des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Willi Becker. Dem OB war danach nicht klar, warum täglich ein »ganzes Putzlappengeschwader« sein Amtszimmer säubern müsse.
Das Wort ging der Bohnerwachs-Brigade wider die Ehre. Dennoch will der Personaldezernent der Stadt, Hermann Dornscheidt, 46, die »stark verbreitete Putzwut« ("Düsseldorfer Nachrichten") eindämmen: Rund 1600 Arbeitskräfte sind für die Sauberkeit in städtischen Amtsstuben und Schulen verantwortlich; sie kosten die Stadt jährlich zwölf Millionen Mark.
Mit Hilfe einsichtiger Beamter wie OB Becker - der Nichtraucher erbot sich, seinen Aschenbecher künftig selber zu reinigen - sollen Kosten und Kopfstärke der Putztruppe reduziert werden. Beigeordneter Dornscheidt setzt damit seinen beharrlichen Kampf gegen ein kommunalpolitisches Übel fort, das allerorten spürbar, aber in Düsseldorf besonders ausgeprägt ist: die aufgeblähte Verwaltung.
Mit rund 15 000 Beamten, Angestellten und Arbeitern residiert in der Rheinmetropole einer der größten Verwaltungsapparate des Landes. Auf je 46 Einwohner kommt ein städtischer Bediensteter (Verhältnis in Essen: eins zu 63; in Köln: eins zu 66). Jahreskosten 1966 für Düsseldorfs Stadtbürokratie: 178 Millionen Mark.
Als Dornscheidt 1963 das Dezernat für Personal und Organisation übernahm, mobilisierte er ein 15köpfiges Team von Verwaltungs-Spezialisten unter Oberverwaltungsdirektor Helmut Skov, 55, um die Verwaltung »gesundzuschrumpfen«. Die Sparkommissare besetzten monatelang die Schreibtische aller Amtsbereiche und durchleuchteten Zug um Zug den Verwaltungsweg.
Sie empfahlen den städtischen Büchereien, hinfort auf die Leihgebühr von zehn Pfennig pro Band zu verzichten, weil die Einnahmen den Arbeitsaufwand nicht rechtfertigten. Sie strichen zwei Pförtner-Stellen und ersetzten die Glaskastenposten durch »Verbesserung der hausinternen Beschilderung«.
Im Gesundheitsamt wurde die sogenannte Postbesprechung abgeschafft, mit der fünf Beamte dreimal in der Woche bis zu jeweils zwei Stunden Arbeitszeit vergeudeten. Ein vom Amt geführtes »Kontrollbuch für Schreiben an den Herrn Beigeordneten« entfiel als »unpassend und überflüssig«, ebenso die Kontrolle der zur Oper abgestellten Sanitäter - womit sich auch der (beim Fehlen der Sanitäter) »nach den Gründen forschende Schriftwechsel« erübrigte.
Dornscheidts Verwaltungsforscher hatten vielfach Grund, »einfache und sinnvolle« Buchführung zu fordern, erteilten Unterricht im richtigen Diktieren, dämmten den Papierkrieg ein (in der Stadtverwaltung zirkulierten 7000 verschiedene Formblätter), spürten Beamte auf, die auf verschiedenen Posten mittels unterschiedlicher Formulare den gleichen Vorgang wiederkäuten.
Zum Schluß strichen sie die Stellenpläne kräftig zusammen. Beispielsweise wurde das Ausgleichsamt um 68 Stellen verkleinert, das Gesundheitsamt mußte, statt 14 neue Stellen zu bekommen, noch zwölf vorhandene streichen, und den Volksbüchereien, die 20 Kräfte mehr angefordert hatten, wurden zehn Stellen genommen. Gesamtergebnis aus den bisher ausgekämmten Amtsbereichen: 520 gestrichene Stellen. Für eingewurzelte Bürokraten »zerbrachen Welten« (Dornscheidt).
Und doch war es eine Sisyphus -Arbeit: 1964 wie 1965 wuchsen der Bürokraten-Hydra mehr Köpfe als abgeschlagen wurden. Erst für 1966 rechnen Dornscheidts Experten erstmals damit, daß die Personalstärke der Düsseldorfer Stadtverwaltung absolut schrumpft - um 36 Köpfe.
Düsseldorfer Oberbürgermeister Becker
Ehre mit Bohnerwachs