FIBAG Zeugen im Hotel
Ein Bonner Strafrichter soll ein Trümmerfeld planieren, auf dem seit sieben Jahren zivile Gerichte und ein Untersuchungsausschuß des Bundestages mit nur mäßigem Erfolg herumgeräumt haben: die Fibag-Affäre.
In der letzten Woche erhielten drei Bürger Bayerns eine pfundschwere, 198 Seiten starke Anklageschrift der Bonner Staatsanwaltschaft zugestellt. Der Verlagskaufmann Dr. Hans Kapfinger in Passau, der Filmkaufmann Wolfgang Winkel in München und der Land- und Gastwirt Anton Pell in Neukirchen bei Passau haben, so lautet der Vorwurf, falsch ausgesagt,
Vor einer Bonner Strafkammer sollen im nächsten Jahr über 30 Zeugen erscheinen, darunter der CSU-Vorsitzende, ehemalige Verteidigungsminister und heutige Chef des Bundesfinanzressorts Franz-Josef Strauß.
Die Affäre hatte Ende der fünfziger Jahre begonnen. Damals kam dem Münchner Lothar Schloß, Inhaber eines Architektur-Büros, eine Idee: der Bau von rund 5000 Wohnungen im Wert von annähernd 300 Millionen Mark für amerikanische Besatzungsangehörige. Die Fibag (Finanz-Bau-AG) sollte dieses Mammutprojekt verwirklichen.
Am 13. April 1960 traf Schloß mit dem Duzfreund des damaligen Verteidigungsministers Franz-Josef Strauß und Passauer Zeitungsverleger Kapfinger sowie dem Bauunternehmer Karl Willy Braun eine »Vereinbarung« über die beabsichtigte Fibag-Gründung sowie die Aufteilung des Firmenkapitals. Nach dem von Kapfingers Freund, dem Filmkaufmann Wolfgang Winkel, formulierten Text sollte Kapfinger von den Gründern kostenlos 25 Prozent des auf 500 000 Mark veranschlagten Stammkapitals erhalten. Als Gegenleistung erklärte sich Kapfinger bereit, »für dieses Projekt all seine Beziehungen einzusetzen und das Projekt ideell zu fördern«.
Laut einer eidesstattlichen Versicherung von Braun hat Kapfinger bei dieser Gelegenheit gesagt, »daß dies ein Bombengeschäft für ihn sei, ohne jedes Risiko und Einsatz. Er bedauerte gleichzeitig, seinen Anteil von 25 Prozent mit Herrn Minister Franz-Josef Strauß teilen zu müssen«,
Und Lothar Schloß gab zu diesem Sachverhalt später vor Gericht zu Protokoll: »Er (Kapfinger) erklärte, es würde ein großes Geschäft für ihn werden, ohne Privateinsatz. Er müsse allerdings zu seinem Bedauern mit Minister Strauß teilen.«
Strauß händigte im Sommer 1960 auf Drängen Kapfingers dem Lothar Schloß zwei Empfehlungsschreiben an amerikanische Dienststellen und den US-Verteidigungsminister Gates für das Fibag-Projekt aus. Im Frühjahr 1962 ging der Minister gegen den SPIEGEL vor Gericht, der über die Fibag-Hintergründe berichtet hatte. Als der Fall vor der Zweiten Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth behandelt wurde, bezeichnete Kapfinger die eidesstattliche Erklärung von Braun als eine »grobe Unwahrheit«. Braun sei bei der Besprechung am 13. April 1960 gar nicht dabeigewesen.
Vier Tage später jedoch berichtigte sich Kapfinger: »Die Behauptung, es sei eine große Unwahrheit, ich hätte meiner Zufriedenheit Ausdruck über den Abschluß verliehen und nur bedauert, meinen Anteil von 25 Prozent mit Herrn Strauß teilen zu müssen, fußte einerseits darauf, daß ich als absolut sicher annahm, Herr Braun sei bei dieser Unterredung nicht dabeigewesen, andererseits auf der Tatsache, daß ich mich beim besten Willen an eine solche Äußerung nicht erinnern kann. Nachdem ich es nunmehr nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen kann, daß Herr Braun damals anwesend war, kann ich aus diesem Gesichtspunkt die Unwahrheit der Behauptung des Herrn Braun nicht mehr unbedingt folgern. Ich betone aber ausdrücklich, daß mir, trotz stärkster Anspannung meines Gedächtnisses, eine solche Äußerung nicht erinnerlich ist.« Kapfinger vor Gericht: »Es ist durchaus möglich, daß ich in ironischer Weise das gesagt habe.«
Erstmals trug Kapfinger den Fürther Richtern in diesem Zusammenhang vor, »daß ja Herr Winkel einen Teil meines Anteils beanspruchte«.
Ein Vierteljahr später, vor dem inzwischen eingesetzten Fibag-Untersuchungsausschuß des Bundestages, bestätigte Winkel, er sei »bei Dr. Kapfinger mit 50 Prozent unterbeteiligt«. Kapfinger habe in der Tat gesagt: »Nur schade, daß ich dabei teilen muß«, habe aber ihn, Winkel, damit gemeint: »Dabei schaute er mich so zwinkernd an.«
Und Kapfinger schloß vor den Parlamentariern nun auch mit »absoluter Sicherheit aus, daß ich gesagt habe, ich müsse mit dem Herrn Minister Strauß teilen ... Auch nicht im Scherz«.
Braun und Schloß blieben vor dem Ausschuß bei ihrer Darstellung, daß Kapfinger Franz-Josef Strauß als stillen Teilhaber gemeint habe.
Am 25. Oktober 1962 billigte der Bundestag den Mehrheitsbericht des Untersuchungsausschusses, wonach Minister Strauß in der Fibag-Affäre keine Dienstverfehlungen nachzuweisen waren.
Aber wegen der widersprüchlichen Bekundungen über Kapfingers Äußerungen beschloß der Ausschuß, die Staatsanwaltschaft klären zu lassen, wer falsch ausgesagt hatte. Zusätzlich erstattete Kapfinger seinerseits Strafanzeige wegen falscher Aussage unter anderem gegen Schloß und Braun.
Die Ermittlungen des Bonner Staatsanwalts Potthoff gestalteten sich schwierig, weil Kapfinger durch seinen Anwalt, den CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Friedrich Kempfler, erklären ließ, er sei wegen Krankheit vernehmungsunfähig.
Als Potthoff zu Zeugenvernehmungen nach München reiste, ließ Kapfinger den Staatsanwalt überdies durch den Privatdetektiv Franz Grundschöttel überwachen. Mit dem Vorwurf, Potthoff habe sich in Münchner Lokalen von Gegenzeugen »aushalten lassen«, erstattete der Verleger Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bonner Beamten.
In Wahrheit hatte Potthoff gelegentlich, wenn die Büros des Münchner Polizeipräsidiums geschlossen wurden, seine Vernehmungen -- mit Einwilligung der Zeugen -- nach 17 Uhr in seinem Hotel fortgesetzt. Kapfinger drang mit seiner Beschwerde nicht durch und zeigte den Bonner Ermittler schließlich wegen Begünstigung im Amt und der Verfolgung eines Unschuldigen an, weil Potthoff sich die Aussagen der Kapfinger-Gegner zu eigen gemacht habe.
Nach fünfjährigen Ermittlungen stellte die Bonner Staatsanwaltschaft im November dieses Jahres die Verfahren gegen die von Kapfinger der falschen Aussage Beschuldigten ein.
Um die gleiche Zeit indes unterzeichnete Bonns leitender Staatsanwalt Werner Pfromm die Anklageschrift gegen Kapfinger, Winkel und Pell, der im Auftrag Kapfingers versucht haben soll, Braun von seiner eidesstattlichen Erklärung abzubringen.
Vor allem das Verhalten des Münchner Filmkaufmanns Winkel bestärkte die Anklage in ihrem Glauben, daß Kapfingers Behauptung, er habe mit seiner Teilungsäußerung nicht an Strauß, sondern an Winkel gedacht, nicht stimmen könne. Winkels Aussage hatte sich nach den Ermittlungen im Verlauf der vielen Prozesse, die sich um die Fibag-Affäre rankten, mehr und mehr verändert.
Die Bonner Staatsanwälte stellten fest, daß Winkel noch 1962 in dem Zivilverfahren Strauß gegen Augstein vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Kapfingers Aussage, er habe mit Winkel den Fibag-Gewinn teilen wollen, nicht bestätigte. Der Gerichtsvorsitzende damals: »In dritter Version hat er (Kapfinger) das Ei des Kolumbus aufgetischt, daß sich diese Äußerung nicht auf den Herrn Antragsteller (Strauß) bezogen haben soll, sondern auf Herrn Winkel, Es bestehen erhebliche Bedenken, ob dieses Ei des Herrn Kapfinger nicht taub sei.«
Nach den Bonner Ermittlungen wuchs Winkel -- so im Februar 1962 In einem Verfügungsverfahren Braun! Kapfinger vor der 6. Zivilkammer in München -- immer mehr in die Rolle des Pro-Kapfinger-Zeugen hinein.
Während Winkel anfänglich gesagt hatte, er sei bei Kapfingers umstrittener Teilungsäußerung gar nicht im Raum gewesen, behauptete er schließlich ohne alle Umschweife, selbstverständlich sei er als Teilungspartner gemeint gewesen.
Auf solche Widersprüchlichkeiten gründet die Bonner Staatsanwaltschaft ihre Anklage, Kapfinger und Winkel hätten sowohl vor dem Landgericht München wie vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuß in Bonn falsch ausgesagt.
Die Anklage gegen Pell bezieht sich dagegen nur auf eine falsche Aussage vor dem Bonner Untersuchungsausschuß.
Mit Auskünften über den Stand des Verfahrens ist die Bonner Staatsanwaltschaft zurückhaltend, weil Kapfinger durch seinen Anwalt vortragen ließ, sein Gesundheitszustand sei so besorgniserregend, daß die Nachstellungen ihn umbringen könnten. Allerdings glaubt die Bonner Staatsanwaltschaft selbst nicht so recht an Kapfingers angegriffene Gesundheit, seit sie festgestellt hat, daß der Verleger in seiner »Passauer Neuen Presse« weiterhin regelmäßig lange Leitartikel veröffentlicht.
Als Gegenzug zur Anklageschrift hat Kapfinger jetzt mit der Ankündigung reagiert, er werde auch gegen deren Unterzeichner, den Oberstaatsanwalt Pfromm, Strafanzeige wegen Verfolgung Unschuldiger erstatten.
Oberstaatsanwalt Pfromm: »Dem sehe ich mit Interesse entgegen.«