JUGENDBANDEN Zoff nach Noten
Während in Filmen wie »Quadrophenia« und »The Wanderers« die Jugendbanden der 60er Jahre nostalgisch gefeiert werden, beginnt auf Hamburger Straßen ein Krieg: Teds gegen Punks heißt die Devise.
»Geil, da ist wieder Blut geflossen, da ham wirs den Punkern gezeigt«, brüsten sich Teddy-Boys auf dem Schulhof einer Hamburger Berufsschule. Teddy-Boys, kurz Teds, sind sauber, waschen täglich die Haare, kleiden sich wie ihre Eltern in den 50er Jahren. Und sie hören auch deren Musik. Zu Hause und in der Schule verhalten sie sich artig. Aber nachmittags bei McDonald's hauen sie auf den Putz.
Szenen wie diese sind in den zu Jugendtreffpunkten avancierten Imbißhallen nicht mehr selten: Vier Teds sehen zwei Punks ins Lokal kommen. Ohne ein Wort ziehen sie Messer, fixieren die Punks und säubern mit den Klingen provokativ die Fingernägel. Der Anführer, knapp über 20, steht auf, geht auf die skurrilen Gäste zu; die anderen drei, zwischen 14 und 17, folgen ihm. »Ihr wißt doch, daß ihr hier nicht so rumlaufen dürft!« Die Punks werden aus dem Lokal gezerrt und zusammengeschlagen.
Scharmürzel von Teds gegen Punks laufen in Hamburg schon seit über einem Jahr, aber erst in den letzten Wochen verging kaum ein Tag ohne Schlägereien. Auch anderswo beginnen Jugendliche, zumeist Arbeiterkinder aus den Randgebieten der Großstädte, sich den Banden anzuschließen.
Ihre Vorbilder kommen aus London, wo schon vor Jahren Teds ihre Rock'n'Roll-Nostalgie gewalttätig gegen den Punk verteidigten, der sich als neue Spielart der Rockmusik Mitte der 70er Jahre herausgebildet hatte. Technisch simpel und musikalisch wenig prätentiös, war Punk zunächst ein doppeltes Aufbegehren: gegen die englische Krisen-Gesellschaft und gegen die Hegemonie des artifiziellen Rock. Immer mehr wurde er dann zum Erkennungszeichen einer nihilistischen Jugendkultur.
Violett gefärbte Haare, Hakenkreuze in zerlumpten Kleidern, SS-Runen oder durch die Wange gezogene Sicherheitsnadeln signalisierten den hilflosen Protest der jugendlichen Underdogs; faschistisch allerdings waren die Punks nicht. Gewalt, Kraft und Macht verherrlichten eher die Teddy-Boys, die sich gegen die Punks formierten und für die adrette Ordnung der 50er Jahre schwärmten.
1954 gab es schon einmal eine Ted-Bewegung, und auch sie lebte von Vergangenem: Lange Jacken mit Samtaufschlägen, buntbestickte Westen und Schnürsenkel-Krawatten hatten Oberklasse-Jugendliche der County-Mode vor dem Ersten Weltkrieg abgeguckt. Die Teds verpönten Zigaretten und Alkohol und bestanden auf jungfräulichen Bräuten.
Schlagzeilen machten die Teds erst, als die Mode aus dem vornehmen Londoner Westend von jungen Hilfsarbeitern adaptiert wurde. Ihre Banden verfolgten farbige Einwanderer, bekämpften sich gegenseitig, es kam zu Krawallen und einem Polizistenmord. Die neuen Teds der Bundesrepublik kennen diese Geschichte kaum. Aber Jagd auf Homosexuelle und Ausländer machen auch sie. Statt der langen Jacketts des »Edwardian Age« tragen sie die Baseball-Jacken der 50er Jahre, die Schmalztolle von Elvis und seine »Blue Suede Shoes«. Nur Alkohol verpönen sie nicht. Bevor die Punks verkloppt werden, läßt man sich vollaufen.
Punks sind für sie »dreckige Mülleimer«, »Asoziale«; den Kindern aus sauberen Arbeiterfamilien symbolisieren sie Abstieg. Ein Ted: »Punker quälen, was soll ich sonst tun, da passiert was, da kann man sich drauf freuen. Ist sonst doch nicht auszuhalten zu Hause. Ins Kaufhaus gehen, selber mitknallen, wir haben doch genug Feinde!«
Der harte Kern der Hamburger Teds zählt bereits 400 bis 500 Schüler, Lehrlinge und Arbeitslose. Anfang September kam es zur ersten großen Schlacht, als einige Ted-Banden nach einem Konzert der Punk-Gruppe »The Members« in der Hamburger Markthalle Fans verprügelten, Mädchen zusammentraten und einen 17jährigen Punk auf die U-Bahn-Gleise warfen. Ein Rentnerehepaar konnte ihn eben noch vor dem einfahrenden Zug retten.
Am 27. November dann, wieder spielte eine Punk-Band, hatten die Teds zum Showdown am Hauptbahnhof mobilisiert. Die Polizei sperrte das Gelände und wollte die Provokateure aus dem Verkehr ziehen. Festgenommen wurden indessen vor allem Punks, die so aussahen, wie sich Polizisten den Bürgerschreck vorstellen.
Seitdem prügeln sie sich fast täglich. Ein Punk: »Es gibt bei uns kaum noch einen ohne blaue Flecken oder Narben von abgeschlagenen Bierflaschen.«
Diese Radikalisierung hat die Teds bereits gespalten. Die Fraktion der »Alt Roller«, selten älter als 19, wollen in Ruhe ihre Musik aus den 50er Jahren hören. Für Schlägereien ist ihnen die Kluft schon viel zu kostbar. Verächtlich reden sie über die »Neu-Roller«, denen Rock »n« Roll nur Vorwand zum Zoff sei.
Der Zulauf zu den Gangs hält an. Immer mehr 14- und 15jährige, sogar 12jährige Kinder schließen sich Ted-Gruppen an, in denen ein Führer »ansagt, was Sache ist«. Zum Beispiel als Wochenendübung im Sachsenwald »DDR besetzen«.
Gefährlicher Rechtsradikalismus? Nach einer NDR-Sendung über Punks und Teds schrieb ein 14jähriger aus Braunschweig: »Soll ich mich zu den Punks bekennen oder zu den Teds? Als Punk fällt man mehr auf. Aber als Ted ist man nie allein. Früher oder später gibt es auch in Braunschweig Auseinandersetzungen, und dann möchte ich in jedem Fall einer der beiden Gruppen angehören (ich schlage mich so gerne), doch die Frage ist nur, welcher? Ich komme mir vor wie Jimmy von den Mods aus dem Film »Quadrophenia«.«