PAZIFIK / FÖDERATION Zu verspielt
Der König von Tonga will Kaiser werden -- Kaiser des Pazifik.
Bislang ist Taufu'ahau Tupou, Urenkel des Seemanns Hinrich Meyer aus Neuenschleuse im Alten Land, nur Herr über knapp 70 000 Südsee-Insulaner des britischen Tonga-Archipels. In spätestens fünf Jahren aber wollen sich Poly- und Melanesier, Eurasier und Malaien zu einem großpolynesischen Reich formiert haben. Seine 10 000 Inseln werden ein Bundesgebiet bilden, das 200mal so groll ist wie die Bundesrepublik. Es umfaßt
> die britischen Salomon-, Gilbert- und Ellice-Inseln, die Fidschi-Gruppe, Tonga und Pitcairn, die zentralpolynesischen Sporaden und die Phönix-Inseln,
> die französischen Wallis-, Marquesas-, Tuamotu-, Tubuai- und Gesellschafts-Inseln (darunter Tahiti) und Neukaledonien,
> das französisch-britische Kondominium Neue Hebriden,
> Amerikanisch-Samoa und die übrigen Mandatsgebiete der USA südlich des Äquators,
> Australiens Treuhandgebiete Neuguinea, Papua und Nauru, den Bismarck-Archipel und
> Neuseelands Tokelau- und Cook-Inseln sowie das Eiland Niue. Ein Postdampfer braucht Wochen, um dieses Inselreich zu durchfahren. Hellhäutige Polynesier und dunkelhäutige Melanesier bevölkern es. Die einen ein stolzes Küstenvolk -- können mit ihren Katamaranen bis zu 3500 Kilometer weit segeln; die anderen leben als Bauern oder Jäger im Dschungel. Malaien, Europäer und Chinesen bilden eine Minderheit.
Zum künftigen Staatsvolk gehören die Blumen-Mädchen auf Tahiti und die ehemals kaiserlich deutschen Insulaner auf Samoa, wo noch zu Wilhelms II. Zeiten nur die Taupou, eine jungfräuliche Dorfschöne, die besiegten Feinde mit einem haifischzahnbesetzten Holzschwert enthaupten durfte.
Auf den Cook-Inseln können die Adelsgeschlechter von Rarotonga ihre Ahnenreihen angeblich durch 92 Generationen (etwa 2500 Jahre) verfolgen. Auf den Tonga-Inseln ziehen sich die Abgeordneten für König Taufu'ahau Tupous Parlamentssitzungen Sakko und Binder über einen Grasschurz an.
Ungehemmter als anderswo geben sich die Südsee-Völker der Muße und dem Genuß von Palmenwein hin. Um den trinkfreudigen Eingeborenen wenigstens ein Lebensminimum zu sichern, überweist beispielsweise die Verwaltung der Nickelminen auf Neukaledonien stets die Hälfte des Gehalts direkt an die Ehefrauen der Südsee-Kumpel.
Die meisten Südsee-Faulenzer zahlen keine Steuer. Ihr Pro-Kopf-Einkommen liegt zwischen 1400 Mark pro Jahr auf den Neuen Hebriden und 40 Mark auf der östlichen Insel Pitcairn, wo einst die Meuterer der »Bounty« landeten. Lediglich im Touristen-Paradies Samoa verdienen die Eingeborenen um 2500 Mark im Jahr, und die winzige Phosphat-Insel Nauru hat mit 7000 Mark eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt.
Die Australier boten sich den Insel-Menschen als Entwicklungshelfer an. Allein für die Ausbildung von Tischlern, Mechanikern und Krankenschwestern auf den Fidschi-Inseln, Samoa, der Ellice-Inselgruppe, Tonga und den Neuen Hebriden stellten sie im laufenden Haushalt fast eine Million Mark bereit.
Australien fühlt sich auch -- neben Neuseeland -- als Protektoratsmacht der künftigen »Südpazifischen Föderation«. Anfang 1968 wollen Australiens Premier Holt und Neuseelands Premier Holyoake gemeinsam durch die Südsee fahren und für Großpolynesien trommeln. Washington hat nichts gegen den neuen Bund, sofern Australien und Neuseeland ihn aus dem Kraftfeld Rotchinas und Indonesiens halten. Unter den gleichen Bedingungen ist England bereit, sich aus seinen Südsee-Besitzungen zurückzuziehen.
Nur Frankreichs Staatspräsident de Gaulle torpedierte bislang die Pläne der Südsee-Brüder. Denn im nächsten Jahr will de Gaulle auf dem Tuamotu-Archipel, 1280 Kilometer südöstlich von Tahiti, seine erste Wasserstoffbombe zünden.
Bis dahin hofft Tonga-König Tupou schon Majestät des Südpazifik zu sein. Nach dem Tod seiner 240pfündigen Mutter Salote 1965 zur Macht gekommen, will der Monarch im Juli seine Krönung feiern. Geladene Gäste: die Premiers Holt und Holyoake, Königin Elizabeth, Indira Gandhi und Lyndon B. Johnson.
Doch schon treten Widersacher auf. Raymond Tapa, der Sprecher der Melanesier, winkte ab: »Wir brauchen Führer, die was von Politik verstehen, König Tupou ist zu verspielt.«