BANKEN / ABS-NACHFOLGE Zu zweit
Er buchstabiert seinen Namen »A wie Abs, b wie Abs, s wie Abs«. Es wurde der Vorname der Deutschen Bank AG und des deutschen Bürgers Synonym für Macht und Glanz des Kapitals. Jetzt tritt Hermann Josef Abs ab: Am 30. Mai dieses Jahres verläßt er den Vorstand der Deutschen Bank.
Pünktlich mit 65 Jahren, wie es die Gepflogenheit seines Hauses verlangt, wird der Vorstandssprecher des größten westdeutschen Geldkonzerns auf der Hauptversammlung neuen Leuten Platz machen. Künftig, so ein Bankier, »spricht die Deutsche Bank doppelzüngig«. Der zehnköpfige Vorstand wird zwei Sprecher haben:
* Dr. Karl Klasen, 57, Leiter der Hamburger Zentrale der Bank;
* Franz Heinrich Ulrich, 56, Leiter der Düsseldorfer Zentrale.
Mit dem neuen Regiment soll auch das Unternehmen neu geordnet werden. Die Deutsche Bank ist mit rund 18 Milliarden Mark Bilanzsumme zu riesenhaft geworden, als daß sie sich noch mit drei Zentralen und einem dreifach geteilten Vorstand regieren ließe. Deshalb wird auf lange Sicht die Unternehmensspitze in Frankfurt zusammengezogen.
Dr. Klasen sieht »künftig das Schwergewicht meiner Tätigkeit« am Main, Kollege Ulrich bleibt vorerst noch in Düsseldorf. Klasen: »Es ist schwierig, eine große Bank zu führen, wenn nicht alle am selben Platz sitzen. Man muß sich täglich sehen.«
Abs hatte das nicht gestört. Er war seit 1938 im Direktorium der Bank, war mit ihr und schließlich über sie hinausgewachsen. Der geborene Bonner, der nach dem humanistischen Abitur und einem Semester Jura nur noch in Banken arbeitete, hatte sein eigenes Schwerefeld entwickelt.
Konrad Adenauer schätzte seinen Rat. Bei häufigen Zusammenkünften in Rhöndorf, an denen auch Privatbankier und Adenauer-Freund Robert Pferdmenges teilnahm, wurde Wirtschaftspolitik vorbereitet. Häufig saß Abs auf Adenauers Wunsch beratend mit am Kabinettstisch.
Aber da fühlte er sich nicht in angemessener Gesellschaft. Abs einmal vor Freunden: »Da keiner vom Kabinett anwesend ist, brauche ich den Unterschied zwischen Zinsen und Tilgung ja nicht zu erklären.«
Er hätte schon 1953 ins Auswärtige Amt einziehen können, und nach Ludwig Erhards Wahlsieg 1965 schlug ihn Bundespräsident Lübke wiederum für diesen Posten vor. Da aber hatte er weniger Lust als je zuvor, denn von Erhard hielt er wenig.
Abs im Frühjahr 1965: »Geben Sie mir eine stabile Regierung, und Sie haben auch stabile Kurse an der Börse.« Ihm wird die Bemerkung zugeschrieben, höchstes Glück des Honorarprofessors Erhard sei es, von einem »richtigen Professor mit »Herr Kollege'« angeredet zu werden.
Das Selbstbewußtsein und der im stillen ausgeübte Einfluß des Bankiers wurden den Deutschen nachgerade unheimlich. Bei 49 Unternehmen von Daimler-Benz und Karstadt bis zur Porzellanfabrik Kahla machen die Beteiligungen des Abs-Instituts laut Bilanz im ganzen rund eine Milliarde Mark aus; über zwölf Milliarden Mark Kredite hatte die Deutsche Bank 1966 ausgeliehen. Abs saß in 30 Aufsichtsräten; gefragt, ob ein Manager damit nicht überfordert sei, antwortete er: »Andere vielleicht, ich nicht.«
Als der Bundestag 1965 ein neues Aktiengesetz verabschiedete, das die Zahl der Aufsichtsratsmandate auf zehn pro Kopf beschränkte, wußte jeder in Bonn, auf wen es zielte: Das Gesetz wurde »Lex Abs« getauft.
Dem neuen Sprechergespann ist klar, daß die Nachfolge nicht eben leicht sein wird. Franz Heinrich Ulrich: »Nach einem so berühmten Mann trägt es sich zu zweit leichter. Mancher, der zu Herrn Abs von selbst gekommen ist, wird vielleicht von uns erst mal einen Besuch erwarten.«
Ulrich ist seit 1936 bei der Deutschen Bank und genoß von 1941 bis 1945 als persönlicher Mitarbeiter des Meisters die Abs-Schulung. Er hat sich im Westen der Bundesrepublik, wo 40 Prozent der Geschäfte der Deutschen Bank abgewickelt werden, eigenes Renommee verschafft. Seine Höchstzahl von 23 Aufsichtsratssitzen hat er zwar schon »degressiv« (Ulrich) auf 15 abgebaut, aber er beaufsichtigt immer noch Unternehmen wie Mannesmann, Siemens, den Maschinenkonzern Demag, die Allianz-Versicherung und das Tabakunternehmen Brinkmann.
Ulrich ist geborener Hannoveraner. Seine Vorfahren betrieben in der thüringischen Kleinstadt Apolda eine Glockengießerei, in der einst Friedrich Schiller Anschauungsmaterial für sein »Lied von der Glocke« sammelte. Zigarrenraucher Ulrich, der in der Freizeit mit seinen zwei Schäferhunden wandert, hat gelegentliche Berührungen mit der Politik nicht gescheut. So sitzt er im Aufsichtsrat der Deutschen Entwicklungsgesellschaft in Köln, die mit Bundesgeld Industrieprojekte in Entwicklungsländern fördert. Ulrich gehörte auch zu einem Kreis von neun Wirtschafts-Prominenten, der im Sommer vorigen Jahres dem CDU-Politiker Rainer Barzel in der Düsseldorfer Privatwohnung des früheren Bundesfinanzministers Franz Etzel eine Vorlesung hielt. Thema: Auf dem Erhard-Kurs könne es mit der Bonner Wirtschaftspolitik nicht weitergehen.
Seinen Mit-Sprecher Dr. Klasen kennt Ulrich gut aus der Zeit, als sie in den fünfziger Jahren gemeinsam im Vorstand der Zentrale Hamburg saßen. Klasen dient der Deutschen Bank seit 1935.
Der Hanseat paßt gut ins neue politische Klima: Er ist SPD-Mitglied und ein guter Freund des Bonner SPD-Wirtschaftsministers Karl Schiller. Mit Hamburger Bürgersinn übernahm er Ehrenämter für Krankenhäuser und den Vorsitz des Elternrats der Albert-Schweitzer-Schule, die seine drei Kinder besuchten.
Zweimal engagierte sich Klasen entscheidend in Hamburgs Nachkriegswirtschaft. Als der Reeder Behrend Schuchmann 1958 versuchte, die
Traditionsreederei Hapag an sich zu bringen, setzte es Klasen durch, daß die an der Hapag beteiligte Deutsche Bank
den Angriff abschlug. Im vergangenen Jahr arbeitete Klasen auf eine Fusion der Hamburger Werften Howaldt und Stülcken hin. Die schon weit gediehenen Pläne wurden durch den Entschluß der Werft Blohm + Voss, Stülcken zu kaufen, in letzter Minute durchkreuzt.
Im Team mit Ulrich wird Klasen von seinem künftigen Frankfurter Hauptsitz aus die Verbindung zur Deutschen Bundesbank und zur größten westdeutschen Börse pflegen. Der Düsseldorfer hält den Kontakt zum Bundesverband des privaten Bankgewerbes in Köln und zur Schwerindustrie. Bonn wollen sie sich gemeinsam vornehmen.
Für Vorgänger Abs steht schon ein gewohnter Sessel bereit: Er löst Erich Bechtolf, 76, als Auf sichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank ab. Der Sitz von Abs im Vorstand wird vorerst nicht neu vergeben.
Das begründete der Alt-Sprecher vor dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank:« Wir machen Ihnen für die Neubesetzung des Vorstands keinen Vorschlag, da durch mein Ausscheiden keine Lücke entsteht.«