SPD-FUNKTIONÄRE Zusätzlicher Kugelkopf
So soll er sein; politisch gebildet, angesehen, kontaktfähig und zur Leitung eines Büros geeignet.
Aber so ist er: mangelhaft ausgebildet, schlecht ausgestattet und von »geringem Kurswert«; sein Kenntnisstand: »Von vielem ein bißchen, aber von keinem viel.«
Soll und Haben des hauptamtlichen SPD-Funktionärs hat eine vom Saarbrücker Parteitag im vergangenen Jahr eingesetzte Arbeitsgruppe »Probleme der Parteiorganisation« ermittelt. Unter Leitung von Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Wischnewski entwickelten zwölf erfahrene Genossen ein Berufsbild des gemeinen SPD-Geschäftsführers und ein Modell des idealen Unterbezirksbüros.
Der außerordentliche Parteitag im Herbst dieses Jahres in Bonn soll nun darüber beschließen, wie der SPD-Bürokrat der Zukunft aussieht. In ihren »Zielforderungen« verlangen die Partei-Kommissare vom Sekretär 71 drei Qualifikationen, die freilich jeden SPD-Politiker auszeichnen müßten:
* »wertbezogenes und problemorientiertes Verhalten und Integrationsvermögen auf der Grundlage des demokratischen Sozialismus«;
* »Sach- und Fachkenntnisse im Felde
der Politik«;
* »Entscheidungs-Fähigkeit und -Willigkeit im Rahmen klarer Kompetenzen«.
Voraussetzung einer effektiven Funktionärsarbeit, so fanden die Problemforscher heraus, ist eine Reform der Parteiorganisation. Ziel: Die hauptamtlichen Mitarbeiter sollen sich künftig weniger um die Vorstandsgeschäfte, aber mehr um die einfachen Genossen und die Wähler kümmern: »Die starke Konzentration der Leistungen auf und für Funktions- und Mandatsträger und die damit verbundenen Abhängigkeiten« müßten abgebaut werden.
Vor allem aber verdienten die sozialdemokratischen Parteikader »die Gewißheit gleichartiger berufsfördernder Behandlung«. Sie sollen in einer Volontärzeit auf ihre Tätigkeit vorbereitet, ständig weitergebildet und beim »sozialadäquaten Ausstieg aus der Parteiarbeit« unterstützt werden. Auch müßten alle professionellen Funktionäre einheitliche Sozialleistungen bekommen.
Klaus Flegel, Chef der Abteilung Organisation beim Parteivorstand, fürchtet um Nachwuchs: »Es ist uns zwar bisher immer gelungen, engagierte Genossen zu finden. aber das kann ja mal anders werden.«
Engagierte Mitarbeiter fand die Partei in der Vergangenheit überwiegend in den Reihen sozialdemokratischer Hilfsorganisationen, vor allem beim sozialistischen Jugendverband »Die Falken«.
So stammt fast die Hälfte aller rund 500 hauptamtlichen Funktionäre in 220 Unterbezirken und 22 Bezirken aus dem SPD-nahen Jugendverband. Auch der Organisationschef Flegel selber war fünf Jahre lang Falken-Vorsitzender.
Da die unteren Gliederungen der SPD entsprechend den Geboten innerparteilicher Demokratie bei der Einstellung von Mitarbeitern völlig souverän sind und ein Funktionärs-Leitbild bislang fehlt, ergeben sich zuweilen Qualitätsunterschiede bei den Geschäftsführern.
Auch in der Bezahlung haben die Bezirke und Unterbezirke freie Hand. Die Baracke empfiehlt ihnen lediglich den Haustarif für Angestellte des Deutschen Gewerkschaftsbundes als Bemessungsgrundlage. So verdienen regenwärtig hauptamtliche SPD- Funktionäre in den Bezirken zwischen 1300 und 1700 Mark im Monat.
Zentrale Vorbereitungskurse für den Parteijob gibt es nicht, und spezielle Weiterbildungs-Chancen für die Berufs-Genossen fehlten bis vor einem halben Jahr. Seither veranstaltet die Partei-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bergneustadt Wochenkurse für Geschäftsführer.
Damit es dem idealen Funktionär nicht an technischen Mitteln fehle, legt die Arbeitsgruppe dem nächsten Parteitag zugleich das Modell einer idealen Unterbezirks-Geschäftsstelle vor.
Vom VW 1600 ("45 Ps, mit eingebautem Radio mittlerer Qualität") über eine IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine »mit einem zusätzlichen Kugelkopf anderer Schriftart« und einer Bürodruckmaschine Roto 611 kompl.« enthält die Ausstattungs-Liste 23 Positionen zu einem Gesamtpreis von 32 541,03 Mark -zusätzlich 3579,51 Mark Mehrwertsteuer.