DIPLOMATIE Zwischen den Sesseln
Seit Don Antonio Maria Aguirre Gonzalo sich in seinem goldbestickten Uniformfrack, mit dem Kreuz des Christus-Ordens auf der Brust, Dreispitz und zierlichem Kavaliersdegen in der Linken, in der Villa Schaumburg dem Bundespräsidenten als Botschafter Spaniens präsentierte, erwartet sein Staatschef. Don Francisco Franco, Verweser des Königreichs Spanien, in Madrid einen Botschafter der Bundesrepublik. Er wartet seit fast sechs Monaten.
Mit ihm warten die deutsche Kolonie in Spanien und alle deutschen Unternehmen, die wieder Handel mit Spamen betreiben oder betreiben wollen. Obwohl die Bundesrepublik mit Spanien einen Handelsvertrag abgeschlossen hat (paraphiert im November 1951 in Madrid, unterzeichnet in der vergangenen Woche) und Franco sich um die Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen bemüht zeigte, fährt der spanische Fiskus fort, deutsches Eigentum zu liquidieren. Deutsches Vermögen steht weiter unter Sequester und Bankkonten deutscher Handelsvertreter werden oft sofort nach Erfassung blockiert.
Das soll erst aufhören, sobald ein deutscher Botschafter die Sache der Freundschaft zwischen Spanien und Deutschland in die Hand nimmt, heißt es in Madrid und Bonn. Franco und die Deutschen in Spanien werden sich trotzdem noch einige Zeit gedulden müssen, bis ein Botschafter der Bundesrepublik den Escorial betritt.
Bis jetzt hat Konrad Adenauer noch keinen Mann gefunden, der als Nachfolger des großdeutschen Botschafters Dr. Eberhard von Stohrer die delikaten deutschspanischen Beziehungen in Madrid wieder anknüpfen könnte. Stohrer selbst darf es nicht sein, obwohl das Auswärtige Amt sich seiner - er wohnt in Madrid - in den privaten Bemühungen um die Rückgabe des deutschen Botschaftsgebäudes bedient hat.
Es soll ein Mann sein, der nicht durch das Dritte Reich kompromittiert ist, aber
auch kein kämpferischer Bekenner der Bürgerfreiheit und der Republik; er muß gegen falangistische und - in der deutschen Kolonie - nationalsozialistische Ideen immun sein; er darf für die Sympathien der verkappten Revolutionäre und der radikalen Royalisten nicht empfindlich sein; in seiner Person darf sich der Gedanke an den deutschen Beitrag im spanischen Bürgerkrieg nicht beleben, nicht an die Legion Condor und noch weniger an die Internationale Brigade. Deshalb war Konrad Adenauers öffentliches Angebot an die deutschen Sozialdemokraten, den Botschafter für Madrid vorzuschlagen, weder ernsthaft noch geschmackvoll.
Der deutsche Botschafter soll auch katholisch sein, und zwar strenger als Dr. Fritz Oellers, der nach Buenos Aires ging. Er muß das Wesen der Kirche Spaniens verstehen können oder doch verstehen lernen können, ohne gleich ein Klerikaler zu sein. Er muß ein Meister des Spanischen sein und ein echter Diplomat. Das sind die Sorgen, die Konrad Adenauers Personalreferent mit dem Botschafter in Madrid hat.
Einen weiteren Unsicherheitsfaktor steuert die alliierte Hohe Kommission bei, die noch immer ein formelles Interventionsrecht in die Entsendung von diplomatischen Vertretern der Bundesrepublik ins Ausland hat. Im Falle Spaniens könnte sie davon Gebrauch machen. Denn auch Großbritanniens konservative Rechte hat noch keinen Botschafter nach Madrid entsandt.
Bei den Gepflogenheiten der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes ist die Wahl des Botschafters nicht unabhängig von der Auswahl seiner nächsten Mitarbeiter. Ohne einen einwandfreien Persilschein des Untersuchungsausschusses des Bundestages will die Personalabteilung aber keinen betroffenen Beamten mehr ins Ausland schicken - eine für einen Verdächtigen vorgesehene Position aber offenhalten.
Deshalb wird erwogen, einen Mann zu entsenden, der schon einen Botschafterposten bekleidet, nachdem sich die Kandidatur des Josef Ernst Fürsten Fugger von Glött, Bundestagsabgeordneten der CSU, schon seit langem zerschlagen hat. Genannt wird jetzt der deutsche Botschafter in Rom, Clemens von Brentano.
Aber das hat noch seine Weile. Erst muß man einen Nachfolger für Rom finden. Schließlich gibt es außerdem noch ein Botschafteramt, das Konrad Adenauer bisher nicht besetzen konnte und das Clemens von Brentano nach Meinung mancher in der Koblenzer Straße, Bonns »Wilhelmstraße«, wohl anstünde, wenn man wirklich keinen Protestanten schicken sollte: im Vatikan. (Auch hierfür wurde Fürst Fugger von Glött lange genannt.)
So wird wahrscheinlich kein Name für Madrid dabei sein, wenn der Bundeskanzler und Außenminister im Februar seine nächste Ernennungsliste im Kabinett vorlegen wird, und deutsches Vermögen in Spanien wird weiter unter Sequester bleiben.
Während für Madrid noch keine Lösung gefunden wurde, ist eine andere Schwierigkeit überwunden: Kairo. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Aegypten und die Eröffnung von Konsulaten ist für den deutschen Nahosthandel sehr wichtig. Aegypten drängt seit Monaten. Aber als der Konflikt zwischen England und Aegypten ausbrach, kam Bonn in eine prekäre Lage.
Die Bundesrepublik kann keinen Botschafter zu König Faruk senden, seit er sich zum König über den Sudan ausgerufen hat, der britisches Protektorat ist. Der britische Hohe Kommissar in Deutschland
würde wohl Einspruch erheben - und wenn nicht, würden die Briten Deutschland die Anerkennung Faruks als Sudanesenkönig womöglich sehr verübeln.
Faruk im Beglaubigungsschreiben nur als König von Aegypten anzureden, wäre unmöglich, wahrscheinlich würde er den Botschafter nicht empfangen oder die Entgegennahme der Beglaubigung verweigern. Den Stolz der ohnehin von der Suezhysterie in einen Zustand krankhafter Erregung versetzten Aegypter zu verletzen, wäre eine Torheit mit bösen Folgen für Deutschland.
Aber das Auswärtige Amt hat einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden. Die Bundesrepublik wird einen außerordentlichen Bevollmächtigten im Range eines Botschafters nach Kairo schicken. Außerordentliche Bevollmächtigte und Geschäftsträger werden nicht beim Staatsoberhaupt, sondern beim Minister des Aeußeren akkreditiert. Und die ägyptische Regierung nennt sich noch immer, den Tatsachen gehorchend, nur Königlich Aegyptische Regierung. Vorgesehen und ziemlich sicher für das Amt ist Dr. Günter Pawelke, gegenwärtig in der Personalabteilung des Auswärtigen Amts Referent für Wirtschaftsvertreter und Handelsattachés des Auswärtigen Dienstes.
Ein Dilemma eigener Art ist die Besetzung des Amtes des Gesandten in Bern. Es ist weniger ein Problem des Auswärtigen Amtes als ein CDU - Problem. Einziger bisher genannter ernsthafter Kandidat ist Dr. Friedrich-Wilhelm Holzapfel, Handwerkskammer-Syndikus a. D., zweiter Vorsitzender und verhinderter Generalsekretär der CDU, Bundestagsabgeordneter für den nordrhein-westfälischen Stimmkreis Warburg-Höxter-Büren.
Friedrich-Wilhelm Holzapfel ist ein Opfer des Persönlichkeitswahlrechts. Er ist direkt gewählt. Sein Ausscheiden aus dem Bundestag würde eine Nachwahl notwendig machen, die heute von der SPD mit der Parole gegen Adenauers Militärpläne geführt und trotz guter westfalen-katholischer Wähler von Höxter und Büren Ueberraschungen bringen könnte.
Friedrich - Wilhelm Holzapfel ist aber auch ein Opfer seiner Parteiwürde. Als Vorsitzender der CDU müßte ein Nachfolger vom Bundesparteitag gewählt werden. Vor allem aber ist er ein Opfer seiner sich widersprechenden Ambitionen: Er wollte immer der erste Rudergänger am Parteisteuer sein; solange noch Aussicht besteht, kann er sich nicht recht entschließen, dem Kurt Kiesinger zu weichen, der schon in Goslar beinahe zum Generalsekretär gewählt worden wäre.
So sitzt er in Bonn zwischen dem Sessel des Parteiführers und dem des Gesandten in Bern. Bis zum Beginn des letzten Wochenendes hatte er sich noch nicht entschieden. Bis er sich entscheiden wird, werden die Eidgenossen noch auf einen deutschen Gesandten warten müssen. Das ist um so schmerzlicher, als auch der designierte deutsche Generalkonsul für Basel, Theophil Kaufmann, den Carlo Schmid »Rasputin mit Methodistenhut« nannte, noch in Bonn wegen Etatschwierigkeiten antichambriert.
Dafür werden die Türken aber wahrscheinlich nicht auf einen deutschen Botschafter warten müssen, wenn sie erst einmal einen Botschafter nach Bonn entsenden. Der Bremer Staatsrat Dr. Wilhelm Haas, bis vor kurzem (erster) Chef der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes, ist als Botschafter für Ankara vorgesehen. Kurt Sahin von Kamphoevener soll Generalkonsul in Ankara bleiben oder eine andere Verwendung finden. Man weiß es noch nicht so genau. Vielleicht muß er nicht einmal weit reisen. Denn in Athen wird möglicherweise eine Botschaft frei.
Nicht wenige rechnen in der Koblenzer Straße damit, daß Werner von Grundherr, Botschafter beim König von Griechenland, über die Klinge springen wird. Man wirft ihm vor, während der deutschen Besatzungszeit in Dänemark und Norwegen der SS aufschlußreiche Hinweise für Deportationen gegeben zu haben.
Außerdem soll er, wie Michael Mansfeld, der in der »Frankfurter Rundschau« AA-Leute angriff, vor dem darauf eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß behauptete, an der Planung eines handfesten Gangsterstückes beteiligt gewesen sein, an dem Plan für einen Ueberfall auf die norwegische Botschaft in Schweden durch Agenten der SS, um Dokumente zu stehlen.