Julia Pengler: »Noch gucke ich ein wenig ängstlich in die Zukunft«
Julia Pengler: »Noch gucke ich ein wenig ängstlich in die Zukunft«
Foto: Alexandra Polina

Neues Jahr, neue Chance Was wünschen Sie sich für 2021?

Nur noch ein paar Tage – und 2020 ist vorbei. Endlich? Neun Menschen verraten, wie sie auf die kommenden Monate blicken – und wonach sie sich sehnen.
Von Lesley Sevriens und Alexandra Polina (Fotos)
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Stephan Thiel, 29, freiberuflicher Grafikdesigner und Student

»Ich habe 2020 mein altes Studium abgeschlossen, ein neues begonnen, und ich bin umgezogen. Es gab also viele Veränderungen in meinem Leben. Vor dem ersten Shutdown habe ich in einem Kino und einer Bar gearbeitet. Von Februar bis Mai habe ich Hartz IV beantragt und war sehr viel zu Hause. Für 2021 wünsche ich mir eine Rückkehr zur Normalität. Dass wir wieder rausgehen können und die Freiheit haben, machen zu können, was wir wollen. Was mir wirklich sehr fehlt, sind Ausstellungen, die ganze Klubkultur, Bars und Kinos. Außerdem wünsche ich mir, besser in Hamburg anzukommen. Mir fehlen Begegnungen, Leichtigkeit, Spontanität und neue Kontakte. Das alles ist sehr wichtig für mich.«

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Isabelle Mann, 27, Strickdesignerin

»2020 war ein turbulentes Jahr, das für mich zunächst mit viel Unsicherheit verbunden war. Weil ich meinen eigenen Laden noch nicht so lange – und bisher auch keine Angestellten – habe, kann ich zum Glück nicht so tief fallen. Neben der Unsicherheit ist jedoch auch viel Positives entstanden: Es sind viele Menschen, wie etwa Models und Fotografen, auf mich zugekommen, die ansonsten wahrscheinlich keine Zeit gehabt hätten, ein gemeinsames Projekt zu starten. Für 2021 wünsche ich mir, dass dieser Zusammenhalt bleibt und dass man sich auch weiterhin nach den anderen umschaut. Und dass nicht jeder wieder nur sein eigenes Süppchen kocht.«

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Lucas Mainka, 37, Musiker

»2020 war ein totales Auf und Ab, weil so vieles von dem, was ich mir vorgenommen hatte, nicht stattfinden konnte. Gemeinsam mit Freunden habe ich die Band ›Olympya‹. Früher haben wir Rap gemacht, inzwischen machen wir eine Mischung aus New Wave, Punk und Eighties-Sound. Im Februar 2021 veröffentlichen wir unser erstes Album. Deswegen wünsche ich mir, dass eine gewisse Normalität einkehrt, und dass zumindest unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen wieder Konzerte stattfinden können.«

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Gamal Ahmed, 37, Geschäftsinhaber

»2020 war sehr schwierig für mich, weil so viel passiert ist. Das Geschäft läuft nicht so gut, wir haben zwischen 30 und 50 Prozent weniger Einnahmen. Privat ist es sehr schwierig, weil meine Frau mit unseren beiden Kindern in Ägypten ist. Sie hatte Anfang November eine Herzoperation. Zwar telefonieren wir jeden Tag. Aber Videoanrufe sind etwas ganz anderes, als sich live zu sehen. Ich hatte eigentlich geplant, Anfang Januar zu ihr zu fliegen. Aber jetzt wurde der Shutdown ja noch mal verlängert, und die Situation in Ägypten ist wegen Corona gerade auch sehr schwierig. Für 2021 hoffe ich, dass sich die Situation weltweit ändern wird. Und mehr als alles andere wünsche ich mir, dass ich meine Frau ganz schnell wieder sehen kann.«

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Kalé, 65, obdachlos

»2020 ist definitiv das schlimmste Jahr, das ich je erlebt habe. Ich habe meine geliebte Hündin verloren, sie ist am 1. Februar gestorben. Ich habe drei Familienmitglieder verloren, sie sind an oder mit Covid-19 gestorben. Ich hingegen versuche, mich fit zu halten, körperlich und auch mental. Vor allem Meditieren hilft mir, meine Gedanken zur Ruhe zu bringen. Ich wünsche mir, dass wir Menschen uns daran erinnern, dass es Kinder gibt – und dass wir ihnen zuliebe Verantwortung übernehmen müssen. Meine Generation hat es total vermasselt, und das tut mir unendlich leid.«

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Julia Pengler, 40, Poledance-Trainerin

»Ich empfinde diese Zeit nach wie vor als sehr schwierig. Derzeit halte ich mich vor allem mit meinen Online-Klassen über Wasser – nicht nur finanziell, sondern auch als Beschäftigung. Die Kurse helfen mir, mich abzulenken und nicht die ganze Zeit Nachrichten zu gucken. Für 2021 wünsche ich mir, dass ich wieder das machen darf, was mir in den vergangenen Jahren so viel Spaß gemacht hat und mir in diesem Jahr genommen wurde. Noch gucke ich ein wenig ängstlich in die Zukunft. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es für uns noch länger dauern wird, bis wir wieder öffnen können.«

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Luka Rothmann, 57, Feldenkrais-Lehrerin (mit Fips, 1,5)

»2020 hat mir eine Menge klargemacht. Nämlich, was ich in Zukunft möchte und was ich nicht mehr möchte. In den vergangenen 15 Jahren war ich Gastronomin. Das möchte ich nicht mehr machen, da mir die zwischenmenschlichen Kontakte in dieser Branche zu oberflächlich sind. Zudem wird die viele Arbeit, die dahintersteckt, überhaupt nicht gesehen und somit auch nicht wertgeschätzt. All das hat mich motiviert, eine Feldenkrais-Ausbildung zu machen und mich komplett umzuorientieren. Für 2021 wünsche ich mir sehr viel mehr Ruhe, Gelassenheit und wertvolle menschliche Kontakte.«

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Natias Neutert, 79, Autor und Künstler

»Corona, dieses kleine Virus, hat uns gelehrt, dass es menschliche Arroganz ist zu glauben, wir hätten alles im Griff. Meine Philosophie lautet: Wenn ich aus dem Haus gehe, hat die ganze Welt den Tisch für mich gedeckt. Der Busfahrer ist eine Stunde vor mir eingestiegen. Die Barista hat die Kaffeemaschine für mich angeworfen. Immer sind Menschen da, die die Welt für uns alle zubereiten. Ich wünsche mir deswegen, dass es anderen ähnlich gut geht wie mir. Dass die Reichen mehr Steuern zahlen. Dass ›Fridays For Future‹ noch erfolgreicher werden. Wir haben nur diese eine Erde. Und wenn die kaputtgeht, dann nutzen uns sämtliche Diskussionen darüber, ob unsere Grundrechte eingeschränkt werden, herzlich wenig.«

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Sabrina Tepp, 39, Krankenschwester

»Gestartet ist das Jahr 2020 mit einem Highlight: Mein Freund und ich haben ein Holzhaus im skandinavischem Stil gebaut und sind im März eingezogen. Dann kam das Coronavirus und hat alles verändert. Auf der Arbeit war die Hölle los. Ich bin auf die Isolierstation gegangen und habe dort Covid-Patienten betreut. Für 2021 wünsche ich mir, dass es mir gelingt, gesünder zu leben. Ich muss unbedingt mit dem Rauchen aufhören. Und dann wünsche ich mir, dass sich die Menschen ein bisschen beruhigen. Ich habe das Gefühl, dass viele unfreundlich, egoistisch oder genervt sind. Das Miteinander draußen auf der Straße oder im Supermarkt gefällt mir nicht. Kaum einer lässt Blickkontakt zu, jeder ist bloß noch bei sich. Ich wünsche mir, dass das im nächsten Jahr wieder besser wird.«

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Stefan Sandrock, 44, Freelancer in der Medienbranche

»2020 war ein sehr ambivalentes und eigenartiges Jahr. Den ersten Shutdown fand ich phasenweise richtig hart. Dafür habe ich mich aber endlich um meine Altersvorsorge gekümmert, das war positiv. Für 2021 wünsche ich mir, dass wir alle uns wieder freier bewegen können. Es wäre schön, wenn alles wieder ein bisschen normaler abläuft. Ich mag beispielsweise große Gruppen. 2018 etwa haben wir einige große, runde Geburtstage gefeiert, mit teilweise bis zu 150 Leuten. Auf solchen Veranstaltungen fühle ich mich total wohl.«

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