Maack, Jahrgang 1978, veröffentlichte den Erzählband "Monster"; beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb erhielt er 2013 den 3sat-Preis. Sein neues Buch "Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein" erscheint jetzt bei Suhrkamp. Maack arbeitet als Redakteur im Deutschland-/ Panorama-Ressort des SPIEGEL.
In der Nacht bevor ich in die Klinik ging, stand mein Sohn Theo in der Wohnzimmertür. Ich schlief da schon lange nicht mehr richtig, ich verbrachte da schon lange die Nächte auf dem Sofa, während meine Gedanken sich in Abwärtsspiralen aus Selbsthass, Scham und Selbstvorwürfen drehten. Kurz zuvor hatte ich verstanden, dass es wirklich nicht mehr ging. Ich musste ins Krankenhaus.
"Papa."
Er stand ein paar Schritte entfernt im Dunkeln, ein schmaler Schatten, ein kleiner Mensch, fünf Jahre alt. Niemand, der sich um seinen Vater sorgen sollte. Jemand, der geliebt werden sollte, der sich ganz sicher sein sollte, dass sein Vater für ihn da ist. Aber das konnte ich nicht mehr. Meine Liebe war hohl und leer. Ich hasste mich dafür, und mir war klar, dass dieser Hass nichts besser mache, nur schlimmer. Und auch dagegen konnte ich nichts mehr tun.
"Na komm, schlüpf rein, mein lieber Bär", zwang ich mich zu sagen, weil ich vermutete, dass diese Worte die richtigen waren.
Theo legte sich zu mir unter die Decke. Er zögerte kurz, als hätte er Angst, etwas falsch zu machen. Als würde er fürchten, er könne seinen Papa endgültig kaputt machen. Dann drückte er sich so fest an mich, dass ich Angst bekam, er würde sich wehtun. Er nahm meinen Arm und schlang ihn um sich, presste seinen Kopf fest an meine Brust. Als wäre es schwer, meinen Herzschlag zu hören, als müsste er sich vergewissern, dass ich noch da drin war.
Ich hatte Tränen in den Augen. Nicht weil ich so gerührt war, dass er kam, um sich zu verabschieden. Ich weinte. Aber ich weinte um mich, um den Benjamin, der in diesem Moment nicht das Richtige fühlte, der gar nichts fühlte. Ich hielt diesen Jungen in meinen Armen, der mich offenbar sehr liebte, und mir fiel nichts ein außer Selbstmitleid. Theo drückte sich an mich, und in meinem Kopf war nur ich. Oder das, was von mir übrig war.