

Frauen in der Pandemie Chaos innen und außen

Maria Sturm hat sich selbst fotografiert. Als sie schwanger wurde, kurz vor dem ersten Lockdown, fing sie damit an. Die Kamera bedient sie über eine App auf ihrem Handy. Auch ihre Aufnahmen sind Teil einer Ausstellung , die noch bis zum 3. Oktober auf einer 85 Meter langen Plakatwand in Berlin zu sehen ist. Insgesamt 24 Berliner Fotografinnen zeigen unter dem Schlagwort #womenincovid ihre Werke, die die Lebenswirklichkeit von Frauen in der Krise eingefangen haben.

Wie sieht die Realität für junge Ärztinnen aus, die 2020 in ihr Berufsleben starteten? Das hat die Fotografin Maidje Meergans, Jahrgang 1991, in ihren Bildern festgehalten. Sie geben Einblicke in ein Arbeitsumfeld, das in den vergangenen anderthalb Jahren für viele Mediziner und Medizinerinnen so belastend war wie selten zuvor.

Doro Zinn hat zwei Töchter aus türkischen Gastarbeiterfamilien begleitet. Eine erzählt, dass ihre Tante mit Covid-19 ins Krankenhaus gekommen sei. »Die arme Frau, sie ist alt und nimmt alle möglichen Medikamente, jetzt hat sie das Virus erwischt«, sagt sie. »Angesteckt hat sie sich bei ihrem Mann, der Kellner ist. So wie ich. Deshalb erlauben mir meine Eltern nicht, sie zu besuchen. Auch nach über einem Jahr nicht. Ihre Angst ist viel zu groß. Irgendwo kann ich sie verstehen. Mir macht die ganze Veränderung auch Angst.«

Princella aus Ghana wurde für die Serie »Hebammen« von Julia Steinigeweg und Verena Brüning fotografiert. Wie ist es, unter Coronabedingungen schwanger zu sein, ein Kind zu gebären und als Hebamme dabei zu unterstützen? »Besonders zu Beginn war es schwer für uns, als wir Abstand halten und Mund- und Nasenschutz tragen sollten. Für eine Hebamme ist es unmöglich, zwei Meter weit wegzustehen von einer Frau, die gebiert«, sagt Princella.

Jana Sophia Nolle hat sich mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt. Sie sagt: »Obdachlosigkeit ist männlich, zumindest auf den ersten Blick. Doch für etwa 2.500 Frauen in Berlin ist sie Realität, auch für Janine.« Ihre temporäre Unterkunft wurde in einem Wohnzimmer in Berlin nachgebaut und ist Teil von Nolles Fotoserie .

Sexarbeiterinnen in der Berliner Kurfürstenstraße hat die Fotografin Kathrin Tschirner porträtiert . Sie sagt über die Frauen in der Coronakrise: »Viele haben keinen Zugang zu Transferleistungen und fallen durch alle Raster in eine existenzielle Notlage. Neben der eigenen Angst vor Ansteckung berichten sie, dass sie die aktuelle Unsicherheit und die Anspannung in der Gesellschaft spüren. Diese entlade sich verstärkt bei ihnen durch verbale und körperliche Übergriffe.«

Nur ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung haben Alex und ihr:e Partner:in Max geheiratet. Um die Wege zueinander und damit das Ansteckungsrisiko zu minimieren, sind sie zusammen in ein kleines WG-Zimmer gezogen. Sie sagen: »Covid ist wie ein Katalysator für uns, alles passiert schneller.« Marlena Waldthausen hat sie fotografiert .

Dass Covid-19 zuerst in China ausbrach, hat Vorurteile und Rassismus gegenüber asiatisch gelesenen Menschen in Deutschland geschürt. Nura Qureshi widmet sich einigen asiatischen Frauen aus künstlerischer Perspektive . Eine ihrer Protagonistinnen sagt: »Als ich von den rassistischen Vorfällen auf asiatisch aussehende Menschen gehört habe, musste ich immer gleich an meine beiden Töchter denken. Gleichzeitig habe ich mich dabei ertappt, dass ich irgendwie froh bin, dass sie nicht so sehr ›asiatisch‹ aussehen, in der Hoffnung, dass ihnen der Rassismus erspart bleibt.«

Wie erging es Alleinerziehenden während der Pandemie, rund um die Uhr zu Hause, in sozialer Isolation und ohne Kinderbetreuung? Das hat sich Sophie Kirchner gefragt und einige von ihnen porträtiert .

Merve Terzi hat Bilder von sich selbst in die Ausstellung eingebracht. »Das aufgetragene Blau bildet mein inneres und äußeres Chaos ab – allein mit all den Gedanken und Unsicherheiten, die durch die Pandemie verstärkt wurden«, sagt sie. »Doch so sehr das Blau den Raum und den Menschen auch einnimmt, genauso sehr bietet es den Raum zur Weiterentwicklung und Erneuerung.«

Wie haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren unsere Freizeit gestaltet? Giulia Thinnes hat sich auf dem Tempelhofer Feld in Berlin umgeschaut . Dort könnten Frauen ungestört Kraft tanken, andere Menschen treffen, sich zurückziehen oder Sport machen, sagt sie.

Bahar Kaygusuz hat Frauen fotografiert, die aus ihrer Sicht mit gesellschaftlichen Normen brechen. Dabei sind sehr unterschiedliche Bilder entstanden, etwa dieses Porträt ihrer Freundin Lola. »Sie bezeichnet sich selbst als Trans*frau, und es ist ihr wichtig, keine Labels zugeschrieben zu bekommen«, sagt Kaygusuz.

Frauen in einem Berliner Wohnstift fanden die vergangenen Monate anstrengend, aber als Kriegsgeneration hätten sie schon schwerere Zeiten gesehen, schreibt Jacobia Dahm über ihr Fotoprojekt . Am dramatischsten sei es für die Seniorinnen gewesen, auf Sport wie Tanzen, Schwimmen und Gymnastik zu verzichten.