

Wie Jugendgruppen prägen Das Gefühl, das nur Pfadfinderinnen und Pfadfinder kennen

Wie sehr prägen Pfadfindergruppen ihre Mitglieder - was nehmen sie mit, fürs ganze Leben? Der Dortmunder Fotograf Stephan Lucka , 41, wollte das herausfinden. Weil er als Kind und später als Teenie selbst ein Pfadfinder war, jahrelang. Wie sehr hat ihn diese Zeit verändert? Um Antworten zu finden, ging Lucka mit Pfadfindergruppen auf Reisen - vor Corona, versteht sich.

In Deutschland sind mehr als 200.000 Menschen in Pfadfindergruppen aktiv. Es gibt katholische, evangelische und interkonfessionelle Verbände. Der Fotograf Lucka sagt: Wenn er zurückdenkt an seine Jugend, dann sind es vor allem die Momente in seiner Pfadfindergruppe, die ihm immer wieder in den Kopf kommen. Gemeinsam losziehen. Aufeinander achtgeben. Die Zelte aufbauen. Das Abendessen aufteilen. Feuer machen. "Das war ein Freiheitsgefühl, das ich kaum beschreiben kann", sagt Stephan Lucka. "Heute, als Erwachsener, nicht schnell aufzugeben, immer nach Lösungen zu suchen, das habe ich von den Pfadfindern."

Einer Pfadfindergruppe anzugehören, bedeutet auch, eine besondere Sprache zu sprechen: Sippe, Meute, Wölflinge, Jurte, Stamm. Es bedeutet zu erleben, was man in Leipzig, Castrop-Rauxel, Pinneberg wohl nicht erleben würde. Stephan Lucka erinnert sich: wie er einmal aufwachte, völlig durchnässt vom Regen der Nacht, wie er Gitarre spielen lernte, wie er sich verlief und mit einem Kompass zurück zu den anderen fand, wie ein Kanu kenterte und alle gemeinsam zusehen mussten, dass die Schiffbrüchigen gerettet werden.

Großes Pfadfindercamp in Allersdorf - mit etwa 4000 Menschen. Solche Treffen seien ein "gesellschaftlicher Mikrokosmos", sagt Lucka, die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit werde in einem geschützten Raum erlebt, immer nach dem Motto: Du bist okay, so wie du bist.

Stephan Luckas Fotos erzählen von einer Verbundenheit, für die er selbst kaum Worte findet: "Diese Art, zu reisen und zu leben, ist von außen betrachtet vielleicht mühselig: Sachen schleppen, lange laufen, Pfadfinderklamotten anziehen. In Wahrheit hat es unendlich viel Spaß gemacht, zusammen Verantwortung zu übernehmen."

Weil allen klar war, es soll hier nicht um die soziale Herkunft gehen, darum, was man hinter sich hat, woran man glaubt - auch in den kirchlichen Verbänden sei das so. "Jeder war willkommen", sagt Lucka. "Jeder, der wollte, durfte mitkommen. Nicht nur im Sommer, sondern zu jedem wöchentlichen Treffen. Ich bin heute noch mit Leuten befreundet, die ich als Pfadfinder kennengelernt habe."

Die Pfade, die Lucka in seiner Jugend gegangen ist, hat er wieder betreten. Seine Fotos zeigen, wie nah seine Kamera den jungen Menschen kam, zeigen Momente voller Zugehörigkeit und wie aus Fremden eine Clique wird.

Es gab auch mal Streit, erzählt Lucka. Ganz normaler Streit, wie hier unter zwei Jungs einer Bremer Gruppe: "Es gab Momente, in denen man sich gefragt hat, mit wem will man befreundet sein und mit wem nicht", sagt der Fotograf, "aber sicher war immer: Man findet Freundschaft."

"Ich habe bei den Pfadfindern pubertiert", sagt Lucka. Er habe seine erste Freundin gefunden, es habe nicht lange gehalten, aber: "Diese Romantik, abends am Feuer", sagt er. Mit seiner Gruppe bereiste er Schweden, Ungarn, Frankreich, Norwegen, China, Schottland - alles von der Heimat aus, von Ostwestfalen-Lippe.
Stephan Lucka

Nun zog Stephan Lucka, hier im Bild, noch einmal mit Pfadfindergruppen los - diesmal als Erwachsener. Auch um zu erfahren: Sind die Gruppen - und das, was sie machen - heute eigentlich noch zeitgemäß?

Wollen Jugendliche nicht viel lieber am Handy daddeln, Selfies auf Insta hochladen, statt aufzupassen, dass auf dem Gaskocher nichts anbrennt? Zumindest würde es heute nicht geduldet, wenn man ständig sein Smartphone auspacken würde, sagt Lucka.

Aber vielleicht ist es auch klischeehaft zu glauben, dass jüngere Menschen keine Lust haben auf Singen in der Gruppe: "Mit Pfadfindern erlebt man Abenteuer, die jeder toll findet. Fast jeder fährt ja auch gern auf Klassenfahrt - und mit den Pfadfindern gibt es die eben jedes Jahr, mehrmals."

Wenn er heute Leute trifft, die früher in seiner Pfadfindergruppe waren, dann wird sich gleich gemeinsam erinnert, erzählt Stephan Lucka. "Man weiß, was man zusammen durchgestanden hat. Wer einmal Pfadfinder war, der wird es immer sein, sein ganzes Leben lang. Nur Pfadfinderinnen und Pfadfinder verstehen, wovon ich rede."