Erste-Klasse-Sitz von Emirates Airlines
Erste-Klasse-Sitz von Emirates Airlines
Foto: Alexander Hassenstein / Getty Images

Airlines in der Coronakrise Das Ende der ersten Klasse?

Die Lufthansa bietet auf Flügen in die USA zurzeit keine Erste-Klasse-Sitze mehr an. Und nach der Coronakrise? Schon länger schrumpft das Luxusangebot der Airlines.
Von Tinga Horny

Kaum einer hat es im Trubel des ersten Corona-Jahres gemerkt, aber viele Airlines haben 2020 ihre First Class nicht mehr angeboten. Im Sommer verzichtete nicht nur die Lufthansa auf ihre Luxusklasse. Auch andere bekannte Fluggesellschaften wie Korean Air, Qantas, Qatar Airways und Singapore Airlines legten ihren Betrieb der ersten Klasse auf Eis. Bei der Lufthansa geht das Aus auf den US-Strecken bis mindestens März 2021 in die Verlängerung.

War es das jetzt mit Doppelbett und Dusche, Champagner und Kanapees? Schließlich leistet sich ja sowieso nur ein Bruchteil der Reisenden diesen Genuss. Wer gibt schon für wenige Stunden im Flugzeug Tausende von Euros aus, wenn er nicht Millionär oder zumindest Topmanager mit entsprechendem Spesenkonto ist? Diese Klientel ist in Pandemiezeiten sofort auf Privatjets umgestiegen – sicher ist sicher.

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Erste Klasse in der Luft: Champagner, Bett und Dusche

Foto: Jens Görlich / Lufthansa

Doch das Ende der ersten Klasse ist noch nicht ausgemacht.

Infrage gestellt wird die Königsklasse des Flugwesens regelmäßig. Denn eines scheint gewiss: Die Airlines verdienen daran nicht automatisch. Bereits 2014 zitierte der britische »Business Traveller« den damaligen Chef von Air France/KLM, Alexandre de Juniac, mit der Aussage über die First Class: »Damit macht niemand Geld.«

Erste-Klasse-Angebot stark geschrumpft

So haben die Fluglinien bereits lange vor Corona begonnen, ihre First-Class-Segmente zu schrumpfen. Bis Mitte der Nullerjahre bot zum Beispiel die Lufthansa auf fast allen Fernstrecken, die mit Großraumjets bedient wurden, noch die erste Klasse an. Nicht mehr so in den vergangenen Jahren. Kenner schätzen, dass in Vor-Corona-Zeiten nur noch die Hälfte der großen Fernstreckenflieger mit einer ersten Klasse in der Luft waren.

Auch die Konkurrenz hat ihre First-Class-Kontingente entweder ganz abgeschafft oder stark reduziert. Bei KLM gibt es sogar schon seit 1993 keine First Class mehr. Air New Zealand strich 2010 und Turkish Airlines 2013 die erste Klasse. Deutlich ausgedünnt hat British Airways ihre First Class. So hatte das Unternehmen Ende 2018 rund 100.000 Erste-Klasse-Plätze weniger als noch zehn Jahre zuvor im Angebot.

Den Trend zu immer weniger First Class kann zudem ein wichtiger Zulieferer der Branche bestätigen – der Sitzhersteller Recaro. CEO Mark Hiller sagte der Wirtschaftswoche kürzlich: »Wir sehen, dass die First Class zunehmend kleiner wird und zunehmend verschwindet.«

Fliegende Bars und Suiten mit Bad

Neben fehlender Rentabilität und Nachfrage dürfte der Hauptgrund für das Verschwinden der First Class jedoch ein anderer sein: das Ausmustern der Großraumflugzeuge, allen voran des Airbus A380 und der Jumbos von Boeing. In den Nullerjahren noch als Transportmittel mit einer maximalen Kapazität von mehr als 800 Passagieren gefeiert, erwiesen sich diese Riesen als ineffizient in jeder Hinsicht.

Die Idee eines Netzwerks von weltweiten Giga-Drehkreuzen, die von Massenjets angesteuert wurden, setzte sich nicht durch. Kleinere, Kerosin sparendere und somit umweltfreundlichere Maschinen, die Passagiere direkt ans Ziel bringen, erwiesen sich als gefragter. Somit ist die Liste der Airlines lang, die ihre Riesenjets entweder teilweise oder ganz in die Wüste schicken – von Lufthansa über British Airways, Air France, Emirates und Singapore Airlines bis zu Qantas.

Aber ausgerechnet die Raumgröße dieser Luftschiffe hatte es den Airlines ermöglicht, in puncto First Class ganz neue Maßstäbe zu setzen. Vom Sitz, der sich im Nu in ein Bett verwandelte, bis zur abgeschlossenen Suite mit Bad, dazu fliegende Bars mit Cateringservice der Gourmetklasse: Die etablierten Fluggesellschaften ließen sich nicht lumpen und nutzten die neuen räumlichen Möglichkeiten.

Vor allem Fluglinien aus den Petrodollar-Staaten sowie aus Asien ergriffen die Chance, um sich mit dieser Klasse ins rechte Licht zu rücken und zu werben. Singapore Airlines war jahrelang in Sachen Luxusfliegen ganz vorn, doch ab den Nullerjahren erwies sich die junge Etihad aus Abu Dhabi mit fliegenden Mini-Apartments als harter Konkurrent.

Recaro-Sitz-Hersteller Hiller hat also recht. Allein an seinen Aufträgen kann er erkennen, dass die Business Class immer öfter die First ersetzt. Raffinierteres Sitzdesign kombiniert mit gutem Service bietet heute schon einen Komfort für Geschäftsreisende und sonstige Vielflieger, die die erste Klasse ersetzt.

Luxus als Statussymbol

Und dennoch verwettet so mancher Brancheninsider sein Geld nicht auf den Tod der Luxusklasse. Selbst der Chef des Luftfahrtverbandes IATA, Alexandre de Juniac, nicht. Die First Class hält er »für nicht mehr als ein teures Marketinginstrument«. Kostspielig, aber zugleich eben sehr wirksam in Sachen Kundenbindung.

Wenn Airlines also heute immer noch an der ersten Klasse festhalten, dann nicht zum Geldscheffeln, sondern um gute Kunden bei der Stange zu halten. Etwa all jene mit Anspruch auf die Business Class. Die sind gleich doppelt so treu, wenn sie ab und zu höher gestuft werden und auf einem Fernflug unerwartet First fliegen dürfen.

Der andere Grund, der für das Beibehalten der ersten Klasse spricht, ist eine menschliche Eigenschaft: die Eitelkeit. Die ist ein Grund, warum in jeder Gesellschaft Hierarchien und Status eine Rolle spielen. Während der Westen sich tendenziell zur pragmatischen Business-Class-Gesellschaft entwickelt, ist in vielen Ländern die Abgrenzung von der Luxus- zur Business- und Holzklasse noch wichtig. Deswegen werden wohl vor allem Fluggesellschaften aus dem arabischen sowie asiatischen Raum vorerst nicht auf ihre First Class verzichten.

Aber auch Lufthansa, British Airways oder American Airlines werden nicht gleich ihre gesamte Luxusklasse aufgeben. Schließlich gibt es selbst im Westen immer noch jede Menge statusbewusste Menschen – und auch die Gäste aus den anderen Regionen der Welt will man nicht ganz der Konkurrenz überlassen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Alexandre de Juniac habe sich von seinem Posten als IATA-Chef zurückgezogen. Das ist noch nicht der Fall. Er plant, Ende März 2021 in Rente zu gehen.

srt
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