BGH-Urteil Flugpassagiere haben bei Streik keinen Anspruch auf Entschädigung
Karlsruhe - Flugreisende haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn sich ihr Flug wegen eines Generalstreiks oder eines Radarausfalls verspätet. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Freitag veröffentlichen Urteil.
Nach Ansicht des BGH sind dies "außergewöhnliche Umstände", die sich auch durch zumutbare Maßnahmen der Fluggesellschaft nicht vermeiden ließen. "Streik und Radarausfall wirken von außen auf den Flugbetrieb und die gesamte Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ein und können von diesem nicht beherrscht werden", begründete der 10. Zivilsenat seine Entscheidung.
Er wies zwei Klagen von Passagieren ab, die von der Fluggesellschaft TUIfly wegen einer mehr als dreistündigen Verspätung ihrer Flüge auf die Balearen jeweils eine Ausgleichszahlung von 500 Euro verlangten. Sie bezogen sich auf die Fluggastrechte-Verordnung der EU. TUIfly zahlte jedoch nicht und berief sich auf "außergewöhnliche Umstände".
Die Maschine der Kläger war jeweils im Zuge eines sogenannten Umlaufs zuvor nach Griechenland geflogen und hatte schon dort wegen eines Fluglotsenstreiks erhebliche Verspätung. Deshalb startete in einem Fall der Hinflug von Frankfurt am Main nach Menorca bereits verspätet und landete nicht wie geplant um 21.55 Uhr, sondern erst nach 1 Uhr.
TUIfly hatte laut Gericht noch versucht, ein Ersatzflugzeug zu chartern, was aber nicht gelang. "Die Fluggesellschaft hat damit eine ihr zumutbare Maßnahme ergriffen, um die Verspätung zu vermeiden", betonte der BGH. Dass TUIfly kein Ersatzflugzeug vorgehalten habe, führe "nicht zu einer abweichenden Beurteilung". Die beiden Vorinstanzen in Hannover hatten die Klage bereits unter Hinweis auf die "außergewöhnlichen Umstände" abgewiesen - dann kann laut EU-Regelung kein Ausgleich verlangt werden.
Richter machten es sich nicht leicht
In der Verhandlung vor dem BGH hatte der Anwalt der Kläger, Joachim Kummer, kritisiert, dass TUIfly kein einziges Flugzeug als Reserve vorgehalten habe, obwohl sich die "exorbitanten Verzögerungen" länger abgezeichnet hätten. Dem hielt der Anwalt von TUIfly, Hans-Eike Keller, entgegen, es sei für die Airline wirtschaftlich unzumutbar, ein Ersatzflugzeug mitsamt einer Besatzung rund um die Uhr vorzuhalten. Die Kosten für die Reisenden würden dadurch drastisch steigen.
Umlauf, Subcharter, Umbuchung - das Gericht hat es sich nicht leicht gemacht mit der Betrachtung des Flugbetriebs. Der Vorsitzende Richter des X. Zivilsenats, Peter Meier-Beck, sagte während der Verhandlung am Donnerstag, es sei schwierig, rechtliche Kriterien zu benennen, was eine Fluggesellschaft tun müsse, um Ersatzkapazitäten bereitzuhalten. Alle Unternehmen der Branche versuchten, ihre Kosten zu drücken, sagte Meier-Beck und stellte die rhetorische Frage: "Können wir von Rechts wegen sagen, wir meinen, der Markt müsste anders sein?"
Auf Druck der Fluggesellschaften wollten die EU-Verkehrsminister die EU-Verordnung von 2005 ändern, wonach ab einer Verspätung von drei Stunden eine Entschädigung fällig wird. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll es erst ab einer Verspätung von fünf Stunden einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung geben. Bislang konnten sich die Verkehrsminister aber nicht einigen.
Verbraucherschützer lehnen eine Änderung zu Lasten der Flugpassagiere ab.
Bundesgerichtshof: Aktenzeichen X ZR 104/13 und X ZR 121/13