Chaos in Berlin Eisenbahn-Bundesamt legt S-Bahnen still

Die ohnehin von S-Bahn-Ausfällen geplagten Berliner sind nun doppelt gestraft: Das Eisenbahn-Bundesamt hat 170 der Nahverkehrszüge stillgelegt. Verspätungen und geringere Frequenz sind die Folge. Nun will die Deutsche Bahn bei ihrer Tochter aufräumen.

Berlin - Seit Dienstag müssen die Berliner vorerst mit erheblichen Verkehrseinschränkungen in ihrer Stadt leben. Wegen mangelhafter Sicherheitsüberprüfungen hatte das Eisenbahn-Bundesamt eine dreistellige Zahl von S-Bahnen stillgelegt, was zu erheblichen Verkehrseinschränkungen führt.

Rund 170 von 632 Viertelzügen standen nach Medienberichten am Dienstag still. Auf zahlreichen Linien fahren seither die Züge nur im 20- statt im 10-Minuten-Takt. Einige Linien fielen ganz aus. Bei drückender Schwüle mussten sich die Fahrgäste in die verbleibenden Züge quetschen.

Berliner S-Bahn: 170 Viertelzüge sind stillgelegt

Berliner S-Bahn: 170 Viertelzüge sind stillgelegt

Foto: AP

Auslöser für das Chaos war ein S-Bahn-Unfall am 1. Mai in Berlin-Kaulsdorf, bei dem das Rad eines S-Bahn-Wagens gebrochen war. Daraufhin hatte die S-Bahn dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen zugesagt. Die Räder sollten nicht mehr nur alle 14 Tage, sondern alle sieben Tage durchgeschaut werden. Doch stellte das EBA am Montag nach eigenen Angaben bei Kontrollen fest, dass "Zusicherungen der S-Bahn Berlin GmbH nur unzureichend eingehalten wurden". Bei 400 Wagen war Medienberichten zufolge die Prüffrist bereits überschritten.

"Aufgrund der hohen Sicherheitsrelevanz ordnete das EBA daraufhin an, dass umgehend alle Züge außer Betrieb zu nehmen sind, an denen die erforderlichen Prüfungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden", erklärte die Kontrollbehörde. Erst nach den Tests können die Züge wieder rollen.

Verkehrssenatorin ist "fassungslos"

Die Deutsche Bahn hat die chaotischen Zustände bei der Berliner S-Bahn jetzt zur Chefsache erklärt. Wegen der anhaltenden Zugausfälle und Verspätungen kündigte sie am Mittwoch eine "lückenlose Aufklärung" der Versäumnisse und eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung ihrer Tochtergesellschaft an.

Der für Personenverkehr zuständige Vorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Homburg, kündigte Konsequenzen an, die bei der Sitzung beschlossen werden sollen. Es gehe auch um "Maßnahmen zur schnellen Verbesserung des Verkehrsangebots", berichtete die Deutsche Bahn. "Außerdem befasst sich der Aufsichtsrat mit Versäumnissen im Zusammenhang mit den zusätzlichen Sicherheitsüberprüfungen der S-Bahn-Räder."

Die Berliner Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer reagierte "fassungslos", wie ihre Sprecherin Manuela Damianakis erklärte. Der Senat, der den S-Bahn-Verkehr bei der 100-prozentigen Bahntochter bestellt, werde nicht nur die Zahlungen an die S-Bahn kürzen, sondern auch die im Vertrag vorgesehene Möglichkeit von Strafzahlungen prüfen. Der Senat ist der Vertragspartner der S-Bahn und bestellt die Verkehrsleistungen.

"Wir werden alles, was wir als Besteller tun können, in die Wege leiten, um schnellstmöglich wieder einen ordnungsgemäßen Betrieb zu erreichen", erklärte die Sprecherin. Dass S-Bahn-Geschäftsführer Tobias Heinemann bisher keine Begründung für das Versäumnis geliefert habe, sei ein "dicker Hund".

Vordere Viertelzüge sind betroffen

Heinemann hatte noch am 26. Juni öffentlich erklärt, die S-Bahn habe den Zeitplan für die Untersuchung der Züge "gestrafft". Einschränkungen des Fahrplans seien nicht vorgesehen, hatte er erklärt.

Es geht dabei um Züge der Baureihe 481 des Herstellers Bombardier, die modernsten Züge der Berliner S-Bahn. Sie wurden von 1996 bis 2004 ausgeliefert. Bei den betroffenen Rädern handelt es sich um die vorderen der Züge mit besonders hohen Laufleistungen. Je vier Viertelzüge bilden einen normalen S-Bahn-Zug ("Vollzug").

abl/AP/ddp
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