
Großvenediger: Überlebt in einer Schneehöhle
Drei Nächte im Schneesturm Bergsteiger überlebten dank Nervenstärke
Wien/Innsbruck - Sie waren gut vorbereitet, blieben im Schneechaos ruhig und zeigten Teamgeist. Drei Tage haben vier Schneeschuhwanderer aus Bayern und Baden-Württemberg einen Schneesturm auf rund 3600 Meter Höhe in Osttirol in Österreich überlebt. Die Männer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren hatten am Samstag bei einer Tour zum fast 3670 Meter hohen Großvenediger in Nebel und Sturm die Spur zurück zur Hütte verloren.
Ihr Verhalten bezeichneten die Bergretter als vorbildhaft. Seit Samstagabend hatten Helfer nach den Männern gesucht, mussten ihren Einsatz aber wegen des schlechten Wetters mehrfach unterbrechen. Am Dienstagmorgen entdeckte eine Hubschrauberbesatzung mit Hilfe von Wärmekameras die Bergwanderer am Großvenediger und konnte sie retten. Auch mit Lawinenschaufeln winkend machten sich die Männer bemerkbar.
"Es ist sicher nicht alltäglich, dass die Männer das überlebt haben", sagte der Landesleiter der Bergrettung Tirol, Kurt Nairz. Die vier Wintersportler - darunter der Pforzheimer Bürgermeister Alexander Uhlig - hätten einfach alles richtig gemacht und seien deshalb kaum verletzt. Der Hubschrauber habe sie zwar nach ihrer Rettung am Dienstag mit leichten Erfrierungen und Mangel an Flüssigkeit zur Beobachtung ins Krankenhaus in Lienz geflogen. Von dort könnten sie sich aber sicher bald auf den Heimweg machen.
"Die eigentliche Leistung ist die mentale"
Die Schneeschuhwanderer waren laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA am Samstag von der Kürsingerhütte aufgebrochen. Um 12.30 Uhr erreichten sie den Gipfel, und um 14 Uhr wurden sie zum letzten Mal von einer anderen Bergsteigergruppe gesehen: Im Nebel stieg das Quartett in Richtung Osttirol ab. Als sie am Samstag nicht wieder zur Hütte zurückkamen, schlug ein dort zurückgebliebenes fünftes Mitglied der Gruppe Alarm.
Nach Meinung der Experten rettete den Männern ihre gute Ausrüstung und ihre alpinistische Erfahrung das Leben. Als das Wetter am Samstagmittag umschlug, gruben die Männer sofort mit Schaufeln eine Höhle in den Schnee. Dort kauerten sie sich in Biwaksäcken aneinander und verhinderten so einen Wärmeverlust. Den wenigen Proviant teilten sie, zu Trinken hatten sie nur das Kondenswasser, das sich auf den Biwakplanen bildete. Als nach drei Tagen endlich das Schneegestöber aufhörte und die Wolken über dem Gletscher aufrissen, krochen sie aus ihrer Höhle heraus und winkten mit Lampen und Schneeschaufeln.
Für den Leiter der Abteilung Bergsport des Österreichischen Alpenvereins (OEAV) ist die Rettung der vier Schneeschuhwanderer auch der Nervenstärke der Betroffenen zu verdanken. "Die eigentliche Leistung ist die mentale Leistung", sagte Michael Larcher am Dienstag der APA. Es sei eine "sehr reife Entscheidung", eine Schneehöhle zu errichten und eine Wetterbesserung abzuwarten.
"Erstaunlich guter Zustand"
"Solche Situationen sind nur beherrschbar, wenn man zusammenhält, wenn man Disziplin hat, die körperliche Kondition hat und wenn man sich unterordnen kann", sagte der Flugarzt Peter Kraler. Er habe mit allen persönlich gesprochen, und es gehe ihnen erstaunlich gut, so Nairz. "Wir haben uns riesig gefreut, dass es ihnen gut geht", sagte der Hubschrauberpilot Hans Schausberger. Er und weitere rund 70 Einsatzkräfte hatten mehr als 40 Stunden nach den Vermissten gesucht. "Da ist man gerne Bergmann", sagt Nairz. Jeder Einzelne habe für solch einen Einsatz gerne seine Osterfeiertage geopfert.
Unter den vier geretteten Wanderern war der für Bauen und Umwelt zuständige Bürgermeister von Pforzheim, Alexander Uhlig. Die Stadt reagierte mit großer Erleichterung auf dessen Rettung: "Das ist ein Grund zu großer Freude in Pforzheim", erklärte Oberbürgermeister Gert Hager. Der zweite gerettete Baden-Württemberger stammt aus Tiefenbronn im Enzkreis, die beiden bayerischen Wanderer aus Neuburg an der Donau und Altusried im Oberallgäu.
Nach einem Bericht des Senders ORF waren am vergangenen Samstag mehr als hundert Menschen am Großvenediger unterwegs. Wie viele die empfohlene Ausrüstung aus Biwaksack, Lawinensuchgerät, Sonde und Schaufel dabeihatten, wollten die Helfer nicht schätzen.
Nicht mehr zu helfen war einer 31-jährigen Bayerin in Vorarlberg, deren Leiche die Bergrettung am Dienstag aus einer Lawine barg. Die Frau war mit drei weiteren Deutschen am Montag bei einer Skitour unterwegs und hatte die Schneemassen selbst losgetreten. Die Einsatzkräfte hatten zuvor vor erheblicher Lawinengefahr in dem Gebiet gewarnt und von Touren abgeraten.