Entgleister ICE Staatsanwalt ermittelt gegen Bahn
Fulda - Gegen den Halter der Schafsherde hat die Staatsanwaltschaft schon Ermittlungen eingeleitet - jetzt rückt auch die Bahn ins Blickfeld. Es gebe zwar noch keine genauen Erkenntnisse über Versäumnisse des Konzerns, sagte Harry Wilke von der Staatsanwaltschaft Fulda. Unstrittig sei allerdings, dass Minuten vor dem Unglück bereits ein entgegenkommender Zug am Landrückentunnel eine Kollision mit einem Schaf hatte. Ein Zeuge berichtete SPIEGEL ONLINE sogar, dass der Zug deshalb mehrmals anhielt und von der Bahnpolizei auf Schäden überprüft wurde. Wurde nicht versucht, den Unglücks-ICE zu warnen?
Die Bahn bestätigt, dass ein aus Würzburg kommender ICE auf ein Schaf gefahren war und der Zugführer ausstieg, um sich den Schaden anzusehen. Dann sei er weitergefahren. Er habe sich korrekt verhalten und den Schaden gemeldet. Der Staatsanwaltschaft zufolge ist klar, dass die Meldung auch in der Bahn-Betriebszentrale in Frankfurt einging. Was mit dieser Warnung dort geschehen ist, ist laut Sprecher Wilke Gegenstand der Ermittlungen. Ein Sprecher des Konzerns wollte sich nicht dazu äußern.
Am dritten Morgen nach dem ICE-Unglück südlich von Fulda sind die ersten Wagen des entgleisten Zuges geborgen. Bis zum Dienstagvormittag sind die beiden Triebköpfe sowie zwei Waggons aus dem Tunnel herausgezogen worden, sagte ein Bahn-Sprecher. Nun müsse überlegt werden, ob die restlichen zehn Wagen über den kürzeren Weg nach Norden geborgen werden könnten, der allerdings schwer beschädigt sei, oder über die rund neun Tunnelkilometer in Richtung Süden. Die Arbeiten werden den Angaben zufolge weiter rund um die Uhr fortgesetzt.
Erst nach Abschluss der Bergung kann die Instandsetzung der Schienen und Schwellen in Angriff genommen werden. Auf einen Zeitraum für die Aufräumarbeiten und damit bis zur Wiederfreigabe der Strecke will sich die Bahn noch nicht festlegen.
Ermittlungsverfahren gegen Schäfer eröffnet
Die Staatsanwaltschaft Fulda hat inzwischen offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen den Besitzer jener Schafe eröffnet, die den Zug zum Entgleisen gebracht hatten - wegen fahrlässigen, gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Der Mann wurde als Beschuldigter vernommen, sagte Bundespolizei-Sprecher Reza Ahmari.
Die Untersuchungen am Unglücksort gehen weiter. Allein das Eisenbahnbundesamt hat fünf Mitarbeiter vorgeladen.
Der ICE885 von Hamburg nach München war am Samstagabend gegen 21.05 Uhr unmittelbar vor dem Nordportal des Landrückentunnels südlich von Fulda bei mehr als Tempo 200 in eine Schafherde gerast, entgleist und erst nach rund einem Kilometer zum Stehen gekommen. 19 Reisende wurden verletzt, vier von ihnen mit Knochenbrüchen und Platzwunden mittelschwer.
abl/AP/dpa