Nach Linken-Vorstoß Streit um Abschaffung der ersten Klasse

Braucht es im Regionalexpress eine erste Klasse? Nein, findet Linken-Chef Bernd Riexinger. Doch Deutsche Bahn und ein Fahrgastverband wollen daran festhalten - dies sei im Sinne der Kunden.
Erste Klasse eines Sonderzugs der Regionalbahn RE 5: Freie Sitzplätze und ruhiges Arbeiten

Erste Klasse eines Sonderzugs der Regionalbahn RE 5: Freie Sitzplätze und ruhiges Arbeiten

Foto: Stefan Sauer/ DPA

Geht es nach Linken-Chef Bernd Riexinger, sollte es in den Regionalexpress-Zügen der Deutschen Bahn keine unterschiedlichen Buchungsklassen mehr geben. "Die 1. Klasse im Nahverkehr gehört abgeschafft", sagt der Parteichef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Er hatte seinen Vorstoß mit vollen Zügen begründet. "Wir reden über Verkehrswende und die Kosten für den notwendigen Ausbau des Nahverkehrs", sagte Riexinger. "Aber wir leisten es uns, in überfüllten Regionalexpressen fast leere Waggons mit Wagen der 1. Klasse mitzuschleppen." Ihre Öffnung brächte auf einen Schlag mehr Kapazität - "und zwar praktisch gratis".

Es sei nicht einzusehen, dass sich bei einem Verkehrsmittel, das günstige Mobilität für alle bereitstellen solle, die "Besserverdienenden auf Kosten der allgemeinen Nutzbarkeit absondern" dürften, sagte Riexinger. "In Bussen kommen wir schon heute problemlos ohne Klassen aus." Bus und Bahn müssten gut für alle werden, statt überfüllt für die einen und fast leer für die anderen.

"Die Umwandlung aller 1.-Klasse- in 2.-Klasse-Bereiche würde die Sitzplatzkapazität nur sehr geringfügig erhöhen", hieß es bei der Deutschen Bahn. "Gerade auf längeren und touristisch geprägten Distanzen wird der Komfort der 1. Klasse von zahlreichen Fahrgästen geschätzt, die dafür auch bereit sind, einen entsprechenden Aufpreis zu bezahlen."

Der Anteil der 1.-Klasse-Kapazitäten sei zwar über die Jahre zurückgegangen, allerdings werde dieses Angebot weiter in vielen Regionen nachgefragt. Die Konzernsparte DB Regio fährt im Auftrag der Besteller von Ländern und Kommunen und richte sich nach ihren Ausstattungswünschen.

"Sozialistische Gleichmachereien", "grober Unfug"

Auch der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), weist Riexingers Vorschlag zurück. Er halte davon gar nichts, sagte der Verkehrs-Staatssekretär. "Wenn jemand für breitere Sitze und mehr Platz bezahlen will, so soll man das Reisen doch so ermöglichen." Er lehne diese "sozialistischen Gleichmachereien" ab, sagte Ferlemann.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte zu dem Vorstoß: "Ich finde, das ist jetzt nicht das relevante Problem der Deutschen Bahn." Wenn es genug Menschen gebe, die gerne auf diese Art und Weise fahren wollen, dann solle es auch ein entsprechendes Angebot geben. "Und wenn die Kunden zweiter Klasse fahren wollen, dann muss es genügend Züge und Waggons geben für die zweite Klasse."

Es gebe allerdings Nachholbedarf beim Fuhrpark der Deutschen Bahn, sagte Weil weiter. Er fahre gerne Bahn, aber: "In deutlich mehr als der Hälfte aller Fahrten, die ich habe, gibt es das eine oder andere zu mäkeln. Und so geht es Millionen von Bahnfahrern insgesamt."

So entstehe der Eindruck, dass es bei der Bahn nicht rund laufe. "Das ist immer noch eine späte Folge dieser fatalen Orientierung auf einen Börsengang, wo man in alles Mögliche investiert hat, aber nicht in das, was eigentlich notwendig gewesen wäre", kritisierte Weil.

"Die 1. Klasse hat weiterhin eine wichtige Bedeutung für die Fahrgäste", heißt es beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Sie schätzten weitere Sitzabstände, größere Tische und hochwertigere Sitze. Einem VBB-Sprecher zufolge gingen sofort Kundenbeschwerden ein, wenn in einem Zug mal ein Wagen mit weniger 1.-Klasse-Plätzen als vorgesehen fahre.

Dass eine Abschaffung der 1. Klasse die Platzprobleme lösen könnte, glaubt auch der Fahrgastverband Pro Bahn nicht. "Das ist grober Unfug", sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. "Wenn ich mehr Platz schaffen will, brauche ich längere Züge."

Die 1. Klasse werde zwar nicht überall im Nahverkehr gebraucht, wohl aber im Berufsverkehr oder bei längeren Regionalexpress-Fahrten, etwa auf Strecken wie Hamburg-Rostock und Berlin-Cottbus. Fahrgäste schätzten die Aussicht auf freie Sitzplätze und ruhiges Arbeiten im Zug.

Die Linken haben erst vor wenigen Tagen in einem Vorstandspapier vorgeschlagen, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) komplett kostenlos zu machen - und zwar in ganz Deutschland. Das Konzept sieht vor, zunächst Schüler, Rentner, Auszubildende und Hartz-4-Empfänger bis zum 1. Januar 2022 bundesweit gratis fahren zu lassen. Schritt für Schritt solle der Gratis-ÖPNV jedoch für alle gelten, sagte Riexinger.

jus/AFP/dpa
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