
Erster A380 der Lufthansa Es ist ein Kranich!
Kraniche sind stolze Vögel von prächtigem Gefieder, deren Flügelspannweite erheblich größer ist als die Länge des Rumpfes. Wunderschön sieht das aus in der Tierwelt. Bei großen Passagierflugzeugen dagegen wirken entsprechende Proportionen ein wenig gestaucht. Denn das Auge ist von den gängigen Boeings und Airbussen gewohnt, dass Spannweite und Länge ungefähr gleich sind.
Der A380, der neue Ziervogel der Lufthansa-Kranichfamilie, hat verdammt ausufernde Flügel. Fast 80 Meter ist er breit, ein ganzer Airbus A320 könnte sich wie ein verängstigtes Vogeljunges unter einem Flügel verstecken. Der Riesenflieger, der am Mittwoch feierlich übergeben wird, ist der erste echte Kranich der Lufthansa, denn sein Rumpf ist mit etwa 72 Metern vergleichsweise kurz. "Der Flügel ist eigentlich zu groß für das Modell, da ist noch Wachstumspotential für den Rumpf", sagt Heiner Krämer, der als Projektmanager für die Ausstattung der Flugzeuge zuständig ist.
Vier Lufthansa-Ausgaben des größten Passagierflugzeugs der Welt stehen derzeit im Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder. Die größte Fluggesellschaft Europas ist die fünfte, die den vierstrahligen Riesenflieger in ihre Flotte aufnehmen darf. Die "Frankfurt am Main" wird an diesem Mittwoch überführt und getauft, die "München" hat gerade die zweiwöchige Lackierungsprozedur hinter sich, die beiden noch namenlosen Nachfolger warten in der Inneneinrichtungshalle und auf der Landebahn auf ihre Weiterverarbeitung.
Platz für 526 Gäste
Die Ausstattung wird bei allen vier Maschinen gleich sein: 526 Sitze, davon im Unterdeck 420 in der Economy Class, im oberen Stockwerk 98 in der Business Class und acht in der First Class. Die Lufthansa-Bestückung ist damit enger als bei Qantas (450 Plätze), Singapore Airlines (471) oder Emirates (489). Mehr Sitze haben bislang nur die Air-France-Riesenflieger mit 538 und die auf Regionalflügen eingesetzten Zweiklassen-Maschinen der Emirates mit 604 Plätzen. Der Sitzabstand in der Economy Class der Lufthansa beträgt 79 Zentimeter - so viel wie bei der bisherigen Langstreckenflotte des Unternehmens. Allerdings haben hier die Passagiere mehr Platz, weil durch anders gebaute Sitze und schmalere Rückenlehnen etwa fünf Zentimeter gewonnen wurden.
Wenn die Kranich-Fluglinie also bei der Passagierzahl nur im Mittelfeld liegt, muss sie an anderer Stelle punkten. Zum Beispiel mit ihrer neugestalteten First Class, deren Ausstattung bisher ein sorgsam gehütetes Geheimnis war. Auch hier liegt die Messlatte hoch: Emirates hatte mit einer Dusche an Bord für Aufsehen gesorgt, bei Singapore Airlines können Passagiere ihre Bloody Mary an einer echten Bar ordern.

Beides gibt es bei der Lufthansa nicht. Und auch keine 23-Zoll-Riesenbildschirme und immer noch kein Internet an Bord. Wer in der neuen First Class der Lufthansa im A380 auf Superlative der Dekadenz hofft, wird enttäuscht. Denn die Alleinstellungsmerkmale der Luxuskabine vorne im Oberdeck sind entweder unsichtbar - oder befinden sich auf dem Klo.
Acht Plätze in der teuersten Klasse - zwischen 10.014 und 12.164 Euro kostet hier ein Return-Ticket - hat die "Frankfurt am Main". Bei der Ausstattung stützte sich die Kranich-Fluglinie auf Fluggastbefragungen. Ergebnis: "Die wirklich wichtigen Bedürfnisse unserer First-Class-Kunden sind sehr einfach: Sie wollen vor allem Ruhe und gesundes Reisen", sagt Christian Körfgen, Leiter des Bereichs Produktmanagement und Innovationen bei der Lufthansa.
Zu leise zum Schlafen?
Für Ruhe sorgt schon die Bauweise des A380, denn in der Kabine ist deutlich weniger vom Triebwerk zu hören als in anderen Passagierflugzeugen. Das hat aber nicht nur Vorteile: "Es gibt so wenig Geräusche im Flugzeug, dass Passagiere andere Dinge hören als sonst, etwa Ventilgeräusche", sagt Krämer. Das kann schon mal beunruhigen, da man diese neuen Sounds nicht gewohnt ist.
Dass das Flüster-Triebwerk nicht nur ein Segen ist, mussten vor Monaten einige Emirates-Piloten feststellen, die um den verdienten Pausenschlaf gebracht wurden. Denn zum stetigen Brummbrumm der Motoren schlummert der routinierte Vielflieger besser als zum an- und abschwellenden Blabla der Menschen.
Deshalb wird in der Premiumklasse der Lufthansa viel getan, um auch die in der Kabine entstehenden Geräusche einzudämmen - mit Schallschutzvorhängen, einem speziellen Trittschallschutz und aufwendiger Dämmtechnik. "Wir können die wohl leiseste First Class der Welt anbieten", ist Körfgen überzeugt.
Noch wichtiger für den Komfort soll ein weiteres unsichtbares Merkmal der in Erdtönen gehaltenen Luxusabteilung sein: Als erstes Linienflugzeug der Welt bietet die "Frankfurt am Main" ein aufwendiges Luftbefeuchtungs- und Trocknungssystem, wie es bislang nur in Privatflugzeugen verwendet wurde. "Damit können wir die Luftfeuchtigkeit auf etwa 15 Prozent erhöhen", sagt Körfgen. Normal seien fünf bis sieben Prozent.
Trockene Luft ist ein besonders großes Problem in den Luxusbereichen, wo wenige Passagiere sitzen. Denn - so unappetitlich kann Flugzeugphysik sein - in der Economy Class tragen die Ausdünstungen der Menschen zur Luftbefeuchtung bei: "Dort haben Sie viele Menschen auf begrenztem Raum, weshalb die Luftfeuchtigkeit viel näher am üblichen Wert am Boden liegt", sagt Körfgen.
Erster Linienflieger mit Pissoir
Die Lufthansa-Ausstatter entschieden sich gegen spektakuläre Protz-Gimmicks wie Dusche oder Bar. "Für eine Dusche müssten Sie Zeitfenster vergeben, in der die Fluggäste sie nutzen dürfen, damit auch der Nächste noch ausreichend Zeit hat. Dadurch würden sich unsere Gäste gehetzt fühlen", sagt Körfgen. Die meisten First-Class-Passagiere gingen sowieso nach der Landung vor dem ersten Meeting ins Hotel, da könnten sie sich bequemer der Körperpflege widmen.
Eine Weltpremiere bietet das mit edel anmutendem Grauwacke-Imitatboden gepflasterte Bad der Lufthansa dann doch - wenn auch keine, die in die Geschichte der zivilen Luftfahrt eingehen wird: "Wir sind die erste Airline, die ein Pissoir im Badezimmer der First Class integriert hat", sagt Körfgen.
Doch warum keine Bar? "Das wäre eigentlich nur ein Unruheherd und widerspricht dem Ansatz, möglichst viel Ruhe zu bieten. Etwas trinken kann ich auch am Sitz", sagt Körfgen. Wer es ein wenig geselliger mag, der lässt eben die Trennwand zum Sitznachbarn unten. So kann man auf den Mittelplätzen zusammen essen, für Paare lässt sich der Bereich zum Doppelbett herrichten. Zwei Meter mal 80 Zentimeter messen die Betten, eine Größe ähnlich wie bei Emirates und Singapore Airlines.

Die Gäste auf den 98 Business-Class-Plätzen müssen da Abstriche in Kauf nehmen: Hier lassen sich die Sitze nicht in ein ebenes Bett verwandeln, wie es die zeitgemäßeren Angebote von Qantas und Singapore Airlines vormachen, sondern nur zu einer Liege, die zum Schlafen erfahrungsgemäß nicht optimal ist. Dafür konnte die Lufthansa mehr Plätze in der Business Class unterbringen als die vier anderen A380-Fluglinien.
Mädchenpensionat auf Höhe des Frachtraums
Am 6. Juni wird sich hier der Kader der Fußball-Nationalmannschaft breitmachen - auf dem Erstflug nach Johannesburg. Ob es da wohl Streit gibt, ob Bierhoff oder Löw, Schweinsteiger oder Zwanziger auf einem der acht First-Class-Sitze Platz nehmen darf? "Der DFB hat fast das gesamte obere Deck gechartert, wer wo sitzt, werden die selber entscheiden", sagt Körfgen.
Mitfliegen dürfen dann auch noch ein paar Fans in der Economy-Klasse. Wer es dort besonders bequem haben will, sollte Platz 76A oder 76K buchen. Dort hat man eine größere Beinfreiheit, weil eine Bodenluke als Notzugang zum Schlafraum der Crew nicht abgedeckt werden darf. Als "Mädchenpensionat" bezeichnen Airbus-Mitarbeiter das darunter liegende Zimmerchen auf Höhe der Frachträume: Zwölf Schlafliegen und eine Toilette für das Kabinenpersonal sind dort untergebracht. So hat auch die Crew mehr Platz als üblich.
Wenn sich die Riesenflieger nun wie erhofft als lukratives Transportmittel erweisen, liegt bei Airbus schon der Plan für ein noch größeres Modell in der Schublade: der A380-900 mit einem 80-Meter-Rumpf bei gleicher Spannweite und Platz für bis zu 963 Fluggäste. Das sind zwar keine Kranich-Proportionen, aber ein hübscheres Flugzeug wäre es.