
Insekten auf der Speisekarte: Heuschrecke - und Happs
Insekten auf der Speisekarte Ein Mehlwurm-Eis zum Dessert

Markus Geyer, 37 Jahre aus Zwickau, arbeitet als Küchenchef der Restaurantkette Espitas, die in sechs deutschen Städten mexikanisches Essen anbietet. Geyer entwickelt die Rezepte für die Speisen - auch im Rahmen der "Insektenwochen". Er hat sich zuletzt bei einer Dienstreise durch Mexiko von der lokalen Küche inspirieren lassen.
Derzeit schaffen es wieder massenhaft Kakerlaken, Würmer und Insekten ins deutsche Fernsehen - beim "Dschungelcamp", das noch bis zum 26. Januar bei RTL läuft. Größter Ekelfaktor: krabbelnde und kriechende Kleintiere.
Dass Insekten nicht gerade Soulfood sind, ist auch Markus Geyer klar. Der 37-Jährige ist Küchenchef bei der mexikanischen Restaurantkette Espitas, die Filialen in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Erfurt, Halle und Zwickau betreibt. In allen sechs Lokalen laufen derzeit die alljährlichen "Insektenwochen".
SPIEGEL ONLINE: Herr Geyer, welche Insekten-Spezialitäten stehen bei Ihnen zurzeit auf der Karte?
Geyer: Als Vorspeisen gibt es Chapulines-Heuschrecken am Spieß oder Schwarzkäferlarven auf Rauke mit Nachos. Und als Dessert haben wir Mehlwurmeis im Angebot.

Insekten auf der Speisekarte: Heuschrecke - und Happs
SPIEGEL ONLINE: Knirscht es nicht fürchterlich zwischen den Zähnen, wenn man in so eine Heuschrecke beißt?
Geyer: Es ist schon ein knackiges Erlebnis - ein bisschen so, als würde man Kartoffelchips knabbern, aber nussig im Geschmack. Wichtig ist, vor dem Frittieren die Flügel und die Sprungbeine zu entfernen. Letztere haben Widerhaken, die im Rachen für Verletzungen sorgen könnten. Und die Flügel würden beim Braten hart wie Glassplitter werden.
SPIEGEL ONLINE: Wie machen Sie aus Mehlwürmern eine Nachspeise?
Geyer: Bei den Mehlwürmern handelt es sich um die Larven des Schwarzkäfers, die ebenfalls eine nussige Note haben. Dazu passt sehr gut etwas geriebene Schokolade, Zimt und Zucker. Das alles gebe ich in eine Pfanne mit einem Tropfen Öl - und schließlich wälze ich eine Kugel Vanilleeis in den gerösteten Würmern.
SPIEGEL ONLINE: Finden Ihre Gäste das nicht eklig?
Geyer: Viele unserer Gäste freuen sich regelrecht auf unsere Insektenwochen - vor allem die Kunden unserer Leipziger Filiale fahren voll darauf ab. Ich finde, die Heuschrecken sehen sogar wirklich schön aus, wenn sie so aufgespießt sind und dich auch noch angucken. Es ist eine Frage der Gewohnheit. In Mexiko ist es normal, Insekten zu essen. In Deutschland ist es nicht üblich - der Ekel ist angelernt.
SPIEGEL ONLINE: Sehen Ihre Gäste es als Mutprobe an, wenn sie so etwas bestellen?
Geyer: Nein, die meisten sind eher neugierig und wollen authentische mexikanische Speisen probieren. Um nichts anderes geht es uns. Dieses Jahr haben wir eine zehntägige Dienstreise durch Mexiko gemacht, um uns vor Ort inspirieren zu lassen. Wir waren zwischen Mexiko-Stadt und Playa del Carmen unterwegs, haben regionale Spezialitäten an Streetfood-Ständen probiert, in Hotels mit mexikanischen Köchen am Herd gestanden und waren auf Märkten, um dort mehr über die Produkte zu lernen.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie etwas Neues entdeckt?
Geyer: Ja, Kaktusblätter sind in Mexiko ein großes Thema. Die haben wir nun in unsere Speisekarte aufgenommen. Während sie in Mexiko frisch gebraten werden, müssen wir sie allerdings kochen und einlegen - einfach, weil wir sie nicht frisch auf dem Markt kaufen können. Ich hab in Mexiko auch Skorpione und Grillen gegessen, aber das ist für die Deutschen nichts. Das ist zu abgefahren. Recht lecker ist auch Ameisen-Kaviar: die Eier von Ameisen.
SPIEGEL ONLINE: Woher beziehen Sie die Insekten für Ihre Küche?
Geyer: Von einem auf Insekten spezialisierten Züchter aus Schleswig-Holstein. Wir bekommen sie gefriergetrocknet angeliefert. Ich hab für die aktuellen Insektenwochen in den sechs Espitas-Restaurants insgesamt 1500 Portionen bestellt - das sind zum Beispiel 6000 Heuschrecken.
SPIEGEL ONLINE: Insekten gelten als gesund. Warum?
Geyer: Sie enthalten wertvolle Mineralstoffe und ganz viel Protein. Der Eiweißgehalt ist prozentual dreimal so hoch wie bei Fleisch. Man kann Insekten fast schon als Superfood bezeichnen.
SPIEGEL ONLINE: Die Umweltbilanz der Fleischproduktion ist extrem schlecht. Sie verursacht immense Mengen an Kohlendioxid. Wenn mehr Menschen Insekten statt Rind und Schwein essen würden, hätte das einen Vorteil. So argumentieren zumindest manche Wissenschaftler.
Geyer: Das mag sein. Wenn ich mir jedoch die Essgewohnheiten der Deutschen anschaue, dann ist eine Umstellung in naher Zukunft eher unrealistisch.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt aber auch in deutschen Supermärkten inzwischen viele Insektenprodukte: als Burger, Pasta und im Lolly. Kaufen Sie so etwas auch?
Geyer: Nein, ich esse Insekten lieber in der klassischen Variante, also so, wie es auch die Mexikaner tun. Insektennudeln oder Maden in Schokolade - das ist wohl eher für Leute, die das als Gag verstehen.