Der Beinahe-Absturz eines Germanwings-Flugs war wohl kein Einzelfall - nach SPIEGEL-Informationen haben Fluglinien mehrfach gegen Meldepflichten bei Störungen verstoßen. Verkehrsminister Ramsauer drängt nun darauf, Probleme mit der Kabinenluft auf europäischer Ebene anzugehen.
Germanwings-Maschine: Verkehrsminister will gegen Probleme bei Kabinenluft vorgehen
Foto: Jan Woitas/ dpa
Hamburg - Deutsche Fluglinien haben nach Einschätzung des Luftfahrt-Bundesamts häufig gegen Meldepflichten verstoßen. Das Amt sei "auf der Grundlage interner Analysen zu dem Ergebnis gekommen, dass meldepflichtige Störungen den zuständigen Behörden oftmals nicht angezeigt werden", heißt es nach SPIEGEL-Informationen in einem Schreiben der Behörde vom November 2010 - einen Monat bevor ein Germanwings-Flugzeug in Köln beinahe abgestürzt wäre, nach Einschätzung von Experten weil giftige Öldämpfe ins Cockpit der Maschine gelangt waren. Aus dem gleichen Grund erkrankten Anfang September mehrere Passagiere der XL-Airways in Köln.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer fordert nun ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegen solche Probleme: "Das Thema gehört auch in Brüssel auf die Tagesordnung", sagte der CSU-Politiker im SPIEGEL.
Er wies Vorwürfe zurück, die Behörden würden Probleme mit den Öldämpfen vertuschen. "Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung befasst sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Kabinenluft", so Ramsauer, "nichts wird von den Ermittlern unter den Teppich gekehrt."
Der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel kritisierte dagegen Ramsauer: "Das Ministerium hätte schon vor Jahren aktiv werden können." So habe das Luftfahrt-Bundesamt in einem internen Papier bereits 2003 gewarnt, dass Ölrückstände in Triebwerken "zur gesundheitsschädlichen Verunreinigung der Kabinenluft" sowie "Vergiftungserscheinungen bei der Flugbesatzung" führen könnten.
Der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit (VC), Jörg Handwerg, schätzt, dass es bei "deutschen Airlines bis zu zehn Vorfälle pro Woche gibt". Er sagte dem "Focus", weil noch keiner abgestürzt sei, "nehmen es die Hersteller bisher einfach nur zur Kenntnis". Der Flugkapitän forderte, das "System der Luftzufuhr aller Flugzeuge grundlegend" zu ändern.
Die Lufthansa hatte angekündigt, ein Analysegerät zur Messung möglicher Schadstoffe in der Kabine entwickeln zu lassen. Zudem wurden in Antriebsaggregate von Triebwerken bereits spezielle Bleche eingezogen. Sie sollen verhindern, dass austretendes Öl über Ansaugstutzen in die Kabinenluft gelangt. Bis alle Maschinen damit ausgestattet sind, sollen Techniker kontrollieren, ob Öl ausgetreten ist und das Ganze gegebenenfalls manuell reinigen.
Laut Lufthansa laufen die Maßnahmen schon länger und sind keine Reaktion auf den Vorfall bei ihrer Billigflug-Tochter Germanwings. Die Probleme mit verunreinigter Luft halten dort an: Am Donnerstag verhinderte ungewöhnlicher Geruch in der Passagierkabine den Start einer Maschine auf Sardinien.