Flugsicherheit Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter
Was kostet der Massenmord? Etwas mehr als 200.000 Euro sollte er kosten, der Massenmord, und genau das war im vergangenen Sommer offenbar ein ziemliches Problem für Muammar I., 30, aus Mainz, und Amjad H., 29, aus Wiesbaden. So flüssig waren die beiden nun auch wieder nicht, um einen Flughafen-Mitarbeiter dazu zu bringen, eine Kofferbombe in eine El-Al-Maschine am Frankfurter Airport zu schmuggeln. Also begannen sie zu feilschen.
Und weil ihr Mann hart blieb, hielten sie ihn noch mit der Geschichte hin, sie suchten gerade Geldgeber im Ausland. Schließlich aber, als sie schon aufgegeben hatten, wurden sie im November von der Bundesanwaltschaft kurzzeitig festgenommen. Die Dilettanten hatten so viele mögliche Helfer angesprochen, dass sie an den Falschen geraten waren: Der Mann mit der 200.000-Euro-Forderung war zur Polizei gegangen. Auch die "Frankfurter Gruppe", die hinterher alles nur als "Spaß" verstanden wissen wollte, war damit allem Anschein nach an einem in Islamistenkreisen weit verbreiteten Problem gescheitert: mehr Hass als Hirn.

Landung in Frankfurt: Der Rhein-Main Flughafen stand im Zentrum eines Terrorplans
Foto: DDPDiesmal war es also kein Sprengsatz in der Sohle, wie beim "Schuhbomber" Richard Reid an Bord einer American Airlines-Maschine im Dezember 2001. Auch kein Cocktail aus Flüssigsprengstoff, mit dem eine Londoner Terrorgruppe bis zu zehn Jets über dem Atlantik zerfetzen wollte. Stattdessen Islamisten, die sich an einen Flughafen-Mitarbeiter heranmachten, um ihn anzustiften. Doch selbst wenn sie sich dabei reichlich tollpatschig anstellten, eines haben auch diese Terror-Amateure mal wieder geschafft: den Flugverkehr, das Rückgrat der westlichen Geschäftswelt, noch weiter zu lähmen.
"So kann man nicht mehr endlos weitermachen"
Denn auf jede neue Masche folgt verlässlich eine neue Sicherheitsanalyse der Behörden, auf jedes Sicherheitsleck ein Sicherheitspatch: Auf den Schuhbomber Reid die Schuhkontrolle. Auf den Londoner Terrorplan das Limit für Flüssigkeiten im Handgepäck. Auf jeden Versuch, den Flugverkehr zu schützen, das Ergebnis, dass die Schlangen noch länger, die Passagiere noch genervter und die Maschinen noch unpünktlicher werden.
"So kann man nicht mehr endlos weitermachen", klagt deshalb Peter Andres, Sicherheitschef der Lufthansa, und er klagt nicht allein. Mit den europäischen Fluglinien warnt auch der Euro-Dachverband der Flughäfen vor einem ständigen Hochrüsten bei der Sicherheit. Irgendwann komme man vor lauter Kontrollen gar nicht mehr in die Luft, nur weil man jedes noch so kleine Risiko ausschließen wolle, heißt es in einem gemeinsamen Strategiepapier. Und alle zusammen ächzen sie nun so sehr, dass auch bei der EU-Kommission in Brüssel das Nachdenken darüber begonnen hat, ob es so weitergehen kann, wenn man noch weiterfliegen will. Ende des Jahres hat deshalb die Generaldirektion Verkehr eine Studie in Auftrag gegeben. Thema: eine komplett neue Sicherheitsphilosophie bei der Fluggastkontrolle.
Der Vorstoß der EU, zuständig für Mindeststandards bei den Passagierkontrollen, berührt zwei äußerst heikle Fragen. Nummer eins: Soll man beim Fliegen künftig einfach mehr Risiko in Kauf nehmen, statt ständig die Kontrollen zu verschärfen? Vorbild könnte die Bahn sein: Dort standen im vergangenen Sommer zwei Bombenkoffer in deutschen Regionalzügen, aber bei rund 30.000 Zügen und 4,9 Millionen Fahrgästen am Tag hätte es sowieso keine Chance gegeben, künftig alle Koffer zu durchleuchten. Also beruhigten Innenpolitiker unisono, die Bürger sollten sich nicht kirre machen lassen und einfach weiterfahren. Absolute Sicherheit so etwas gebe es nun mal nicht.
Die Oma aus Haselünne ist wohl kaum eine Attentäterin
Nummer zwei: Muss man die Hauptdoktrin der Flugsicherheit aufgeben alle Passagiere gleich zu kontrollieren? Ist es also an der Zeit, die Oma aus Haselünne mit dem Enkel an der Hand schneller durchzuwinken als den sunnitischen Gaststudenten aus dem libanesischen Flüchtlingslager? Weil die Wahrscheinlichkeit, dass Oma aus Haselünne eine islamistische Selbstmordattentäterin ist, nun mal ziemlich gering ist? Das Ergebnis wäre einerseits eine schnellere Abfertigung für viele, andererseits eine genauere Kontrolle vermeintlich riskanter Fluggäste dafür bliebe nämlich mehr Zeit.
Doch wer an diesen Punkt rührt, berührt nicht nur die Frage, ob am Flughafen vor der Torbogensonde alle Menschen gleich sind, sondern auch vor dem Grundgesetz. Wie viel Auswahl ist erlaubt, und wie viel Differenzierung bedeutet schon Diskriminierung? Der Staatssekretär im Berliner Innenministerium, August Hanning, sieht deshalb wenig Spielraum für Lockerungen. Die Lufthansa dagegen sieht die Zustände in Frankfurt, am Flughafen, und auch die lassen immer weniger Spielraum noch zu fliegen.