Hotel-Bewertungsportale Im Internet verglühen die Sterne
Hamburg - "Anlage: dringend renovierungsbedürftig. Betten hart. Bad sehr eng. Liegestühle meist defekt. Hauptverkehrsstraße führt direkt am Spiel-Gelände vorbei." Ein Gast des Drei-Sterne-Hotels "Zum Steinbauer" im bayrischen Amerang war nach seinem Aufenthalt mit Kindern nicht zufrieden und berichtete auf dem Internet-Ferienportal Holidaycheck.de ausführlich über seine Erfahrungen.
Außerdem beschwerte er sich beim TÜV Rheinland sowie beim Kinderschutzbund über das Familien-Hotel, das auf ihn wie eine "eher billige Pension" wirkte: Das Buffet stehe stundenlang ungekühlt bei 30 Grad Raumtemperatur, seine halbe Familie habe Brechdurchfall gehabt, die Kleinkindbetreuung sei mangelhaft. Mit dem Service immerhin war er einverstanden: "Zimmer sauber, Personal freundlich und hilfsbereit", schrieb der Kunde.
Hotelier Sepp Stein hatte ein Problem - trotz zahlreicher guter Kritiken auf der Bewertungsseite, wo Reisende für jedes Hotel der Welt eine bis sechs Sonnen in Kategorien wie Lage, Gastlichkeit, Service, Gastronomie und Sportmöglichkeiten vergeben können. Denn neben nett-harmlosen Überschriften wie "Gelebte Gastlichkeit" oder "Familienhotel zum Wohlfühlen!" brachte der kritische Titel "Renovierungsbedürftig, eng, Hauptverkehrsstraße" fast die 20-fache Anzahl an Lesern dazu, den Beitrag zu lesen. "Man kann sich nicht wehren dagegen", klagt der Hotelier, der die Kritik für nicht berechtigt hält.
Wo früher unzufriedene Gäste ihre Kritik auf dem Bewertungszettelchen aus dem Zimmer, im Gästebuch oder im Gespräch an der Rezeption kundtaten, können sie heute mit minimalem Aufwand sehr viele Menschen warnen. Dank Internet-Bewertungsportalen hat der Kunde eine stärkere Position als je zuvor und ein größeres Publikum. Denn die Cyber-Generation liest im Gästebuch, bevor sie das Hotel betritt. Knapp 70 Prozent der Internet-Nutzer verwenden Online-Informationen, wenn sie eine Reise planen, ergab eine Studie der Beratungsfirma Fittkau & Maaß. Nur knapp 41 Prozent gaben an, sich auf Reisebüros zu verlassen, 54 Prozent setzten auf Informationen von Freunden und Verwandten.
"Ein oder zwei seriöse Portale"
Das Problem: Informationen aus dem Internet genießen oft eine höhere Glaubwürdigkeit, als sie bei genauer Prüfung der Quelle verdienen. Gefälschte Jubelarien von als Kunde getarnten Mitarbeitern oder PR-Firmen sind ebenso verbreitet wie Dreckmarketing gegen unliebsame Konkurrenten und kaum zu kontrollieren. Zudem bekommt oft der subjektive Eindruck eines Einzelnen, der möglicherweise völlig andere Vorlieben hat als der Leser, ein unverhältnismäßig starkes Gewicht der Leser vergisst schon mal, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem eloquenten Blogger und einem guten Freund, der Ratschläge gibt.
"Es gibt ein oder zwei seriöse Portale, der Rest ist nicht der Rede wert, übt aber Schaden aus", sagt Markus Luthe vom Hotelverband Deutschland, der für die Vergabe von Hotelsternen zuständig ist. "Da geht es oft an die Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen." Um geschäftsschädigende Verzerrungen zu vermeiden, fordert er, eine Mindestzahl an Kunden-Bewertungen einzuführen, bevor die Kritiken auf Internet-Portalen für andere sichtbar sind. "Die Sterne sind immer noch wichtig, bilden einen Anker die Blogger dagegen stiften einen Zusatznutzen", sagt Luthe.
Katalog mit 1500 Kriterien
"Ich sehe Blogs und Online-Bewertungen eher als ein Emotionsbarometer", sagt Welf J. Ebeling vom Luxushotel-Bewertungsverband "Leading Hotels of the World". "Das kann und darf nicht als objektive Qualitätsbewertung gesehen werden." Um in den erlauchten Kreis der "Leading Hotels" aufgenommen zu werden, müssen die Hotels einen Telefonbuch-dicken Inspektionskatalog mit 1500 einzelnen Punkten standhalten. Die geschulten Mitarbeiter checken zunächst unerkannt für 48 Stunden ein und werfen anschließend auch einen Blick auf Küche und Waschkeller. So eine Rundum-Überprüfung kann kein Laie leisten.
Auch wenn die großen Bewertungsseiten Holidaycheck und TripAdvisor jede Meinung zunächst überprüfen und extreme Einträge herausfiltern der Wahrheitsgehalt der Empfehlungen bleibt zweifelhaft. Axel Jockwer, Marketingleiter von Holidaycheck.de, hält die Portale trotzdem für ausgezeichnete Entscheidungshilfen: "Der Konsument ist doch nicht doof wir haben ermittelt, dass User mindestens sieben Reviews für ein Hotel lesen, bevor sie eine Entscheidung treffen."
Sollte sich das Webwissen am Ende doch selbst regulieren, ergibt sich die Wahrheit nach dem Wikipedia-Prinzip der Schwarmintelligenz? Das Hotel "Zum Steinbauer" zumindest konnte nachhaltigen Schaden abwenden: Wenige Monate nach dem Kundenverriss wurde es als eines der weltweit 99 beliebtesten Hotels auf Holidaycheck.de ausgezeichnet.