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"Jetpac"-App: Instagram-Fotos als Reiseführer

Foto: jetpac.com

Foto-App "Jetpac" Reisetipps mit Lächel-Ranking

In welcher Bar treffen sich die Hipster? In welchem Restaurant wird am meisten gelächelt? Aus Milliarden Instagram-Fotos destilliert die App "Jetpac" Reisetipps und verpackt diese in Rankings. Nicht besonders heiter geht es demnach in Deutschland zu.

Am meisten gelacht wird in Berlin in der Großraumdisco Matrix, in München in der Bar 089 und in Hamburg im türkischen Restaurant Köz Urfa. Das zumindest geht aus Bilderdaten des Fotoportals Instagram hervor, die für "Jetpac" ausgewertet wurden. Die kostenlose App nutzt eine Software, die öffentlich verfügbare Fotos nach Details wie lächelnden Menschen, blauem Himmel oder Schnurrbärten absucht, um daraus über Attraktionen und Zielpublikum urteilen zu können.

Schnurrbärte? "Dadurch finden wir heraus, ob sich an einem Ort besonders viele Hipster aufhalten", behauptet Julian Green, 42, einer der Gründer des Angebots. Natürlich müsse man dabei länderspezifisch verschiedene Maßstäbe anlegen, "in der Türkei zum Beispiel sind Schnurrbärte viel stärker verbreitet". Doch der in San Francisco lebende Green ist überzeugt, dass eine für das Land überdurchschnittliche Schnurrbart- … ähem … -Dichte auf eine besonders angesagte Location hinweist.

"Bei Instagram gibt es Milliarden Fotos, die bislang niemand als Datenschatz nutzt", sagt Green, der schon mehrere erfolgreiche Start-ups gegründet hat. Dabei seien sie eine hervorragende Informationsquelle, gerade für Städtereisende: Wo werden besonders viele Fotos gemacht? An welchem Ort lächeln die Leute mehr als woanders? Wo fotografieren sich besonders viele Frauen mit Lippenstift? All das erfasst "Jetpac" für seine Rankings. Gezeigt werden in der App einige, aber längst nicht alle für die Auswertung relevanten Fotos.

Finde deinen "Tribe"!

Aus Milliarden Instagram-Fotos destilliert "Jetpac" eine beängstigende Vielfalt an Daten. So wird etwa bei Restaurants und Bars immer angegeben, welche Zielgruppe hier besonders stark vertreten ist: Studenten, Partytiere, Kiffer, Asiaten, Latinos, Schwule und Lesben - die App sucht Anhaltspunkte zu Herkunft und Interessen in den frei zugänglichen Profilen der Foto-Urheber. Unter dem Menüpunkt "Tribes" werden dann Ausflugsziele präsentiert, die für die einzelnen Gruppen offenbar besonders attraktiv sind.

Ob jedem Hobbyfotografen diese Instagram-Rasterfahndung gefällt, muss bezweifelt werden. Jedenfalls ist "Jetpac" ein Beispiel dafür, wie viel Information und Halbwissen sich aus Dateien gewinnen lässt, die Menschen freiwillig ins Netz stellen.

Tatsächlich sind viele der Tipps durchaus brauchbar. Da das Ganze jedoch Software-gesteuert ist, bleiben Fehler nicht aus. In Hamburg beispielsweise erreicht die U-Bahn-Station Osterstraße (beziehungsweise die darüber befindliche Kreuzung) Platz sieben im Ranking der besten Aussichtspunkte. In dieser Kategorie nämlich sucht "Jetpac"  nach Bildern, auf denen besonders viel blauer Himmel zu sehen ist. Ob sich darunter hässliche Betonbauten befinden oder ein idyllischer Park, erkennt die Software nicht.

Auch wer nach Geheimtipps sucht, dürfte enttäuscht werden, da eine möglichst hohe Zahl existierender Instagram-Fotos als Indikator für die Popularität eines Ortes genommen wird und im Ranking Punkte einbringt. Als einen Ersatz für klassische Reiseführer sieht Green sein Produkt nicht, eher als Ergänzung: "Die App ist für Leute, die in eine neue Stadt kommen und Inspiration suchen, was sie dort machen können."

Mindestens genauso interessant ist das Ganze für Privatfoto-Voyeure: Es macht Spaß, in seiner eigenen Stadt zu gucken, wie sich Bar- und Restaurantbesucher in Szene setzen. Auch lustig ist die Suche nach Fotos, die möglicherweise die automatische Auswertung verzerren, so wie etwa das Billy-Boy-Kondomautomat-Bild vom Hamburger Flughafen.

Ein Nebenprodukt der exzessiven Datenauswertung ist das, was Green den "Smile-Score" nennt. Für 128 Länder hat er Daten erhoben, wo auf Instagram-Fotos am meisten gelächelt wird. Brasilien erreicht mit großem Abstand Platz eins, Deutschland lediglich Rang 111. "Die Deutschen sind entweder nicht besonders fröhlich, oder sie lächeln nicht gern", sagt Green. Doch auch innerhalb des Landes gibt es demnach große Unterschiede: Laut Lächel-Score sind demnach unter den Großstädten Bremen und Dortmund die fröhlichsten, während Dresden und Potsdam die untersten Plätze belegen.

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