Kölner Zugunglück Bahn kämpft mit Problemen an ICE-Radwellen

Bremsen abschalten, viel häufigere Zuguntersuchungen, sogar Toiletten könnten stillgelegt werden: Die Bahn diskutiert nach dem Kölner Zugunglück drastische Maßnahmen - weil die Probleme mit ICE-Radwellen möglicherweise größer sind als bisher bekannt.

Köln - Die Probleme der Deutschen Bahn mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen sind möglicherweise weitaus größer als bisher öffentlich bekannt. Das zumindest legen zwei interne Schreiben an das Eisenbahnbundesamt (EBA) nahe - demnach gibt es Bedenken wegen der "Dauerfestigkeit" von Radwellen.

Seit vor gut einem Monat ein Hochgeschwindigkeits-ICE im Kölner Hauptbahnhof entgleist ist, suchen Experten der Bahn nach Fehlerquellen. "Um zu einem möglichst eindeutigen Ergebnis zu kommen, werden alle möglichen und denkbaren Aspekte in die aktuelle Analyse einbezogen", sagte ein Konzernsprecher SPIEGEL ONLINE. Dabei sind offenbar Bedenken wegen der Dauerfestigkeit der Laufradsätze aufgetreten.

Wie ernst die Gefahr eingeschätzt wird, ergibt sich aus den Kompensationsvorschlägen, die der Eisenbahnbetriebsleiter der DB Fernverkehr AG in zwei Briefen am 5. und 8. August an das EBA aufzeigt.

Um den Druck auf besonders beanspruchte Laufradsätze in den mittleren Waggons zu mildern, wird folgendes überlegt: Zum einen sollen kürzere Untersuchungsintervalle eingeführt werden.

Da die Last in den mittleren Waggons am größten ist, könnten zum anderen dort die Toiletten stillgelegt werden. Weil dann keine "Betriebsstoffe (Frisch- und Abwasser)" mitgeführt werden müssen, könne "die Last des Wagens um 735 Kilogramm" reduziert werden.

Im zweiten Schreiben schlägt der Fernverkehrsbetriebsleiter vor, an den Mittelwagen die zum Fahrbetrieb offenbar nicht notwendige Wirbelstrombremse abzuschalten, um die "Kraftbeanspruchung an den Wellen" zu reduzieren. Das habe noch einen "erheblich größeren Effekt" als die Reduzierung der Wassermassen.

Die betroffenen Schnellzüge verkehren auch zwischen Deutschland, den Niederlanden und Frankreich. Bei den französischen Nachbarn werden die Bremsen offenbar wieder zugeschaltet, da dort aufgrund der "Reservierungspflicht" mit einer "reduzierten Reisendenzahl" gerechnet wird.

Europäische Zulassungsnormen womöglich nicht eingehalten

Nach der Entgleisung des ICE-Zuges in Köln waren Zweifel an der Sicherheit laut geworden. Die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Seitdem gehen nahezu täglich Hinweise über mögliche Sicherheitsmängel ein.

Die Bahn will sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht zu Einzelheiten äußern. Zum Thema der Radsatzwellen sagte ein Konzernsprecher lediglich: "Die Radsatzwellen sind gemäß den zugrundeliegenden europäischen Normen hergestellt und weisen dementsprechend die notwendige Dauerfestigkeit für den Einsatz im Hochgeschwindigkeitsbereich auf." Außerdem seien nach einer Laufleistung von "mehr als drei Milliarden Kilometern" noch keine "Anzeichen für Rissbildung festgestellt" worden.

In Fachzeitschriften und von Experten wird das Problem der Dauerfestigkeit von ICE-Achsen und Radsatzwellen seit Jahren kontrovers diskutiert, wie SPIEGEL ONLINE schon unmittelbar nach dem Unglück berichtete. Eine der Publikationen wird pikanterweise sogar von einem Bahnvorstand mit herausgegeben.

Nach Informationen des ARD-Magazins "Monitor" sollen die europäischen Zulassungsnormen an den Laufradachsen in 17 ICE-Zügen der Baureihe 406 nicht eingehalten worden sein. "Monitor" zitiert Professor Vatroslav Grubisic, der als Gutachter im Fall des Eisenbahnunglücks von Eschede tätig war, mit den Worten: "Im Prinzip durfte man solche Achsen nicht einbauen."

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