Bilanz des Hamburger Luftfahrtgipfels Im Sommer droht Chaos

24 Maßnahmen gegen das Flugchaos hat der Luftfahrtgipfel im Oktober beschlossen. Doch eine erste Zwischenbilanz zeigt: Die Lage an den Flughäfen bleibt angespannt - vor allem zur Hauptreisezeit.
Tower am Hamburger Flughafen: vier Prozent mehr Luftbewegungen 2019

Tower am Hamburger Flughafen: vier Prozent mehr Luftbewegungen 2019

Foto: Axel Heimken / dpa

Die Flugreisenden in Deutschland müssen sich nach Einschätzung von Politik und Wirtschaft in diesem Sommer weiterhin mit Verspätungen und Flugausfällen herumschlagen. Trotz einiger Verbesserungen und hoher Investitionen bleibe die Lage angesichts des wachsenden Luftverkehrs angespannt, lautete das Fazit der Teilnehmer nach dem zweiten Luftfahrtgipfel in Hamburg.

Einige Maßnahmen - etwa die Ausbildung neuer Fluglotsen oder die Änderung von Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene - brauchten viel Zeit, andere seien schnell umzusetzen. "Wir wollen ein gutes Mobilitätsangebot für die Bürger, und wir arbeiten intensiv daran", sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Doch in diesem Sommer können wir noch nicht alle glücklich machen."

Der Gipfel in Hamburg mit Vertretern von Bund, Ländern, Airlines, Flughäfen, Flugsicherung und Behörden war das Nachfolgetreffen einer ersten Konferenz im vergangenen Oktober nach dem Chaos-Reisesommer 2018. Die Teilnehmer hatten einen Katalog von 24 Maßnahmen beschlossen und überprüften nun in Hamburg, wie weit sie in jedem einzelnen Punkt gekommen sind. Scheuer sagte, alle Maßnahmen seien angegangen worden.

Nach einer Analyse des Internetportals AirHelp hat sich die Zahl der gestrichenen und verspäteten Flüge in Deutschland im vergangenen Jahr gegenüber 2016 um 55 Prozent auf 242.000 Problemflüge erhöht. Dabei sei das Flugaufkommen lediglich um fünf Prozent gestiegen. Fast zwei Millionen Flugreisende hätten ihr Ziel gar nicht oder mit mehr als drei Stunden Verspätung erreicht, doppelt so viele wie 2016.

Und dieses Jahr wird es am Himmel über Deutschland noch enger. Nach dem Rekordwert von 3,4 Millionen Flugbewegungen im Vorjahr erwartet die Flugsicherung eine weitere Steigerung von bis zu vier Prozent im deutschen Luftraum.

Mehr Personal am Boden, mehr Jets in Reserve

Wegen der angegangenen Probleme werde es in diesem Sommer "vielleicht etwas besser als letztes Jahr", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und Chef der Deutschen Flugsicherung (DFS), Klaus-Dieter Scheurle. Es könnten aber nicht alle Kapazitätsprobleme gelöst werden. Er verwies darauf, dass Flughäfen mehr Personal etwa für Bodendienste eingestellt hätten.

Fluglinien hielten darüber hinaus mehr Jets als sogenannte Reserve in Bereitschaft und die Zahl der Fluglotsen in Ausbildung sei auf 122 erhöht worden. Hauptproblem sei jedoch, dass die Zahl der Flüge im deutschen Luftraum im vorigen Jahr um rund 54.000 höher ausgefallen sei als noch wenige Monate vorher prognostiziert und weiter steigen werde. Die Kapazität des Luftraums stoße an Grenzen.

Nach Angaben von Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr investierte sein Konzern inzwischen mehr als 250 Millionen Euro in Maßnahmen, die auf dem ersten Luftfahrtgipfel beschlossen wurden. Unter anderem seien 600 Mitarbeiter eingestellt worden, darunter 200 Mechaniker, sagte er.

In diesem Sommer wird die Lufthansa nach Spohrs Worten darüber hinaus 37 Flugzeuge als Reserve vorhalten, um den Flugplan zu stabilisieren. Das seien 50 Prozent mehr als im vorigen Jahr. Die Fluggesellschaften stünden im internationalem Wettbewerb und hätten ein Interesse, die Qualität des Luftverkehrs zu halten und "strukturelle Engpässe" für Wachstum zu beseitigen, sagte der Chef der größten deutschen Fluglinie.

Condor-Chef: Produktivität an den Flughäfen nicht zufriedenstellend

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) hatte zuletzt kritisiert, dass von den 25 Vorhaben bislang noch wenig umgesetzt sei. Sie befürchtet, das Verspätungschaos an deutschen Flughäfen könne in diesem Sommer noch gravierender ausfallen als im vergangenen Jahr. Auch sie sehen den Hauptgrund dafür bei einem massiven Personalmangel in den Kontrollzentralen der Deutschen Flugsicherung (DFS).

Nach Ansicht von Condor-Chef Ralf Teckentrup gebe es bei den Sicherheitskontrollen es noch immer Engpässe. "Prozesse, Organisation und Verantwortlichkeiten - da muss noch deutlich nachgebessert werden", sagte Teckentrup dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Produktivität an den Flughäfen sei im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auf keiner zufriedenstellenden Qualitätsstufe: "Hier ist eindeutig die Politik gefragt."

Mit Blick auf die Flugsicherung sagte der Condor-Chef, die Behörden hätten unterschätzt, wie stark die Nachfrage im europäischen Luftverkehr wachsen würde. Kurzfristig lasse sich das nicht mehr ändern, sagte Teckentrup, der auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) ist: "Wir haben zu wenig Lotsen. Das wird auch 2020, 2021 und 2022 so sein", sagte er. Zusätzlich eingestelltes Personal in den Flugsicherungen könne erst nach einer Ausbildung von mindestens vier Jahren den regulären Dienst antreten.

abl/dpa/AFP
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