Reiserecht
Storno von Reisen in SARS-Regionen nicht generell kostenlos
Hongkong, Singapur, Toronto - die Lungenkrankheit SARS breitet sich aus. Ein Rücktritt von Reisen in betroffene Gebiete ist bisher nicht grundsätzlich kostenlos, stornowillige Kunden können sich nach Ansicht eines Reiserechtlers jedoch auf höhere Gewalt berufen.
Kempten - Im Allgemeinen sind Stornierungen von Reisen ohne Gebühren möglich, sobald das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgibt. Bislang gibt es von der Behörde in Sachen SARS
aber lediglich Verhaltenshinweise: Besucher sollen demnach leichte
Atemmasken einpacken und den direkten Kontakt zu anderen Menschen
etwa in Bussen oder Fahrstühlen vermeiden.
Wer dennoch eine bevorstehende Reise zum Beispiel nach Hongkong
storniert, bleibt nach Ansicht von Ernst Führich, Reiserecht-Professor an der Fachhochschule Kempten, allerdings nicht zwangsläufig auf
den hohen Stornogebühren von bis zu 80 Prozent des Reisepreises
sitzen. "Liegt eine erhebliche Gefährdung vor, kann die Reise
kostenlos gekündigt werden", erklärt Führich, und verweist auf ein
Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe aus dem Jahr 2002
(Aktenzeichen: X ZR 147/01) und die reiserechtliche Vorschrift zur höheren
Gewalt. Demnach muss der Kunde lediglich nachweisen, dass die
Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Gefährdung oder einer
Beeinträchtigung der geplanten Reise "bei 25 Prozent liegt".
Für Hongkong oder Südchina hält Führich eben diesen Tatbestand auf
Grund der dort aufgetretenen SARS-Fälle für erfüllt. "In einem so
dicht besiedelten Gebiet wie Hongkong lässt sich der Kontakt zu
anderen Menschen nicht vermeiden", sagt der Experte.
Nach Ansicht Führichs werden Länderwarnungen zu zögerlich
herausgegeben: "Das Schutzinteresse der Verbraucher gerät in den
Hintergrund, die wirtschaftlichen Interessen der Tourismuskonzerne
und der Urlaubsgebiete überwiegen." So entstehe eine Grauzone, in der
die Reisenden die Gefährdung nachweisen müssen. "Die Gerichte sind
aber in der Regel auf der Seite der Verbraucher", sagt Führich.
Seriöse Zeitungsartikel über die gesundheitlichen Gefahren in einem
Land reichen seiner Einschätzung nach als Beweis aus.