
Riesenwellen im Atlantik: Komm her, flüstert das Meer
Surfer-Mutprobe im Atlantik Jagd auf die Monsterwelle
Es sind weniger Wellen als Wände aus Wasser, die derzeit vor der Atlantikküste Südwestfrankreichs gen Küste rollen. Menschen wirken angesichts dieser Naturgewalten winzig wie Ameisen, mit ebenso geringer Fähigkeit zum Widerstand. Doch gerade dieser Kräfteunterschied lockt viele Surfer jetzt auf die Bretter.
Aus aller Welt reisen sie derzeit nach Europa, um eine der "Big Waves" zu erhaschen. Nicht alle von ihnen trauen sich am Ende ins Wasser, doch auch der Blick mit dem Fernglas vom Strand oder von den Klippen aus dürfte selbst für Profis etwas Besonderes sein. Größen der Szene wie der Australier Jamie Mitchell, der Südafrikaner Grant Baker oder der Franzose Benjamin Sanchis versuchen nun, sich am Belharra-Riff bei der Jagd auf die größte Welle gegenseitig zu übertrumpfen.
Auch der aus Hawaii stammende Shane Dorian setzte sich kurzerhand ins Flugzeug, als er von den guten Aussichten hörte, wie der 41-Jährige auf seiner Facebook-Seite schrieb. Obwohl Dorian erst im vergangenen Jahr den von einer Surffirma ausgelobten "XXL Global Big Wave Awards" für die höchste Welle des Jahres gewonnen hat, flößt das Wasser dem Amerikaner noch immer großen Respekt ein, auch in Frankreich. "Ich hatte ein paar schwere Schmetterlinge im Bauch", sagte Dorian laut "Guardian" , als er seine Füße wieder in den Sand setzte, noch immer mitgenommen vom Jetlag.
Eine emotionale Achterbahn
Eine so hohe Welle zu reiten sei "wie die Wand eines Gebäudes hinunterzublicken". Er müsse sich ganz auf sich konzentrieren und seine Erfahrung nutzen, um nicht zu fallen, so dass er im Wasser nichts sonst bemerke. Die eigene Angst zu überwinden, sei sehr anstrengend, sagt Dorian, eine "emotionale Achterbahn", aber darum gehe es ihm dabei. Und er verfolgt den Wetterbericht weiter, sagt er - immer in der Hoffnung auf neue Gelegenheiten, sich in diesem Winter mit dem Meer und sich selbst zu messen.
Das Belharra-Riff, dem südlich von Biarritz gelegenen Saint-Jean-de-Luz vorgelagert, gilt als eines der Surfreviere, die im Winter einige der größten Wellen Europas garantieren - wenn Wetter und Wind mitspielen. Dass derzeit so starke Brandung auftritt, liegt an über dem Atlantik befindlichen Tiefdruckgebieten. Auch für die Küsten von England, Irland, Portugal und Spanien sind Stürme und in deren Folge auch hohe Wellen angesagt - für Surfer wie Dorian ideale Bedingungen.
Nun können erfahrene Sportler wie er zumindest in etwa einschätzen, auf was sie sich einlassen, wenn sie sich freiwillig in die Wellen begeben - wobei es auch beim Surfen immer wieder zu Todesfällen kommt. Andere trifft die Wucht des Wassers unerwartet: In den vergangenen Tagen sind an Europas Atlantikküsten mehrere Menschen von Wellen fortgerissen worden. In Spanien wurde eine ganze Familie ins Meer gezogen, und auch in Portugal gab es Verletzte sowie Sachschäden an Autos und Häusern.