Sehnsuchtsziele der Tauchprofis Jäger der kleinen Monster
Lembeh-Straße: Willkommen beim Critter
Wolfgang Pölzer arbeitet als Fotojournalist für das Magazin "tauchen", daneben hat er sieben Tauchreiseführer veröffentlich - und vor der Küste Sulawesis ist der Österreicher zum Jäger der kleinen Monster geworden.

Bobbit-Wurm in der Lembeh-Straße vor Indonesien: Klein, aber skurril
Foto: Wolfgang PölzerEs dauert nur kurz, bis man sich an das so völlig andere Tauchverhalten in der Lembeh-Straße gewöhnt hat. Jeder Quadratzentimeter des auf den ersten Blick völlig kahl wirkenden Meeresgrunds erscheint plötzlich hochinteressant. Unter jedem versunkenen Blatt könnte sich ein neues, skurriles Fotomotiv verbergen: bizarr geformte, meist nur winzig kleine Lebewesen, die als "Critter" bezeichnet werden.
Jeder Federstern, jedes Stück Schwamm, jeder Seeigel wird nach Garnelen, Anglerfischen oder Krabben abgesucht. Das Tauchen hier erinnert mehr an die Spurensuche eines CSI-Teams als an ein Schweben durch die bunte Unterwasserwelt. Und es macht süchtig. Ein Mal nur möchte man ein sensationelles Vieh vor dem Guide entdecken! Nicht nur fürs Foto, sondern fürs Ego.
Wer tagsüber schon mehr als Respekt vor den kleinen Monstern hat, sollte bei Nacht vielleicht besser an Land bleiben. Kreaturen, die ohne Änderung sofort bei einem Horrorfilm mitspielen könnten, kriechen nun aus ihren Schlupflöchern. Eine der seltensten und begehrtesten davon ist der Bobbit-Wurm. Bis zu drei Meter lang, führt der Borstenwurm tief vergraben im Sand ein Leben im Verborgenen.
Im Schutz der Dunkelheit streckt er sein Vorderende gerade mal ein Stückchen aus dem Boden heraus. Und das erinnert verblüffend an eine Mischung aus Fangeisen und dem Maul der Sandwürmer aus dem Science-Fiktion Klassiker "Der Wüstenplanet": Kommt ein Fisch seinen Maulwerkzeugen zu nahe, schnappt der räuberische Wurm blitzartig zu und verschwindet mitsamt der Beute im Sand.

Sehnsuchtsziele der Taucher: Monster, Wracks und lichtlose Höhlen
Fontaine du Truffe: Mit der Nase durch den Kies
Ralph Wilhelm ist einer der führenden Höhlentaucher Europas - weit im Gestein war er an Plätzen, an denen vor ihm erst weniger Menschen als auf dem Mond waren. Tief im südfranzösischen Department Lot hat er seine Lieblingshöhle gefunden, die Fontaine du Truffe.

Französische Höhle: Tief im Bauch der Erde
Foto: Ralph WilhelmSchon in drei Meter Tiefe wird es dunkel, und man spürt den Fels um sich herum. Der Blindflug beginnt. Aus früheren Tauchgängen weiß man sich aber zurechtzufinden: Wenn der Kopf plötzlich anstößt, wird der Oberkörper im 90-Grad-Winkel nach unten geklappt, bis die Nase im Kies einschlägt. Jetzt wieder vorwärts durch eine Engstelle winden.
Die Nase bleibt im Kies, der Bauch wird leicht eingezogen und die Flossen sorgen für Vorschub, während die Hände im lockeren Kies versuchen, sich nach vorne zu arbeiten. So plötzlich wie sie anfing, hört die Engstelle auch wieder auf. Nur einen Meter ist sie lang. Die Nase kann man jetzt aus dem Kies nehmen.
An dieser Stelle stockt den meisten Tauchern der Atem in der Fontaine du Truffe. Nach der gefühlten Nullsicht in Quelltopf und Engstelle verliert sich der Schein der Gasentladungslampe plötzlich in der klaren Unendlichkeit der Höhle. Diese hat sich zu einem ovalen Gang von zwei Meter Breite und vier Meter Höhe geweitet. Eine Sünde, ausgerechnet jetzt noch einmal die Ausrüstung zu überprüfen. Eine Todsünde aber, dies nicht zu tun: Beim Durchquetschen der Engstelle könnten sich die Ventilhandräder der Tauchflaschen verdreht haben.
Mitten im Gang schwebend, die schier endlose Sichtweite genießend, hat man den Eindruck, als bewege man sich in Luft - so klar ist das Wasser. Aber die zur Decke steigenden Blasen der Ausatemluft, die im Schein der Lampe wilde Schattenspiele auf das helle Gestein der Wände zaubern, beweisen, dass man doch unter Wasser ist.
Malta: U-Boot mit Seele
Trotz Mantas auf den Malediven oder Grauhaien vor Galapagos: Den Tauchexperten Linus Geschke zieht es immer wieder nach Malta, die kleine Insel im Mittelmeer. Eine Leidenschaft, die auch mit einer ausgeprägten Vorliebe für Altmetall verbunden ist.

Meeresboden vor Malta: Ein Eldorado für Wracktaucher
Foto: Gerald NowakNach dem Abstieg vom Tauchboot sinkt man durch das Freiwasser, um einen herum das große Nichts: kein Riff, keine Wand, keine Erhebung. Nur Blau. Tauchbasenbesitzer Udo Türscherl taucht voran, dann zeigt sein ausgestreckter Arm nach unten: Da ist doch nichts - oder doch? Ein schlankes Gebilde zeichnet sich schemenhaft ab, rund 66 Meter lang und nur gut sieben Meter breit: die Silhouette eines U-Boots. Genauer gesagt, ein britisches aus dem Zweiten Weltkrieg, noch genauer: eines der "S-Klasse".
In ihm sollen einst 48 Menschen gelebt, gearbeitet und gelitten haben? Kaum vorstellbar. Der Turm ist noch wunderbar erhalten, eine kleine Luke führt ins Innere, viel zu schmal, viel zu gefährlich. Die "Stubborn" ist nur zu einem Zweck gebaut wurden, sie sollte gegnerische Schiffstonnage vernichten - an große Öffnungen für spätere Besuche von Sporttauchern hat dabei niemand gedacht.
Es geht vorbei am Wintergarten, wo die Geschütze standen, und an Öffnungen im Rumpf, mit denen das U-Boot für Tauchfahrten geflutet wurde. Ganz vorne, fast am Bug, dann das, was ein für den Kampf gebautes Unterseeboot ausmacht: die Öffnungen der Torpedorohre. Obwohl die "Stubborn" schon konstruktionsbedingt nicht die Fülle an Details bietet, mit denen manche Schiffe aufwarten können, hat sie etwas, was vielen der künstlich versenkten Wracks leider abgeht - eine Seele.
Brother Islands: Stopp bei der Putzerstation
Gerade jetzt, in der Tourismuskrise, ist Ägypten für den Tauchlehrer und Taucher.Net-Mitarbeiter Gunther Maassen wieder eine Reise wert. Besonders dann, wenn es zu den Brother Islands geht - zwei winzige Inseln im offenen Meer.

Brother Islands: Wracks, bunte Korallenwelten und ein enormer Fischreichtum
Foto: Adrian SchöneHier, wo sich viele Putzerfische aufhalten, kreisen mit ein wenig Glück Graue Riffhaie über dem Vorsprung, die sich mit Hammer- und Seidenhaien um die besten Plätze zanken. Um diese möglichst lange zu betrachten, sollten Taucher sich bei Strömung ein unbewachsenes Stück Riff suchen und sich dann daran festhalten - nur nicht die Tiere bedrängen, nicht ihre Schwimmbahnen durchkreuzen, ganz ruhig weiteratmen. Wobei Letzteres nicht ganz einfach ist. Es ist nicht die Angst oder gar Panik, die den Atemrhythmus nach oben treibt, sondern die pure Freude darüber, einige der faszinierendsten Meeresbewohner so ausgiebig bewundern zu können.
Manches Mal sind sie direkt nach dem Abstieg schon da, ein anderes Mal muss man etwas länger warten, ab und zu lässt sich auch keines der grauen Muskelpakete blicken. Alles kann, nichts muss. Tauchgänge an den Brothers sind kein planbares Erleben, stattdessen jedes Mal aufs Neue ein Abstieg ins Ungewisse.
Wieder geht es mit dem Schlauchboot in Richtung Nordwest, wieder durch die Brandung hindurch, wiederum ist schnelles Abtauchen gefragt, um dann in gut 40 Meter Tiefe auf einem Riffvorsprung zu landen, den Guides im Briefing gerne als Sharkpoint bezeichnen. Oder, einfacher: die Nase.
Ligurien: Ewiges Grab Meer
Nina Zschiesche ist Redakteurin des VDST-Magazins (Verband Deutscher Sporttaucher) "Sporttaucher". Unter all den Wracks, die sie gesehen hat, hat sich keines so stark ins Gedächtnis gebrannt wie das der "Amoco Milford Haven": ein stählerner Gigant, der vier Tage lang brannte, bevor er bei Genua im Meer versank.

Sehnsuchtsziele der Taucher: Monster, Wracks und lichtlose Höhlen
Obwohl die "Haven" bei dem Unglück ihren Bug verloren hat, ist sie noch immer 250 Meter lang und 50 Meter hoch - das größte Wrack des Mittelmeers und ein Magnet für Wrackliebhaber aus der ganzen Welt.
Mit welcher Macht das Feuer vor 20 Jahren auf dem Tanker getobt hat, können die Taucher, die der Guide Pippo di Piazza zur "Haven" mitnimmt, noch heute deutlich sehen. Die Stahlwand der Schiffshaut hat sich an manchen Stellen so verbogen und Wellen geschlagen, als hätte sie nur aus billigem Plastik bestanden. Auf dem Hauptdeck sind die Reste von Stiegen und Rohrleitungen zu sehen, die durch das Feuer teilweise bis zur Unkenntlichkeit verformt wurden.
Die gewaltige Gangway, die von einer meterdicken Säule gestützt wurde, liegt da wie ein abgeknicktes Streichholz. Die oberen Aufbauten sind komplett ausgebrannt. Vom Inventar ist nichts übrig, nur ein paar Austern und Schwämme haben sich mittlerweile an den nackten Wänden festgesetzt. Auch die Kommandozentrale ist kahl - keine Möbel mehr, keine Geräte, keine Armaturen, die Flammen haben alles verschlungen.
Nur eine kleine Jesusstatue steht einsam in dem totgebrannten Raum. Taucher haben sie zum Andenken an die Opfer der Katastrophe hier aufgestellt. Einen kurzen Moment erinnern sie die Besucher daran, dass die "Haven" nicht nur ein Spielplatz für Wracktaucher ist, sondern ein Grab für sechs Menschen, deren Leichen nie geborgen wurden.