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Sousse in Tunesien: Leere Strände, Schüsse auf den Straßen

Foto: Lars Baron/ Bongarts/Getty Images

Sousse in Tunesien Stille an der Touristenküste

Die meisten Urlauber sind abgereist, die Hotelmitarbeiter stehen gelangweilt herum: Die tunesische Mittelmeerstadt Sousse hat sich innerhalb weniger Tage verwandelt. Wo sonst Besucher durch die Altstadt streifen, gibt es nun Polizeikontrollen - und immer wieder fallen Schüsse.
Von Victor Libert

Leere Hotels, geschlossene Restaurants und verwaiste Strände: Während in großen Teilen Tunesiens immer noch Spannung und Chaos herrscht, ist in Touristenorten wie Sousse eine ungewohnte Ruhe eingekehrt. Die hektischen Rückholaktionen westlicher Reiseveranstalter haben eine große Lücke hinterlassen.

Die Mittelmeerstadt ist einer der beliebtesten Touristenorte in Tunesien. Normalerweise drängeln sich ganzjährig Besucher auf der Strandpromenade und in den umliegenden Cafés und Restaurants. In der verschlungenen Altstadt, der Medina, machen Verkäufer sonst ein gutes Geschäft mit den westlichen Touristen.

Doch seit diesem Wochenende sind die Bars und Promenaden leer und Taxifahrer drehen vergebens ihre Runde auf der Suche nach Kundschaft. Stattdessen stehen überall an den Straßen Soldaten und kontrollieren vorbeifahrende Autos, nachts sind Schüsse zu hören. Abends versammeln sich überall in den Straßen Männer, um ihre Viertel vor Plünderungen zu schützen. Nach Sonnenuntergang herrscht für alle anderen Ausgangssperre.

"Von unseren 280 Gästen der vergangenen Woche sind nur noch ungefähr 20 da. Der Rest ist abgereist", beschreibt Peter Schöneberger die Situation. Der Schweizer ist Manager des Mövenpick-Hotels in Sousse. Er blickt sich in der weitläufigen, verlassenen Lobby um: "Auch die Buchungen für die nächsten Wochen wurden storniert."

500.000 Besucher aus Deutschland pro Jahr

Tunesien hat bei deutschen Urlaubern einen guten Ruf. Neben Strand, Sonne und Meer hat das Land mit dem reichen kulturellen Erbe einiges zu bieten, nicht nur die typische Touristen-Folklore. Die tunesischen Gastgeber gelten als freundlich und vertrauenswürdig.

Insgesamt eine halbe Millionen Deutsche kommen daher jedes Jahr in das nordafrikanische Land. Damit sind sie die zweitgrößte Besuchergruppe hinter den Franzosen. Viele von ihnen sind Stammgäste, die immer wieder kommen. Doch damit dürfte jetzt erst einmal Schluss sein. Schon als in Djerba vor neun Jahren eine Bombe mehrere deutsche Touristen tötete, brach das Geschäft ein. "Die deutschen Besucherzahlen haben sich davon nie mehr erholt", sagt Schöneberger. Dabei sind laut einer Sprecherin des tunesischen Fremdenverkehrsbüros diese Gäste besonders wichtig für das Land. Sie würden länger bleiben als die Franzosen und das ganze Jahr über nach Tunesien reisen. "Die deutschen Urlauber werden gebraucht."

Für die tunesische Wirtschaft ist der Schaden noch nicht abzusehen. In vielen Orten basiert die gesamte Wirtschaft auf den Geldern aus Europa. Allein im Mövenpick-Hotel sind 480 Menschen angestellt.

"Ich fühle mich sicher"

Im Nachbarhotel, dem Ryadh Palms, sitzt Hans-Joachim Zsiegner im Foyer und zieht gelassen an seiner Zigarette: "Die Tunesier haben nichts gegen Touristen. Ich fühle mich sicher." Von seinen 150 deutschen Mitreisenden haben sich nur acht fürs Bleiben entschieden. Der Leipziger war gekommen, um den Norden des Landes zu erkunden, nachdem er vergangenes Jahr schon einmal Tunesien besucht hat. Doch aus diesen Plänen wird wegen der Sicherheitslage dieses Mal nichts.

Irene Gilleßen ist eine von Zsiegners wenigen Mitreisenden, die geblieben sind. Die 69-jährige Rentnerin braucht eine Gehhilfe. "Wir sollten innerhalb von einer Stunde packen und fertig sein zur Abreise, hat die Reiseleitung gesagt. Wie soll ich das machen? Außerdem brauche ich am Flughafen eine Einsteigehilfe. Das hätte alles nicht funktioniert", sagt Gilleßen.

An den Rezeptionen herrscht derweil gähnende Langeweile, Kellner schlendern herum, auf der Suche nach Beschäftigung. Schöneberger hofft dennoch, die meisten seiner Angestellten halten zu können. Unbezahlter Urlaub soll über die schweren Zeiten hinweghelfen. "Arbeitslosigkeit hat uns in diese Situation geführt, wir müssen aufpassen, das Problem nicht noch zu verschärfen", sagt der Hotelmanager.

Die Proteste, die zum Sturz des tunesischen Präsidenten geführt haben, hatten sich vor allem an der hohen Jugendarbeitslosigkeit entzündet. Viele Studenten finden nach ihrem Abschluss keine entsprechende Anstellung.

Mehr Touristen aus Osteuropa

Ein Blick auf die weitläufige Hotelterrasse zeigt, dass es für Schöneberger schwierig werden dürfte, sein komplettes Personal weiter zu beschäftigen. Überall stehen Angestellte herum und stecken die Hände in die Hosentaschen.

In den vergangenen Jahren haben Reisende aus Osteuropa Tunesien für sich entdeckt und konnten den Einbruch der deutschen Besucherzahlen etwas abfedern. Auch aus den Nachbarländern Algerien und Lybien kommen immer mehr Touristen. Ob das jedoch ausreicht, um die tunesische Wirtschaft zu stützen, weiß zurzeit keiner zu sagen.

Von der Krise profitieren könnten die Hotels in der Hauptstadt Tunis. Falls es zu Wahlen und demokratischen Reformen kommt, werden wahrscheinlich Wahlbeobachter, Offizielle der Vereinten Nationen und Staatsgäste ins Land strömen. Sie alle sind zahlungskräftig und wollen irgendwo untergebracht und verpflegt werden.

Auch für die mittlerweile wieder beliebte Ferieninsel Djerba sieht Schöneberger kein großes Problem: "Viele wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass Djerba ein Teil von Tunesien ist." Außerdem ist die Insel diesmal von Gewalt weitestgehend verschont geblieben.

Für die übrige tunesische Tourismusbranche sieht der Schweizer nur einen Ausweg. "Wenn die Weltöffentlichkeit sich auf die nächste Krise in einem anderen Land konzentriert, dann können wir hier wieder anfangen, Werbung zu machen und Besucher anzulocken."

Mit Material von Reuters
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