Spanien Das Flamingo-Paradies
Sanlúcar de Barrameda - Spaniens größtes Feuchtgebiet im Südwesten des Landes ist ein ideales Winterrevier für rund 350 Vogelarten, touristisch aber noch so gut wie unerschlossen. Das soll sich zwar ändern - aber mit Bedacht. Allen Beteiligten ist klar, dass Massentourismus und Naturschutz in einer ökologisch so bedeutsamen Region nicht unter einen Hut zu bringen sind.
"Grundsätzlich geht es schon jetzt, den Park zu erkunden ", sagt Ignacio Rivero, Geschäftsführer von Turismo de Doñana. So gibt es etwa organisierte Führungen und Geländewagen-Touren zu den drei Informationszentren. Maximal 400 Personen täglich ist der Zutritt zum Nationalpark erlaubt. Besucher, die auf eigene Faust auf die Pirsch nach Fotomotiven gehen, sind nicht gern gesehen - und das soll auch so bleiben.
Die Ausflüge beginnen unter anderem in Sanlúcar de Barrameda. Von dem kleinen Ort an der Costa de la Luz nördlich von Cádiz geht es gemächlich mit dem Schiff den Guadalquivir aufwärts und hinein in den Nationalpark, der sich links und rechts des Flusses erstreckt. Die gesamte Doñana-Region ist rund 300.000 Hektar groß. 125.000 davon sind geschützt, der eigentliche Nationalpark umfasst 50.000 Hektar.
Mit dem Fernglas an Deck stehend, können Touristen sich mit der Landschaft vertraut machen. Das dichte Grün der Baumkronen, die über das Ufer ragen, wirkt nicht gerade typisch für Andalusien. Als weißer Streifen am Horizont taucht kurz die "Düne der Wildgänse" auf, Teil eines bis zu fünf Kilometer breiten Dünengürtels.
Quartier für 350 Vogelarten
"Es gibt eine ganze Reihe endemischer, nur im Nationalpark vorkommender Pflanzen und zum Glück auch viele teils seltene Tierarten", erzählt Manuel Delgado, Vizedirektor der Nationalparkverwaltung. Dazu zählen durchaus nicht nur Vögel vom Ibis über den Kaiseradler und den Weißstorch bis zu den rund 25.000 Flamingos, die sich im Flachwasser wohl fühlen. "Im Park leben auch gut 30 der vom Aussterben bedrohten iberischen Luchse", sagt Delgado. Die spitzohrigen Wildkatzen sind aber scheu und dürften Touristen kaum vor das Objektiv laufen. In dem riesigen Waldgebiet der Region gibt es auch Hirsche, Wildpferde und rund 1000 frei lebende Rinder.
Die Touristen wollen natürlich etwas zu sehen bekommen - und dem wird auch Rechnung getragen. Beim ersten Halt des Schiffes führen Holzbohlenwege rund zu einfachen Häuschen in einem Pinienwald. Das "Poblado de la Plancha" ist eine ehemalige Fischersiedlung, die jetzt musealen Charakter hat.
In den dunklen Innenräumen ist noch zu sehen, wie die Bewohner gelebt haben: Es muss ein einfaches Leben gewesen sein: Die Holzhütten haben Schilfdächer, die Inneneinrichtung besteht aus Holztischen und Stühlen, einfache Zinkwannen und Waschbrettern. So sah es hier auch noch aus, als 1969 der Nationalpark geschaffen wurde. "Damals lebten noch einige Familien hier und durften auch bleiben", so Delgado. "Der letzte Bewohner ist erst vor zwei Jahren gestorben."
Nachhaltige Nutzung gefragt
Völlig unberührt von der Moderne ist der Nationalpark nicht. Landwirte in der Umgebung produzieren in großem Stil auf riesigen Plantagen Erdbeeren - durchaus nicht auf ökologischer Basis. Und 1998 traten in unmittelbarer Nähe hochgiftige, mit Säure und Schwermetallen angereicherte Abwässer aus dem Stausee einer Bergbaufirma aus. Umweltschützer befürchten, dass Langzeitfolgen durch die Umweltgifte auch für den Nationalpark nicht auszuschließen seien.
Dennoch sei Coto de Doñana unter ökologischen Gesichtspunkten ein "Juwel in ganz Spanien", sagt Michael Iwand, Umweltbeauftragter des Reiseveranstalters TUI. Für die Region sei es die entscheidende Frage, wie der Naturschutz eine wirtschaftliche Grundlage bekommen könne: "Es geht um nachhaltige Nutzung der reichen natürlichen Ressourcen, die die Natur nicht zerstört."
Die Ansätze dazu sind da: Eine Form der nachhaltigen Nutzung ist Fischzucht. Besucher können Fischern dabei zusehen, wie sie bis zu den Hüften im Wasser stehend Reusen auswerfen und die Netze kurz darauf wieder an Land bringen. In den Netzen zappeln armgroße, silbrige Fische. Die fangfrischen Fische serviert auch das Restaurant von Veta La Palma. Es gehört zu einer Reihe von kleinen Betrieben, die auf ökologisch verträgliche Aqua-Bewirtschaftung setzen.
Besonders nachdrücklich erschließt sich die Landschaft bei einer Fahrt über eine der Lagunen - mit Patera genannten Booten, die ausschließlich mit Pferdekraft bewegt werden. Zwei Reiter in traditioneller Montur, engen Hosen, weißen Hemden, kurzen Jacken und breitrandigen Hüten ziehen das Boot hinter sich her, während die Pferde im Schritttempo durch das Wasser traben. Die Touristen an Bord können ihre Blicke über die fast endlosen Wasserflächen schweifen lassen. Am eindrucksvollsten sind die Momente, in denen Besucher des Nationalparks von Vögeln geradezu eingeschlossen sind. Reiher mit breiten Schwingen und langsamen Flügelschlag ziehen am Himmel entlang. Löffler stehen eng aneinander gereiht nur wenige Meter vom Boot entfernt und ein Fischadler kreist über der Wasserfläche. Wie aus dem Nichts wimmelt es am Himmel plötzlich vor rosa Punkten. Rosa Flamingos sind plötzlich wie eine große rosa Wolke aufgeflogen und formieren sich nach einer eigenwilligen Choreografie. Soviel ist sicher: Der Luftraum über der Coto de Doñana gehört ganz den gefiederten Flugkünstlern.
Von Andreas Heimann, gms