Tourismusstrategie nach der Revolution "Urlauber wissen nicht, was Tunesien zu bieten hat"

E-Musik- und Street-Art-Festivals, Wüstenyoga und Golfplätze: Die Tourismusministerin von Tunesien will zeigen, dass ihr Land modern und offen ist. Doch die arabische Rebellion macht dem Land noch immer zu schaffen.
Hauptstadt am Meer: Ministerin schwärmt von der Partymetropole Tunis

Hauptstadt am Meer: Ministerin schwärmt von der Partymetropole Tunis

Foto: Corbis

Berlin - Drei Jahre nach dem Sturz des Diktators Ben Ali hat Tunesien heute eine säkulare Verfassung, die Islamisten der Nahda-Partei sind entmachtet, und unter der neuen Übergangsregierung kehrt im Land langsam Ruhe ein.

Doch noch immer prangen auf der Seite des Auswärtigen Amtes  bedrohlich klingende Reisehinweise: "Aufgrund des besonders in den Wüstenregionen Tunesiens bestehenden Entführungsrisikos rät das Auswärtige Amt davon ab, Touren - auch organisierte Fahrten - in die tunesische Wüste zu unternehmen." Oder: "Aus Sicherheitsgründen sollten Fahrten über Land nach Einbruch der Dunkelheit vermieden werden."

Amel Karboul winkt ab: "Seit dem Beginn der arabischen Rebellion vor drei Jahren ist hier keinem Touristen etwas passiert", sagt sie. Im Januar dieses Jahres wurde Karboul als tunesische Ministerin für Tourismus vereidigt, mit beachtlichem Tempo treibt die 40-Jährige seitdem die Modernisierung des Reisesektors in ihrem Land voran. Sie will weg vom Massentourismus, der seit den Siebzigerjahren Hoteltürme an der Mittelmeerküste wachsen ließ. An den Stränden verbringen noch immer 80 Prozent aller Tunesien-Reisenden ihren Urlaub.

"Wir müssen sauberer, schneller und unkomplizierter werden"

"Wir waren im Tourismussektor in den letzten Jahren nicht aggressiv genug und haben Touristen viele Kulturschätze des Landes nicht zugänglich gemacht", bemängelt die Ministerin in makellosem Deutsch. Die Tunesier müssten ihre wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu einer Marke machen - "wie zum Beispiel das Kolosseum in Rom".

Sie schwärmt von den antiken Mosaiken im 3000 Jahre alten Karthago, der Partymetropole Tunis und den grünen Waldgebieten im Nordosten des Landes, die sie "die kleine Schweiz" nennt. In der landschaftlichen Vielfalt sieht Karboul das Erfolgsmodell für Tunesien, "viele Urlauber wissen aber noch gar nicht, was unser Land abseits der Strände zu bieten hat."

Die Ministerin hat an der Uni Karlsruhe Maschinenbau studiert, derzeit bereitet sie ihre Promotion an der englischen University of Oxford vor. Mit dem Eifer einer westlichen Unternehmensberaterin erklärt sie, was alles bald besser laufen soll in ihrem Land. "Nach der Revolution haben viele Fluggesellschaften ihre Linien nach Tunesien gestrichen", erklärt sie, "Deswegen müssen wir jetzt Vertrauen wieder herstellen".

Auch die Flughäfen des Landes sind ihr ein Dorn im Auge: "Wir müssen sauberer, schneller und unkomplizierter werden", fordert sie. Der Service solle verbessert werden, sie wünscht sich etwa Raucherboxen an den Flughäfen, eine schnellere Gepäckausgabe durch mehr Personal, weniger Chaos bei den Taxis vor den Flughäfen oder einer besseren Schulung des Hotelpersonals.

Ihr Ziel ist es, dass wieder so viele Touristen nach Tunesien kommen wie vor der Krise. Knapp sieben Millionen waren es im Jahr 2010, im Krisenjahr 2011 blieben die Urlauber fern, nur knapp 4,8 Millionen Touristen besuchten das Land. Mittlerweile erholt sich die Branche. Im vergangenen Jahr kamen wieder 3,1 Prozent mehr Deutsche in das nordafrikanische Land - in den ersten Monaten 2014 steht ein Plus von 4,2 Prozent. Doch immer noch leiden Hotelbetreiber, Taxifahrer und Straßenverkäufer unter der schlechten Konjunktur.

Street Art und Wüstenyoga

Mit Fördergeldern ihres Ministeriums baut Karboul derzeit ein Street-Art-Festival auf der Insel Djerba auf: Hier sollen international renommierte Graffiti-Sprayer Hauswände verzieren und so einen Anlaufpunkt für ein internationales, urbanes Publikum bilden. Begeistert spricht Karboul vom elektronischen Musikfestival Dunes Electroniques,  zu dem im Februar dieses Jahres 10.000 Besucher aus aller Welt in die Dünen nahe der Wüstenstadt Nefta gekommen seien.

Karboul und der ehemalige französische Kulturminister Jack Lang hatten die Partygäste dort persönlich begrüßt. "Genau solche Events brauchen wir, um zu zeigen, dass wir ein modernes, offenes Land sind." Auch die bestehenden Hotels am Mittelmeer will sie renovieren und das Touristenangebot modernisieren: Meerwassertherapien, Yoga und Glamping in der Wüste und riesige Golfareale sollen die Touristen anlocken, die während der letzte drei Jahre ferngeblieben sind.

Doch obwohl Karboul mit Feuereifer für einen neuen Tourismus in Tunesien streitet, ist der Erfolg ihrer Mission nicht sicher. Denn das Budget des Tourismusministeriums ist gering: Nur 25 Millionen Euro stehen Karboul und ihrem Team für die geplanten Erneuerung zur Verfügung. Darüber hinaus gehört Karboul nur der tunesischen Übergangsregierung an, noch in diesem Jahr soll ein neues Parlament gewählt werden.

Ob sie einer Partei beitreten und Wahlkampf machen will, um sich noch weiter für den Tourismus einsetzen zu können, lässt Karboul aber offen: "Wichtig ist, dass wir heute langfristige Entwicklungen anschieben, die gut für Tunesien sind", sagt sie.

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