Gewalt in Nordafrika Tourismuskonzerne sagen alle Ägypten-Reisen ab

In Kairos Innenstadt sind Schüsse zu hören, nach dem Freitagsgebet droht in Ägypten erneut eine Eskalation der Gewalt. Nachdem das Auswärtige Amt von Reisen in alle Landesteile abgeraten hat, reagieren nun Deutschlands größte Urlaubsanbieter - und sagen alle Reisen bis Mitte September ab.
Gewalt in Nordafrika: Tourismuskonzerne sagen alle Ägypten-Reisen ab

Gewalt in Nordafrika: Tourismuskonzerne sagen alle Ägypten-Reisen ab

Foto: Hassan Ammar/ AP/dpa

Hamburg - Wegen der Gewalt in Ägypten hat der Tourismuskonzern TUI   alle Reisen in das nordafrikanische Land abgesagt. Dies gelte für alle Buchungen bis einschließlich 15. September, sagte eine Konzernsprecherin am Freitag in Hannover. Betroffen sind die Marken TUI, 1-2-Fly, Airtours und Discount Travel.

Das Unternehmen reagiert damit auf einen sogenannten Reisehinweis des Auswärtigen Amtes , in dem das Ministerium von Reisen in alle Teile Ägyptens abrät. Urlauber, die bereits vor Ort sind, könnten ihre Reise aber fortsetzen, sagte eine TUI-Sprecherin. Sie sollten sich lediglich an die Vorgaben der örtlichen Reiseleitungen halten. Darauf weist auch das Auswärtige Amt in seinen Sicherheitshinweisen hin: "Reisenden vor Ort in den Touristengebieten wird empfohlen, sich während ihres weiteren Aufenthalts besonders umsichtig zu verhalten und den Hinweisen der Hotels und Reiseveranstalter unbedingt Folge zu leisten."

Die Lage sei in den Urlaubsorten nach wie vor ruhig, sagt TUI-Sprecherin Anja Braun. "Wer dennoch ausreisen möchte, der möge sich an einen Reiseleiter vor Ort wenden", sagt sie. "Dann werde man versuchen, das möglich zu machen." Aufgrund der abgesagten Reisen dürfte in den Maschinen von Ägypten nach Deutschland ohnehin genügend Platz sein.

Phoenix Reisen bucht auch auf teurere Kreuzfahrten um

Auch andere Reiseveranstalter haben inzwischen reagiert. Nach TUI hat auch Thomas Cook alle Reisen nach Ägypten bis einschließlich 15. September abgesagt. Als Grund gibt das Unternehmen in Oberursel ebenfalls die politischen Unruhen und den aktuellen Reisehinweis des Auswärtigen Amtes an. Die Absage gelte für die Marken Neckermann, Thomas Cook, Bucher und Öger. Den Kunden würden alternative Ziele angeboten.

DER Touristik (dazu gehören die Marken ITS, Jahn Reisen, Tjaereborg, Dertour, Meier's Weltreisen und ADAC Reisen) und Alltours sagten ebenfalls alle Ägypten-Reisen bis einschließlich 15. September ab. Kunden mit einem Abreisedatum zwischen dem 16. September und 31. Oktober bietet Alltours kostenlose Umbuchungen und Stornierungen an.

Beim Kreuzfahrt-Anbieter Phoenix Reisen können alle Urlauber, die für die nächsten Tage und Wochen eine Ägypten-Reise gebucht haben, kostenlos stornieren oder umbuchen. "Wir versuchen natürlich, die Kunden zu halten", sagte Geschäftsführer Benjamin Krumpen SPIEGEL ONLINE. Deshalb würden den Kunden beispielsweise auch Kreuzfahrten als Ersatz angeboten, die bis zu tausend Euro teurer seien, unter anderem im Mittelmeer.

653 Touristen sind derzeit mit Phoenix in Ägypten. "Wir haben niemand mehr auf dem Nil oder in Kairo, sondern nur am Roten Meer", sagte Krumpen. Reisen in die Hauptstadt seien schon vorher umgeroutet worden.

Auch die Anbieter FTI, 5vorFlug und BigXtra erlauben Kunden eine kostenlose Umbuchung, wenn diese eine Reise mit den Zielflughäfen Scharm el Scheich, Hurghada oder Marsa Alam gebucht haben und sie bis 22. August antreten wollen.

Der Deutsche Reiseverband empfiehlt Urlaubern mit Abreisen in den nächsten Tagen, sich direkt an ihr Reisebüro oder ihren Reiseveranstalter zu wenden, bei dem sie ihre Reise gebucht haben, um die aktuellen Reisebedingungen zu klären.

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Ägypten: Gewalt in Kairo, Hinweis für Reisende

Foto: LOUAFI LARBI/ REUTERS

Der Veranstalter hat zudem eine Kundenhotline geschaltet, die am Freitag bis 20 Uhr und auch am Wochenende besetzt sein wird (Telefonnummer 0511-567-8000). TUI-Kunden, die für die nächsten Tage eine Ägypten-Reise geplant hatten, werden derzeit informiert und können auf andere Urlaubsziele umbuchen.

"Sehr zugespitzte Lage"

Das Auswärtige Amt wies am Freitagvormittag darauf hin, dass die Situation in den unterschiedlichen Landesteilen derzeit unterschiedlich zu bewerten sei: Es gebe eine "sehr zugespitzte Lage" in der Hauptstadt Kairo, während in den Touristenzentren am Roten Meer die Situation "derzeit noch anders sei", sagte Ministeriumssprecher Andreas Peschke. Allerdings sei die weitere Entwicklung im Land derzeit unkalkulierbar.

Ein Ende der Gewalt scheint in Ägypten weiter nicht in Sicht. Zwei Tage nach Beginn der blutigen Unruhen ist es am Freitag bei Protesten von Islamisten erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen starben in der Stadt Ismailia vier Menschen. Dutzende Verletzte gab es in der Provinzstadt Tanta. In einem Vorort von Kairo griffen vier bewaffnete Männer eine Straßensperre an und erschossen einen Angehörigen der Sicherheitskräfte. Sicherheitskräfte setzen am Nachmittag Tränengas gegen Demonstranten in der Kairoer Innenstadt ein. Es sind auch Schüsse zu hören.

Die Muslimbrüder und andere islamistische Parteien hatten ihre Anhänger zu einem "Freitag der Wut" aufgerufen. Nach dem Freitagsgebet demonstrierten landesweit Zehntausende von Anhängern des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi gegen Polizeigewalt. Einige von ihnen trugen Bilder von Mursi. Die Armee sperrte in der Hauptstadt Kairo, wo am Freitag auch zahlreiche Opfer des Blutbads vom Mittwoch zu Grabe getragen wurden, mehrere Straßen und Plätze ab. Sie hielt sich jedoch von den Versammlungsorten der Islamisten fern.

Kairo auf einen Blick: Die wichtigsten Schauplätze der vergangenen Tage

Kairo auf einen Blick: Die wichtigsten Schauplätze der vergangenen Tage

Foto: SPIEGEL ONLINE

Am Mittwoch hatte die Polizei zwei Protestlager der Islamisten in Kairo gestürmt. Dabei und während der anschließenden Unruhen in mehreren Provinzen starben mehr als 600 Menschen. Internationale Appelle an beiden Seiten, eine weitere Eskalation zu vermeiden, wurden bislang ignoriert.

jus/AFP/dpa/Reuters
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