
Unruhen Auswärtiges Amt rät dringend von Reisen nach Ägypten ab
Berlin - Die Bundesregierung rät ab sofort dringend von Reisen nach ganz Ägypten ab. Dies sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Dienstag in Berlin. Der verschärfte Reisehinweis gilt nun ausdrücklich auch für die Touristengebiete am Roten Meer. Zwar sei es dort bislang ruhig, heißt es beim Auswärtigen Amt, doch die "Unübersichtlichkeit und schwere Vorhersehbarkeit der Gesamtsituation" sei der Grund für die Änderung. Hintergrund sind die seit Tagen herrschenden Unruhen in dem nordafrikanischen Land.
Die Massendemonstrationen seien mit einem Aufruf zu einem landesweiten Generalstreik verbunden worden, dessen Ende nicht absehbar sei, sagte Westerwelle. Daher könne es auch in den fernab der großen Städte gelegenen Touristengebieten zu Engpässen bei der Versorgung und zu logistischen Schwierigkeiten kommen. Zuletzt hatte das Auswärtige Amt vor Reisen "insbesondere nach Kairo, Alexandria und Suez sowie in die urbanen Zentren im Landesinneren und im Nildelta" abgeraten. Der Krisenstab des Auswärtigen Amts hat nun eine Notfall-Telefonnummer unter 030 50003000 eingerichtet, die rund um die Uhr erreichbar sein soll.
Zahlreiche Touristen scheint die Situation in Ägypten trotz der heftigen Unruhen bislang wenig zu beängstigen. Viele deutsche Urlauber fliegen trotz der Unruhen weiter in das nordafrikanische Land. Gestern hätten noch 60 Prozent der Touristen ihre gebuchte Reise ans Rote Meer angetreten, sagte Anja Braun, Sprecherin der TUI in Hannover, am Dienstag.
Etwas weniger risikofreudig zeigen sich die Kunden der Rewe Touristik in Köln. Doch immerhin ein Drittel von ihnen hätte sich gestern auf den Weg in die ägyptischen Badeorte wie Hurghada oder Scharm el-Scheich gemacht, sagte Sprecherin Daniela Sauerwald. Die meisten der übrigen zwei Drittel versuchten umzubuchen, vor allem auf die Kanarischen Inseln und die Türkei.
Anbieter preisen weltweit Alternativziele an
Diese Ziele sind als Ersatz auch bei TUI, Thomas Cook und Neckermann (ITS, Jahn Reisen, Tjaereborg) besonders beliebt. Sie bieten ebenfalls Sonne und Strand, zudem seien sie in vergleichbarer Flugzeit erreichbar, sagte Matthias Brandes, Sprecher der Thomas Cook AG in Oberursel. Die Türkei biete ähnlich günstige Preise in All-inclusive-Hotels wie Ägypten. Für die Kanaren könnte dagegen ein Aufpreis fällig werden. Bei Thomas Cook und Neckermann buchten auch viele Kunden auf die Arabischen Emirate um, sagt Brandes.
Rewe-Sprecherin Daniela Sauerwald sieht Mallorca als attraktives Ausweichziel, auch für Urlauber, die Sport machen wollen. "Wer tauchen will, weicht vielleicht eher auf die Fernstrecke aus", sagt Sauerwald, "da gibt es auf der Mittelstrecke nichts Vergleichbares". Mögliche Alternativen könnten die Malediven, die Karibik, Indonesien oder Thailand sein. Schwieriger werde es für Kulturtouristen, die eine Nilkreuzfahrt gebucht haben, einen Ersatz zu finden. Sie seien allerdings eine Minderheit.
Eng dürfte es auch nicht werden, wenn die Mehrzahl der Urlauber ihre gebuchte Ägypten-Reise zum Beispiel gegen die Kanarischen Inseln tauscht. "Zurzeit haben wir genug Kapazitäten", sagte Brandes. Außerdem sei momentan noch Vorsaison, und die Osterferien liegen in diesem Jahr erst spät im April. Ähnlich äußerten sich die Sprecher von TUI und Rewe. "Wenn wir Zusatzkapazitäten schaffen müssten, können wir das", ergänzte Anja Braun.
Experte rechnet nicht mit Einbruch der Urlauberzahlen
Trotz der derzeit unsicheren Lage in Ägypten könnten die Urlauberzahlen dort langfristig stabil bleiben. Nach Ansicht des Tourismusexperten Karl Born wird es keinen nennenswerten Rückgang geben, solange keine deutschen Urlauber zu Schaden kommen. "Das klingt jetzt ein bisschen zynisch: Der Urlauber ist eigentlich nur dann geschockt, wenn in Touristenzentren etwas passiert", sagte Born, der an der Hochschule Harz in Wernigerode lehrt.
Der Experte rechnet nicht mit Gewalt gegen Urlauber: "Es spricht einiges dafür, aus Erfahrungen in anderen Ländern, dass solche Proteste sich in der Regel auf die Hauptstadt und andere Großstädte konzentrieren, dass sie aber ganz gezielt nicht gegen Touristen gehen." Reisende neigten dazu, den Wert ihres Urlaubs danach zu beurteilen, wie ungestört sie ihn verbringen können. "Und solche Dinge, dass in der Hauptstadt heftige Unruhen sind und in den Touristenzentren ist nichts los, das haben wir schon ein paar Mal in Thailand erlebt", sagte Born.
Einen Einbruch gibt es Born zufolge bei den Urlaubern, die gerade in diesen Tagen buchen wollen. Aber vor allem Urlauber, die ihre Reise nach Ägypten schon vor längerer Zeit gebucht haben, dürften sich nicht abschrecken lassen. "Wir haben ja Bilder in den letzten Tagen gesehen, wo die Menschen weiterhin runtergeflogen sind", so Born. Das bestätigen auch die Reiseveranstalter. "Langfristig, so in einem Rhythmus von ein paar Wochen, nachdem das ganze Problem gelöst ist, kommen die Touristenzahlen relativ schnell auf die alte Höhe zurück", prognostiziert der Experte.