Vorbild für Deutschland Frankreich besteuert Flugtickets für Entwicklungshilfe
Paris/Berlin - Die französische Regierung erwartet aus der Steuer, die ab dem 1. Juli gilt, einen Erlös von 200 Millionen Euro pro Jahr. Damit will Paris den Kampf gegen die Krankheiten Aids, Tuberkulose und Malaria finanzieren, an denen pro Jahr weltweit sechs Millionen Menschen sterben. In Deutschland ist die Einführung einer solchen Abgabe umstritten.
Bei Flügen innerhalb Frankreichs und bei Europaverbindungen müssen Passagiere ab Juli einen Aufschlag von einem Euro in der Touristenklasse und zehn Euro in der Business Class zahlen. Bei außereuropäischen Verbindungen sind es vier beziehungsweise 40 Euro. Auch Fluggäste, die nach Frankreich reisen, müssen die Abgabe entrichten. Damit sind auch zehntausende deutsche Passagiere pro Jahr betroffen.
Das Geld aus der so genannten Solidaritätssteuer fließt in den Fonds Unitaid. Dieser kauft zu möglichst günstigen Konditionen Medikamente für arme Länder, die dann zum Beispiel in Impfprogrammen verwendet werden.
"Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie in Afrika Kinder sterben", verteidigt Verkehrsminister Dominique Perben die Steuererhöhung für wohltätige Zwecke. "Wir brauchen Mut und Freigebigkeit." Die Luftfahrtbranche war vergeblich gegen die Abgabe Sturm gelaufen. Im Frühjahr warnte sie vor dem Verlust von bis zu 4000 Arbeitsplätzen. Airlines und Reiseveranstalter monieren eine Diskriminierung des ohnehin unter hohen Ölpreisen leidenden Luftverkehrs gegenüber anderen Verkehrsmitteln und Konkurrenten aus Ländern, in denen die Steuer nicht erhoben wird.
Steuer oder direkte Zahlungen?
Das sind viele. Zwar wirbt Frankreichs Präsident Jacques Chirac seit eineinhalb Jahren unermüdlich für das Projekt, das dazu dienen soll, bis 2015 die sogenannten Millenniums-Ziel der UNO im Kampf gegen Armut und medizinische Unterversorgung zu erfüllen. 13 "feste" Zusagen hat Paris bisher eingesammelt, darunter aus Brasilien, das wahrscheinlich nächste Woche die Einführung verkünden wird. Chile hat die Steuer bereits, Großbritannien will eine bestehende Flugsteuer umwidmen. Doch viele Länder ziehen es vor, sich durch direkte Zahlungen in den Impf-Fonds zu beteiligen, als das Geld über eine möglicherweise unpopuläre Steuer einzutreiben.
Das deutsche Entwicklungshilfeministerium bezeichnet die Abgabe als "ein mögliches Instrument, das wir prüfen". Dabei verweist das Ressort von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) auf Deutschlands Verpflichtung, die Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu verdoppeln. Im Koalitionsvertrag sei festgehalten, dass dies auch über "innovative Finanzierungsinstrumente" erreicht werden solle, sagte Wieczorek-Zeuls parlamentarische Staatssekretärin Karin Kortmann (SPD). Aus ihrer Sicht gibt es "keine Alternative" zu der Flugsteuer. In der Koalition werde "nichts anderes mehr diskutiert". Kortmann hofft bereits im Herbst auf einen Beschluss für ein Gesetz und nennt mögliche Einnahmen von 400 bis 500 Millionen Euro.
Doch die Widerstände sind groß, wie Peter Wahl, Geschäftsführer der deutschen Entwicklungsorganisation WEED, sagt. Zwar hätten 106 Bundestagsabgeordnete eine Kampagne für die Steuer unterstützt, darunter Ex-Finanzminister Hans Eichel (SPD). Doch Eichels Nachfolger Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stemmten sich gegen die Abgabe, weil aus ihrer Sicht wegen der Erhöhung von Mehrwert- und Versicherungsteuer sowie stärkeren Belastungen bei den Gesundheitskosten "eine vierte Steuer nicht vermittelbar ist". Eine für morgen geplante Bundestagsdebatte über die Abgabe wurde mit der Mehrheit der großen Koalition kurzfristig abgesagt.
Martin Trauth, afp