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Kreuzberger Proteste: "Hilfe, die Touristen kommen"

Foto: Kathrin Streckenbach/ dpa

Weltstadt Berlin Kreuzberger protestieren gegen "Touristifizierung"

Zu viele Fremde im Kiez: Mit einem für Berlin-Kreuzberg eher untypischen Anliegen stellen sich Anwohner gegen eine "Überflutung durch Touristen". Sie fürchten steigende Wohnungsmieten durch die Zunahme der Hostels in ihrem Viertel.

Berlin - Berlin ist bei Besuchern aus dem Ausland so beliebt wie nie zuvor, die Touristenzahlen steigen auf Rekordhöhen. Doch die Gastgeber fühlen sich bedrängt: "Hilfe, die Touristen kommen" haben die Bewohner des Wrangelkiezes in Kreuzberg plakatiert und zu einer Anwohnerversammlung am Montagabend geladen.

Der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt sagte als Gastgeber des Abends, der Anstieg auf über 20 Millionen Touristen pro Jahr in der Stadt dürfe nicht zu Lasten der Einwohnerschaft in Kiezen gehen, nur weil dort interessante Lebensentwürfe gepflegt würden. Ähnlich dem Bergmannkiez drohe nun auch der Wrangelkiez zu kippen.

Behrendt hatte zuvor der "Berliner Zeitung" gesagt, er habe grundsätzlich nichts gegen Touristen. Ihn störe nur, dass der rot-rote Senat jeden Übernachtungsrekord hochjubele und Probleme ignoriere. "Wir wollen keine Mauer um Kreuzberg bauen", sagte er der Zeitung, "aber so wie in der Oranienburger Straße in Mitte soll es auch nicht werden, wir wollen stadtverträglichen Tourismus." Die Grünen wollen die Zahl der Hostels und Hotels in dem Bezirk beschränken, außerdem umweltfreundliche Unterkünfte mit Ökosiegel auszeichnen.

Auf der Versammlung mit rund 200 Teilnehmern forderten die Kreuzberger Maßnahmen zur Lenkung der Gästeströme. Vor allem die frühere Berlin Tourismus Marketing GmbH, Visit Berlin, sei gefordert, hieß es. Zahlreiche Bürger artikulierten ihre Angst vor steigenden Laden- und Wohnungsmieten. Schon jetzt würden Wohnungen als Gästequartiere zweckentfremdet. Die Nachtruhe werde durch Lärm gestört. Zentrales Problem sei die Zunahme von Hostels. "Abends ist auf der Schlesischen Straße oft mehr los als auf dem Kudamm", sagte ein Anwohner.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen in Charlottenburg-Wilmersdorf, Nicole Ludwig, sagte, es sei widersinnig, wenn einerseits Gebiete wie der Wrangelkiez unter "Touristifizierung" litten, andererseits aber Lagen wie jene rund um das Schloss Charlottenburg nur ungenügend von Touristen profitierten. Es gelte daher, den Tourismus besser zu "qualifizieren", also zu lenken. Gefordert sei der Senat.

"Wir sind kein Zoo!"

Gerhard Buchholz von Visit Berlin räumte Fehler beim aktuellen Tourismuskonzept ein. Das sei "sicher nicht optimal", weil der Senat vom großen Ansturm auf die Stadt einfach überrollt worden sei. Er verwies auf die Bedeutung des Tourismus für den Berliner Fiskus. Zudem arbeiteten 230.000 Beschäftigte im Tourismussektor. Dass Gäste auch in die Kieze kämen, könne niemand verhindern, sagte Buchholz und kassierte dafür wütende Zurufe wie "Wir sind kein Zoo".

Der Chef der Tourismusagentur, Burkhard Kieker, hatte in der "Berliner Zeitung" zuvor dem Eindruck widersprochen, dass Kreuzberg von Touristen überflutet werde. Die Veränderung des Viertels, das seit dem Mauerfall nicht mehr im toten Winkel West-Berlins liege, sondern im Herzen der Stadt, sei eine normale Entwicklung. Jede Vorstellung, dass man Touristenströme umleiten könne, sei aber absurd, sagte Kieker der Zeitung. Berlin werde wieder eine Weltstadt, "daran müssen wir uns gewöhnen".

abl/ddp/dpa
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